Aquis Submersus | Page 4

Theodor W. Storm
Bild?" frug ich endlich, da mir pl?tzlich bewu?t wurde, da? der vor mir stehende Meister mit seiner Auseinandersetzung innegehalten hatte.
Er sah mich verwundert an. "Das alte Bild? Das ist von unserer M?ddersch", erwiderte er; "es stammt von ihrem Urgro?onkel, der ein Maler gewesen und vor mehr als hundert Jahren hier gewohnt hat. Es sind noch andre Siebensachen von ihm da."
Bei diesen Worten zeigte er nach einer kleinen Lade von Eichenholz, auf welcher allerlei geometrische Figuren recht zierlich eingeschnitten waren.
Als ich sie von dem Schranke, auf dem sie stand, herunternahm, fiel der Deckel zur��ck, und es zeigten sich mir als Inhalt einige stark vergilbte Papierbl?tter mit sehr alten Schriftz��gen.
"Darf ich die Bl?tter lesen?" frug ich.
"Wenn's Ihnen Pl?sier macht", erwiderte der Meister, "so m?gen Sie die ganze Sache mit nach Hause nehmen; es sind so alte Schriften; Wert steckt nicht darin."
Ich aber erbat mir und erhielt auch die Erlaubnis, diese wertlosen Schriften hier an Ort und Stelle lesen zu d��rfen; und w?hrend ich mich dem alten Bilde gegen��ber in einen m?chtigen Ohrenlehnstuhl setzte, verlie? der Meister das Zimmer, zwar immer noch erstaunt, doch gleichwohl die freundliche Verhei?ung zur��cklassend, da? seine Frau mich bald mit einer guten Tasse Kaffee regulieren werde.
Ich aber las und hatte im Lesen bald alles um mich her vergessen.
So war ich denn wieder daheim in unserm Holstenlande; am Sonntage Cantate war es Anno 1661!--Mein Malger?th und sonstiges Gep?cke hatte ich in der Stadt zur��ckgelassen und wanderte nun fr?hlich f��rba?, die Stra?e durch den maiengr��nen Buchenwald, der von der See ins Land hinaufsteigt. Vor mir her flogen ab und zu ein paar Waldv?glein und letzeten ihren Durst an dem Wasser, so in den tiefen Radgeleisen stund; denn ein linder Regen war gefallen ��ber Nacht und noch gar fr��h am Vormittage, so da? die Sonne den Waldesschatten noch nicht ��berstiegen hatte.
Der helle Drosselschlag, der von den Lichtungen zu mir scholl, fand seinen Widerhall in meinem Herzen. Durch die Bestellungen, so mein theurer Meister van der Helst im letzten Jahre meines Amsterdamer Aufenthalts mir zugewendet, war ich aller Sorge quitt geworden; einen guten Zehrpfennig und einen Wechsel auf Hamburg trug ich noch itzt in meiner Taschen; dazu war ich stattlich angethan: mein Haar fiel auf mein M?ntelchen mit feinem Grauwerk, und der L��tticher Degen fehlte nicht an meiner H��fte.
Meine Gedanken aber eilten mir voraus; immer sah ich Herrn Gerhardus, meinen edlen gro?g��nstigen Protector, wie er von der Schwelle seines Zimmers mir die H?nde w��rd' entgegenstrecken, mit seinem milden Gru?e: "So segne Gott deinen Eingang, mein Johannes!"
Er hatte einst mit meinem lieben, ach, gar zu fr��h in die ewige Herrlichkeit genommenen Vater zu Jena die Rechte studiret und war auch nachmals den K��nsten und Wissenschaften mit Flei?e obgelegen, so da? er dem Hochseligen Herzog Friederich bei seinem edlen, wiewohl wegen der Kriegsl?ufte vergeblichen Bestreben um Errichtung einer Landesuniversit?t ein einsichtiger und eifriger Berather gewesen. Obschon ein adeliger Mann, war er meinem lieben Vater doch stets in Treuen zugethan blieben, hatte auch nach dessen seligem Hintritt sich meiner verwaiseten Jugend mehr, als zu verhoffen, angenommen und nicht allein meine sparsamen Mittel aufgebessert, sondern auch durch seine f��rnehme Bekanntschaft unter dem Holl?ndischen Adel es dahin gebracht, da? mein theuerer Meister van der Helst mich zu seinem Sch��ler angenommen.
Meinte ich doch zu wissen, da? der verehrte Mann unversehrt auf seinem Herrenhofe sitze, wof��r dem Allm?chtigen nicht genug zu danken; denn, derweilen ich in der Fremde mich der Kunst beflissen, war daheim die Kriegsgreuel ��ber das Land gekommen; so zwar, da? die Truppen, die gegen den kriegsw��thigen Schweden dem K?nige zum Beistand hergezogen, fast ?rger als die Feinde selbst gehauset, ja selbst der Diener Gottes mehrere in j?mmerlichen Tod gebracht. Durch den pl?tzlichen Hintritt des Schwedischen Carolus war nun zwar Friede; aber die grausamen Stapfen des Krieges lagen ��berall; manch Bauern- oder K?thnerhaus, wo man mich als Knaben mit einem Trunke s��?er Milch bewirthet, hatte ich auf meiner Morgenwanderung niedergesenget am Wege liegen sehen und manches Feld in ?dem Unkraut, darauf sonst um diese Zeit der Roggen seine gr��nen Spitzen trieb.
Aber solches beschwerete mich heut nicht allzu sehr; ich hatte nur Verlangen, wie ich dem edlen Herrn durch meine Kunst beweisen m?chte, da? er Gab und Gunst an keinen Unw��rdigen verschwendet habe; dachte auch nicht an Strolche und verlaufen Gesindel, das vom Kriege her noch in den W?ldern Umtrieb halten sollte. Wohl aber t��ckete mich ein anderes, und das war der Gedanke an den Junker Wulf. Er war mir nimmer hold gewesen, hatte wohl gar, was sein edler Vater an mir gethan, als einen Diebstahl an ihm selber angesehen; und manches Mal, wenn ich, wie ?fters nach meines lieben Vaters Tode, im Sommer die Vacanz auf dem Gute zubrachte, hatte er mir die sch?nen Tage verg?llet und versalzen. Ob er anitzt in seines Vaters Hause sei, war mir nicht kund geworden, hatte nur vernommen, da? er noch
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