Aquis Submersus | Page 6

Theodor W. Storm
bei seiner sch?nen Nachbarin zu Hofe ging; auch da? insonders dem alten Fr?ulein solches zu gefallen schien. Das war ein "Herr Baron" auf alle Frag' und Antwort; dabei lachte sie h?chst obligeant mit einer widrig feinen Stimme und hob die Nase unm??ig in die Luft; mich aber, wenn ich ja ein Wort dazwischen gab, nannte sie stetig "Er" oder kurzweg auch "Johannes", worauf der Junker dann seine runden Augen einkniff und im Gegentheile that, als s?he er auf mich herab, obschon ich ihn um halben Kopfes L?nge überragte.
Ich blickte auf Katharinen; die aber kümmerte sich nicht um mich, sondern ging sittig neben dem Junker, ihm manierlich Red und Antwort gebend; den kleinen rothen Mund aber verzog mitunter ein sp?ttisch stolzes L?cheln, so da? ich dachte: 'Getr?ste dich, Johannes; der Herrensohn schnellt itzo deine Waage in die Luft!' Trotzig blieb ich zurück und lie? die andern dreie vor mir gehen. Als aber diese in das Haus getreten waren und ich davor noch an Herrn Gerhardus' Blumenbeeten stand, darüber brütend, wie ich, gleich wie vormals, mit dem von der Risch ein tüchtig Haarraufen beginnen m?chte, kam pl?tzlich Katharina wieder zurückgelaufen, ri? neben mir eine Aster von den Beeten und flüsterte mir zu: "Johannes, wei?t du was? Der Buhz sieht einem jungen Adler gleich; Bas' Ursel hat's gesagt!" Und fort war sie wieder, eh ich mich's versah. Mir aber war auf einmal all Trotz und Zorn wie weggeblasen. Was kümmerte mich itzund der Herr Baron! Ich lachte hell und fr?hlich in den güldnen Tag hinaus; denn bei den übermüthigen Worten war wieder jenes sü?e Augenspiel gewesen. Aber diesmal hatte es mir gerad ins Herz geleuchtet.
Bald danach lie? mich Herr Gerhardus auf sein Zimmer rufen; er zeigte mir auf einer Karte noch einmal, wie ich die weite Reise nach Amsterdam zu machen habe, übergab mir Briefe an seine Freunde dort und sprach dann lange mit mir, als meines lieben seligen Vaters Freund. Denn noch selbigen Abends hatte ich zur Stadt zu gehen, von wo ein Bürger mich auf seinem Wagen mit nach Hamburg nehmen wollte.
Als nun der Tag hinabging, nahm ich Abschied. Unten im Zimmer sa? Katharina an einem Stickrahmen; ich mu?te der Griechischen Helena gedenken, wie ich sie jüngst in einem Kupferwerk gesehen; so sch?n erschien mir der junge Nacken, den das M?dchen eben über ihre Arbeit neigte. Aber sie war nicht allein; ihr gegenüber sa? Bas' Ursel und las laut aus einem franz?sischen Geschichtenbuche. Da ich n?her trat, hob sie die Nase nach mir zu. "Nun, Johannes", sagte sie, "Er will mir wohl Ade sagen? So kann Er auch dem Fr?ulein gleich Seine Reverenze machen!"--Da war schon Katharina von ihrer Arbeit aufgestanden; aber indem sie mir die Hand reichte, traten die Junker Wulf und Kurt mit gro?em Ger?usch ins Zimmer; und sie sagte nur: "Leb wohl, Johannes!" Und so ging ich fort.
Im Thorhaus drückte ich dem alten Dieterich die Hand, der Stab und Ranzen schon für mich bereit hielt; dann wanderte ich zwischen den Eichb?umen auf die Waldstra?e zu. Aber mir war dabei, als k?nne ich nicht recht fort, als h?tt ich einen Abschied noch zu Gute, und stand oft still und schaute hinter mich. Ich war auch nicht den Richtweg durch die Tannen, sondern, wie von selber, den viel weiteren auf der gro?en Fahrstra?e hingewandert. Aber schon kam vor mir das Abendroth überm Wald herauf, und ich mu?te eilen, wenn mich die Nacht nicht überfallen sollte. "Ade, Katharina, ade!" sagte ich leise und setzte rüstig meinen Wanderstab in Gang.
Da, an der Stelle, wo der Fu?steig in die Stra?e mündet--in stürmender Freude stund das Herz mir still--, pl?tzlich aus dem Tannendunkel war sie selber da; mit glühenden Wangen kam sie hergelaufen, sie sprang über den trocknen Weggraben, da? die Fluth des seidenbraunen Haars dem güldnen Netz entstürzete; und so fing ich sie in meinen Armen auf. Mit gl?nzenden Augen, noch mit dem Odem ringend, schaute sie mich an. "Ich--ich bin ihnen fortgelaufen!" stammelte sie endlich; und dann, ein P?ckchen in meine Hand drückend, fügte sie leis hinzu: "Von mir, Johannes! Und du sollst es nicht verachten!" Auf einmal aber wurde ihr Gesichtchen trübe; der kleine schwellende Mund wollte noch was reden, aber da brach ein Thr?nenquell aus ihren Augen, und wehmüthig ihr K?pfchen schüttelnd, ri? sie sich hastig los. Ich sah ihr Kleid im finstern Tannensteig verschwinden; dann in der Ferne h?rte ich noch die Zweige rauschen, und dann stand ich allein. Es war so still, die Bl?tter konnte man fallen h?ren. Als ich das P?ckchen aus einander faltete, da war's ihr güldner Pathenpfennig, so sie mir oft gezeigt hatte; ein Zettlein lag dabei, das las ich nun beim Schein des Abendrothes. "Damit du nicht in Noth gerathest", stund darauf geschrieben.--Da streckt ich meine Arme in die leere Luft: "Ade, Katharina ade, ade!"--wohl hundertmal rief ich es in den stillen Wald hinein;--und
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