Arnold Böcklin | Page 8

Heinrich Alfred Schmid
Sohn zu einem Beruf zu
bestimmen, der ihm erlaubte, seine Talente lohnender als im
Malerberuf zu verwenden. Zu der Unzufriedenheit mit seinen Beratern
und mit sich selbst kam aber noch eine Liebe, die tragisch enden sollte.
Böcklin pflegte seine Arbeit mit Flötenspiel zu unterbrechen, dann
erschien am gegenüberliegenden Fenster ein junges und eigenartiges
Mädchen, das den Klängen zuhörte. Sie war auch nicht ganz
unbemittelt, aber der Vater Böcklin war empört, daß der Sohn, der
seinen eigenen Unterhalt noch nicht verdiente, an eine Heirat dachte.
Als schließlich eine Verlobung doch stattgefunden hatte, wollten die
Eltern der Braut die Ärmste nicht mit in die Fremde ziehen lassen.
Böcklin strebte damals nach Rom. Als er dann Abschied genommen
hatte, ahnte er, daß er die Braut nicht wiedersehen werde. Sie starb kurz
nachher; er erhielt die Nachricht erst in Rom und seine Wirtin fand den
fremden Pittore mit einem Briefe in der Hand ohnmächtig am Boden

liegen. In den Bildern des Meisters aber, in frühen und in späten,
erscheint oft ein anmutiges Mädchen, das dem Flötenspiel eines
Jünglings oder eines Halbgottes lauscht, und Jakob Burckhardt hat den
Tod des Mädchens besungen.

ROM 1850-1857
Rom war damals noch das Ziel aller Maler; die Lehrer, bei denen
Böcklin an der Zeichenschule in Basel seinen ersten Unterricht
genossen, und fast alle anderen Künstler der Stadt waren dort gewesen.
Sein Freund Jakob Burckhardt hatte 1846 eine längere Reise nach
Italien gemacht. Seither war das Revolutionsjahr auch über Italien
hinweggegangen. Aber 1849 war die Ruhe allmählich überall wieder
hergestellt worden. So ließ man den Sohn endlich ziehen. Ende Februar
oder Anfang März 1850 brach Böcklin auf. Einem jungen Maler, der
ihn später nach dem richtigen Wege zur Kunst gefragt hat, soll er
geantwortet haben: Trinken Sie kein Bier sondern Wein, besuchen Sie
keine Akademie und gehen Sie sobald wie möglich nach Italien. Auch
Jakob Burckhardt vertrat noch spät die Ansicht, man könne nicht früh
genug nach Italien gehen.
Das Rom der fünfziger Jahre sah dem zu Goethes, vielleicht sogar dem
zu Poussins Zeit noch viel ähnlicher als dem heutigen. Thermen,
Tempel, Amphitheater, Brücken waren malerisch mit üppiger
Vegetation überwuchert und das Forum sah noch nicht aus wie eine
sauber gefegte Brandstätte; eine Allee lief hoch über den jetzt
bloßgelegten Resten des alten Straßenpflasters vom Forum nach dem
Titusbogen. In Gegenden, wo heute Fabriken, Werkstätten und
Zinskasernen oder unzugängliche Sperrforts stehen, hat Böcklin die
herrlichsten Motive gefunden. Die Straßenbeleuchtung freilich war
schlecht und die Unsicherheit war groß innerhalb der Mauern und
außerhalb. Die Fieberepidemien und die päpstliche Polizei belästigten
den Fremdling und den Einheimischen; aber trotzdem hatte man den
Eindruck, als ob alle Tage Sonntag sei, und Gregorovius rühmt die
Stille und Ruhe der Ewigen Stadt, Das Leben war auch erstaunlich
billig und selbst die Bettler schienen keine Not zu leiden.

Böcklin ist von der Küste her in die Ewige Stadt eingezogen, durch die
Porta Cavallegieri beim Janiculus und sah im Mondschein zuerst die
Kolonnaden und die Springbrunnen von St. Peter. Es stürmten nun
Eindrücke auf ihn ein, die seiner Kunst die Richtung fürs Leben geben
sollten, und die Freude an der neuen Welt scheint aus allen seinen
Bildern zu leuchten. Gewiß ist der melancholische Unterton in den
Tiefen seiner Seele geblieben, und hat später in Schöpfungen, in denen
südliche Landschaften dargestellt sind, die entscheidende Note gegeben.
Aber vorerst scheint ihn das Interesse an der strahlenden Schönheit der
Natur, die ihn umgab, so sehr gefangen genommen zu haben, daß er
nicht mit der Entschiedenheit wie bisher auf den Ausdruck einer
Stimmung, jedenfalls nicht einer melancholischen, hinarbeitet.
Seiner späteren Gattin, die nicht weit von der Straße wohnte, wo
Böcklin ein Unterkommen gefunden hatte, ist er in dieser ersten
römischen Zeit aufgefallen als ein schlanker junger Fremdling mit
wettergebräuntem Gesicht, hellen Augen und langen Locken, der jeden
Morgen schon in der Frühe mutterseelenallein mit dem Skizzenbuch
unter dem Arm nach der Porta del Popolo zu ging, um draußen Studien
zu machen. Er scheint auch wirklich die Gegend unmittelbar vor
diesem Tore bis zum Ponte Molle und dann auch die weitere
Umgegend im Norden und Nordwesten von Rom, das Poussintal, Isola
Farnese, Formello und den Lago Bracciano besonders bevorzugt zu
haben. Im Süden von Rom hat er offenbar viel und gerne beim Hain der
Egeria gezeichnet.
Gleich zu Anfang lernte er den Historienmaler Ludwig Thiersch und
den Landschafter Franz-Dreber kennen. Thiersch trug am 27. März in
sein Tagebuch ein, daß er abends einen Landschaftsmaler Böcklin in
der Kneipe getroffen, der sehr viel von der Pariser Revolution erzählte.
Am 3. April gingen die beiden zusammen, Böcklin vielleicht zum
ersten Male, in den Vatikan. Thiersch hatte damals den Eindruck eines
Kameraden, der nur äußerlich gefaßt, innerlich durch den Tod seiner
Braut ganz zerrissen war. Franz-Dreber war etwas älter als Böcklin und
schon etliche Jahre länger in Rom, er war ein Schüler Ludwig Richters
gewesen und hatte
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