Deinem Korb?" Und er stürzte auf Ole los. Der aber nahm
blitzschnell seinen Korb aus der rechten Hand in die linke und hielt ihn
auf den Rücken; es war Edvard nicht möglich, ihn hervorzuzerren.
"Was denkst Du Dir denn, Mensch! Glaubst etwa, Du könntst mir noch
entwischen? Her mit dem Korb!" -- "Du kriegst ihn nicht." -- "Wirst Du
wohl gehorchen? So geh ich einfach hinunter und frag'!" --"Nein,
nein!" -- "Doch! Zum Kuckuck, wenn ich's nicht tu!" -- "Du tust's
nicht!" -- "Ich tu's!" -- Und schon drängte er an Ole vorüber, den Berg
hinab.
"Ich will's ja sagen -- versprich mir bloß, daß Du's nicht weiter sagst!"
-- "Nicht weiter sagen? Du bist wohl nicht bei Trost?" -- "Doch! Du
darfst nicht!" --"Blödsinn! was denkst Du Dir denn? Her mit dem Korb
-- oder ich geh'!" schrie Edvard. -- "Wenn Du's nicht weiter sagst -- --".
Die Tränen traten Ole in die Augen. "Ich verspreche gar nichts!" --
"Nichts sagen, Edvard! Nein?" -- "Ich verspreche gar nichts. Den Korb
her! Fix!" -- "Es ist nichts dabei, Du!" -- "Wenn nichts dabei ist, kannst
Du's doch sagen! Fix!" Ole nahm das, nach Knabenmanier, für ein
halbes Versprechen; flehend blickte er den andern an und faßte sich ein
Herz: "Ich geh' dort hinunter, weil ich ... weil ich ... ach, Du weißt ja
selber ... auf Gottes Wegen!" Das Letzte sagte er sehr verlegen und
brach in Tränen aus. -- "Auf Gottes Wegen?" fragte Edvard, ziemlich
unsicher. Er war aufs höchste verwundert.
Er erinnerte sich, wie der Geographielehrer in einer schläfrigen Stunde
einmal die Frage gestellt hatte: "Welche Wege sind die besten?" Im
Lehrbuch stand: "Für den Warentransport sind noch immer die
Seewege die besten." -- "Na -- also welche Wege sind die besten? Du,
Tuft?" -- "Gottes Wege!" antwortete Tuft. Die ganze Klasse war mit
einemmal munter; ein brüllendes Gelächter verkündete das.
Aber bei alledem -- Edvard Kallem wußte wirklich nicht recht, was
"Gottes Wege" bedeute. Ole -- drunten im Fischerdorf -- auf Gottes
Wegen? Vor lauter Neugier vergaß er ganz, daß er Sittenpolizei war!
Gradheraus, wie jeder andere Junge, sagte er: "Ich versteh' nicht, was
Du damit meinst! Gottes Wege -- sagst Du?" Der andere bemerkte
sogleich die Veränderung. Die eben noch so scharfen Augen blickten
freundlich; nur der seltsame Glanz, der nie aus ihnen wich, lag noch
darin. Unter allen Schulkameraden bewunderte Ole in aller Stille
keinen so sehr wie den Edvard Kallem. Der Bauernjunge litt entsetzlich
unter dem überlegenen Scharfsinn und der Gewandtheit der
Stadtjungen, und der vornehmste Repräsentant dieser Eigenschaften
war Edvard Kallem. Und noch ein Glorienschein umgab sein Haupt ...
er war der Bruder seiner braunlockigen Schwester.
Einen unerträglichen Fehler hatte er: er war ein Erzspottvogel. Alle
Augenblicke setzte es deswegen Haue --mal von den Lehrern, dann
vom Vater oder von den Kameraden. Und in der nächsten Minute fing
er schon wieder an. Das ging über den Verstand des Bauernjungen.
Und darum wirkte auch ein freundliches Wort, ein Lächeln von Edvard
weit mehr, als es eigentlich sagen wollte. Es hatte den Sonnenglanz der
Gnade, der Vornehmheit. Diese einschmeichelnden, milden Fragen, die
der gewesene Raubvogel (von dem jetzt bloß noch der Schnabel übrig
war) stellte, verflossen in eins mit dem Leuchten der Augen. Und Ole
streckte die Waffen. Sowie Edvard seine Taktik änderte und treuherzig
bat, den Korb sehen zu dürfen, lieferte Ole ihn aus und fühlte sich
völlig beruhigt und kampfunfähig; er trocknete sich die Augen mit
seinen großen Fausthandschuhen, zog den einen aus und schneuzte sich
in die Finger --besann sich auf einmal, daß er zu diesem Zweck ein
karriertes Sacktuch besaß, suchte darnach und fand es nicht ...
Edvard hatte den Korbdeckel aufgemacht; ehe er ihn zurückschlug,
blickte er auf: "Du möchtest vielleicht lieber nicht -- --?" -- "Doch,
gern!" -- Edvard schob den Deckel zur Seite. Ein großes Buch lag
darunter --die Bibel. Er wurde starr, beinah ehrfürchtig. Unter der Bibel
lagen verschiedene ungebundene Hefte. Er nahm ein paar heraus,
drehte sie um und legte sie wieder hinein. Es waren Traktate. Die Bibel
legte er behutsam wieder an ihren Platz, breitete das Tuch darüber und
machte den Deckel zu. Im Grunde war er so klug wie zuvor, oder
vielmehr nur noch neugieriger.
"Du liest doch nicht etwa den Leuten da unten aus der Bibel vor?"
fragte er. Ole Tuft errötete. "Doch --manchmal --" -- "Wem denn?" --
"Ach, den Kranken. Aber oft komm' ich ja nicht dazu --" -- "Zu den
Kranken gehst Du?" -- "Ja -- zu den Kranken geh' ich eben." -- "Zu den
Kranken? Du? Aber lieber Gott, -- was tust Du denn da?" -- "Oh, ihnen
helfen --so gut ich eben kann!" -- "Du?" fragte Edvard mit allem
Erstaunen, dessen er fähig war. Und nach einer Pause fügte er hinzu:
"Mit was denn? Mit Essen?" --"Das auch. Ich helf' ihnen
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