erst mit sinkender Nacht erreichte ich die Stadt.
--Seitdem waren fast fünf Jahre dahingegangen.--Wie würd ich heute alles wiederfinden?
Und schon war ich am Thorhaus und sah drunten im Hof die alten Linden, hinter deren lichtgrünem Laub die beiden Zackengiebel des Herrenhauses itzt verborgen lagen. Als ich aber durch den Thorweg gehen wollte, jagten vom Hofe her zwei fahlgraue Bullenbei?er mit Stachelhalsb?ndern gar wild gegen mich heran; sie erhuben ein erschreckliches Geheul, der eine sprang auf mich und fletschete seine wei?en Z?hne dicht vor meinem Antlitz. Solch einen Willkommen hatte ich noch niemalen hier empfangen. Da, zu meinem Glück, rief aus den Kammern ober dem Thore eine rauhe, aber mir gar traute Stimme. "Hallo!" rief sie; "Tartar, Türk!" Die Hunde lie?en von mir ab, ich h?rte es die Stiege herabkommen, und aus der Thür, so unter dem Thorgang war, trat der alte Dieterich.
Als ich ihn anschaute, sahe ich wohl, da? ich lang in der Fremde gewesen sei; denn sein Haar war schlohwei? geworden, und seine sonst so lustigen Augen blickten gar matt und betrübsam auf mich hin. "Herr Johannes!" sagte er endlich und reichte mir seine beiden H?nde.
"Grü? Ihn Gott, Dieterich!" entgegnete ich. "Aber seit wann haltet Ihr solche Bluthunde auf dem Hof, die die G?ste anfallen gleich den W?lfen?"
"Ja, Herr Johannes", sagte der Alte, "die hat der Junker hergebracht."
"Ist denn der daheim?" Der Alte nickte.
"Nun", sagte ich, "die Hunde m?gen schon vonn?then sein; vom Krieg her ist noch viel verlaufen Volk zurückgeblieben."
"Ach, Herr Johannes!" Und der alte Mann stund immer noch, als wolle er mich nicht zum Hof hinauf lassen. "Ihr seid in schlimmer Zeit gekommen!"
Ich sah ihn an, sagte aber nur: "Freilich, Dieterich; aus mancher Fensterh?hlung schaut statt des Bauern itzt der Wolf heraus; hab dergleichen auch gesehen; aber es ist ja Frieden worden, und der gute Herr im Schlo? wird helfen, seine Hand ist offen."
Mit diesen Worten wollte ich, obschon die Hunde mich wieder anknurreten, auf den Hof hinausgehen; aber der Greis trat mir in den Weg. "Herr Johannes", rief er, "ehe Ihr weiter gehet, h?ret mich an! Euer Brieflein ist zwar richtig mit der K?niglichen Post von Hamburg kommen; aber den rechten Leser hat es nicht mehr finden k?nnen."
"Dieterich!" schrie ich. "Dieterich!"
"--Ja, ja, Herr Johannes! Hier ist die gute Zeit vorbei; denn unser theurer Herr Gerhardus liegt aufgebahret dort in der Kapellen, und die Gueridons brennen an seinem Sarge. Es wird nun anders werden auf dem Hofe; aber--ich bin ein h?riger Mann, mir ziemet Schweigen."
Ich wollte fragen: "Ist das Fr?ulein, ist Katharina noch im Hause!" Aber das Wort wollte nicht über meine Zunge.
Drüben, in einem hinteren Seitenbau des Herrenhauses, war eine kleine Kapelle, die aber, wie ich wu?te, seit lange nicht benutzt war. Dort also sollte ich Herrn Gerhardus suchen.
Ich fragte den alten Hofmann: "Ist die Kapelle offen?", und als er es bejahete, bat ich ihn, die Hunde anzuhalten; dann ging ich über den Hof, wo niemand mir begegnete; nur einer Grasmücke Singen kam oben aus den Lindenwipfeln.
Die Thür zur Kapellen war nur angelehnt, und leis und gar beklommen trat ich ein. Da stand der offene Sarg, und die rothe Flamme der Kerzen warf ihr flackernd Licht auf das edle Antlitz des geliebten Herrn; die Fremdheit des Todes, so darauf lag, sagte mir, da? er itzt eines andern Lands Genosse sei. Indem ich aber neben dem Leichnam zum Gebete hinknien wollte, erhub sich über den Rand des Sarges mir gegenüber ein junges blasses Antlitz, das aus schwarzen Schleiern fast erschrocken auf mich schaute.
Aber nur, wie ein Hauch verweht, so blickten die braunen Augen herzlich zu mir auf, und es war fast wie ein Freudenruf. "O Johannes, seid Ihr's denn? Ach, Ihr seid zu sp?t gekommen!" Und über dem Sarge hatten unsere H?nde sich zum Gru? gefa?t; denn es war Katharina, und sie war so sch?n geworden, da? hier im Angesicht des Todes ein hei?er Puls des Lebens mich durchfuhr. Zwar, das spielende Licht der Augen lag itzt zurückgeschrecket in der Tiefe; aber aus dem schwarzen H?ubchen dr?ngten sich die braunen L?cklein, und der schwellende Mund war um so r?ther in dem blassen Antlitz.
Und fast verwirret auf den Todten schauend, sprach ich: "Wohl kam ich in der Hoffnung, an seinem lebenden Bilde ihm mit meiner Kunst zu danken, ihm manche Stunde genüber zu sitzen und sein mild und lehrreich Wort zu h?ren. La?t mich denn nun die bald vergehenden Züge festzuhalten suchen."
Und als sie unter Thr?nen, die über ihre Wangen str?mten, stumm zu mir hinübernickte, setzte ich mich in ein Gestühlte und begann auf einem von den Bl?ttchen, die ich bei mir führte, des Todten Antlitz nachzubilden. Aber meine Hand zitterte; ich wei? nicht, ob alleine vor der Majest?t des Todes.
W?hrend dem vernahm ich drau?en vom Hofe her eine Stimme, die ich für die des Junker Wulf erkannte; gleich danach schrie ein Hund wie nach einem Fu?tritt oder Peitschenhiebe;
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