Arnold Böcklin | Page 7

Heinrich Alfred Schmid
und ist von
seinem Schüler nach wenigen Jahren überholt worden, aber Böcklin ist
ihm sein ganzes Leben dankbar geblieben. Seine eigene Kunst ist von
dem ausgegangen, was er bei Schirmer vorfand; freilich hat er später
aus den Quellen geschöpft, die Riviera, die Campagna, das Poussintal
bewundert und die Väter und Vorväter der deutschen heroischen
Landschaft studiert und hat alles Überkommene selbständig
umgestaltet. So gleicht das Ende nicht dem Anfang; aber ohne
plötzlichen Ruck, langsam und stetig wächst er aus jener Wurzel
empor.
Er blieb bis zum Frühjahr 1847 an der Akademie, da er aber auch den
Sommer 1846, wie den von 1845 und 1847, in der Schweiz zu
Studienfahrten benützte, so hat er im ganzen nicht mehr als etwa ein
Jahr systematischen Unterricht genossen.
Seine Malerei ist in dieser Zeit geschickter, die Gesamtwirkung
schlagender, es ist aber namentlich auch die Naturbeobachtung feiner
geworden, so daß es nicht schwer ist, die undatierten Studien dieser
Jahre mit großer Wahrscheinlichkeit chronologisch einzuordnen. Aus
dieser Zeit stammen nun auch einige Kompositionen, die in ihren
Vorwürfen an die Romantik eines Lessing, im Kolorit an Schirmer
erinnern, wie die Burgruine in der Berliner Nationalgalerie und ein
Hünengrab im Basler Museum. Diese Bilder dürften das Endresultat
der Düsseldorfer Lehrjahre vorstellen.
Im März 1847 begab er sich mit dem schweizerischen Tiermaler Rud.
Koller nach Brüssel, der Stadt, die damals das Ziel aller
heranwachsenden Koloristen in Deutschland war, und nach Antwerpen.
Die beiden bewunderten einen Rembrandt, namentlich aber Rubens und
van Dyck. Böcklin suchte indessen vergebens nach Landschaften, die
ihm zusagten. Den Sommer darauf soll er die Alpen von Graubünden

bis an den Genfer See durchstreift haben. Im August war er in der Tat
in Evian und Thonon, und im September in Genf. Es ist auch eine
Reihe reizvoller Studien und Kompositionen erhalten, die die Alpen
darstellen und wohl aus diesem Jahre stammen, weil sie wieder um
einen Grad frischer und naturalistischer als früher datierte sind. Er war
auf dem besten Wege, ein Maler seiner Heimat zu werden, wie Diday
und Alexander Calame und trat auch wirklich noch bei Calame als
Schüler ein. Dieser, siebzehn Jahre älter als Böcklin, stand schon auf
der Höhe seines Ansehens und zog die heranwachsende schweizerische
Maljugend an sich. Aber Böcklin fühlte sich wenig befriedigt, so sehr
auch einige seiner Zeichnungen und Gemälde an Calame erinnern,
setzte es durch, nach Paris zu dürfen und traf dort im Februar 1848 bei
seinem Freunde Koller, der vorausgezogen war, ein.
Es begann jetzt noch einmal ein fleißiges Studium von morgens früh
bis abends spät in einem privaten Aktsaal, im Louvre und wieder im
Aktsaal. Von den Modernen haben nach Kollers Bericht dem jungen
Landschafter Couture's «Décadence des Romains» ebenso wie seinem
späteren römischen Genossen Feuerbach gefallen, noch mehr aber die
Werke von Corot, Jules Dupré und dem Orientmaler Prosper Marilhat.
Nach dem Zeugnis seines Schülers Zurhelle hat Böcklin auch Delacroix
bewundert.
Aber die Studien wurden kurz nach der Ankunft unterbrochen durch
die Februarrevolution. Die beiden Freunde, von Neugier, nicht von
blasser Furcht geplagt, haben sich die Ereignisse als Maler angesehen,
und die ungewohnten Bilder, die sich ergaben, auch als Maler
bewundert. Sie sind sogar mit einem Volkshaufen in die königlichen
Gemächer eingedrungen. Noch im Alter gedachte Böcklin gerne dieser
stürmischen Tage. Aber später hat er Dinge mitansehen müssen, über
die er lieber hinwegzugehen pflegte. Er ist nämlich nach der Abreise
Kollers noch monatelang allein in einem kleinen Dachstübchen am
Luxembourggarten zurückgeblieben und hat dort die Arbeiterschlacht
im Juni miterlebt. Was er in der Zeit nach Kollers Weggang gemalt hat,
wissen wir nicht; über das, was ihm sonst zugestoßen ist, sind nur
einzelne Anekdoten und zum Teil widersprechende Nachrichten
erhalten. Angeekelt und flügellahm kehrte er gegen den September

nach Hause zurück, aber reifer als Mensch und als Künstler.
Er arbeitet nun anderthalb Jahre (bis Februar 1850) in heißem Ringen
mit seiner Kunst und oft der Verzweiflung nahe in Basel und es ist eine
stattliche Reihe von Landschaften, meist düstere, melancholische oder
doch ernste Stimmungsbilder aus diesen Monaten erhalten. Sie
sprechen aber nicht dafür, daß ihm Delacroix oder die Schule von
Barbizon neue Lichter aufgesetzt hätten, erinnern überhaupt nicht an
einzelne große Franzosen, sie zeigen ein Vorwärtsschreiten auf dem
bisherigen Wege. Aber es tritt der dämonische Unterton in seinem
Werke auf, eine Note, die für Böcklin im besonderen charakteristisch
ist, und wir spüren die ersten Funken echter Genialität.
Die «Tannenbewachsene Felsschlucht mit Wasserfall» (Tafel 1), die
schon als sein frühestes Bild ausgegeben worden ist, gehört in diese
Monate und scheint uns das früheste Bild zu sein, das diesen Funken
verrät. Eine Schwester erinnerte sich noch, daß sie als kleines Mädchen
vom älteren Bruder vor die Arbeit geführt und nach ihrem Eindruck
gefragt wurde. Als sie dann zaghaft mit der Antwort herausrückte, es
erscheine ihr so unheimlich, lächelte der Bruder, denn das hatte er
gewollt.
Der Vater soll nochmals versucht haben, den
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