Aquis Submersus | Page 8

Theodor W. Storm
und dann ein Lachen und einen Fluch von einer andern Stimme, die mir gleicherweise bekannt deuchte.
Als ich auf Katharinen blickte, sah ich sie mit schier entsetzten Augen nach dem Fenster starren; aber die Stimmen und die Schritte gingen vorüber. Da erhub sie sich, kam an meine Seite und sahe zu, wie des Vaters Antlitz unter meinem Stift entstund. Nicht lange, so kam drau?en ein einzelner Schritt zurück; in demselben Augenblick legte Katharina die Hand auf meine Schulter, und ich fühlte, wie ihr junger K?rper bebte.
Sogleich auch wurde die Kapellenthür aufgerissen; und ich erkannte den Junker Wulf, obschon sein sonsten bleiches Angesicht itzt roth und aufgedunsen schien.
"Was huckst du allfort an dem Sarge!" rief er zu der Schwester. "Der Junker von der Risch ist da gewesen, uns seine Condolenze zu bezeigen; du h?ttest ihm wohl den Trunk kredenzen m?gen!"
Zugleich hatte er meiner wahrgenommen und bohrete mich mit seinen kleinen Augen an. "Wulf", sagte Katharina, indem sie mit mir zu ihm trat; "es ist Johannes, Wulf"
Der Junker fand nicht vonn?then, mir die Hand zu reichen; er musterte nur mein violenfarben Wams und meinte: "Du tr?gst da einen bunten Federbalg; man wird dich 'Sieur' nun tituliren müssen!"
"Nennt mich, wie's Euch gef?llt!" sagte ich, indem wir auf den Hof hinaustreten. "Obschon mir dorten, von wo ich komme, das 'Herr' vor meinem Namen nicht gefehlet--Ihr wi?t wohl, Eueres Vaters Sohn hat gro?es Recht an mir."
Er sah mich was verwundert an, sagte dann aber nur: "Nun wohl, so magst du zeigen, was du für meines Vaters Gold erlernet hast; und soll dazu der Lohn für deine Arbeit dir nicht verhalten sein."
Ich meinete, was den Lohn anginge, den h?tte ich l?ngst vorausbekommen; da aber der Junker entgegnete, er werd es halten, wie sich's für einen Edelmann gezieme, so fragte ich, was für Arbeit er mir aufzutragen h?tte.
"Du wei?t doch", sagte er und hielt dann inne, indem er scharf auf seine Schwester blickte--"wenn eine adelige Tochter das Haus verl??t, so mu? ihr Bild darin zurückbleiben."
Ich fühlte, da? bei diesen Worten Katharina, die an meiner Seite ging, gleich einer Taumelnden nach meinem Mantel haschte; aber ich entgegnete ruhig: "Der Brauch ist mir bekannt; doch, wie meinet Ihr denn, Junker Wulf?"
"Ich meine", sagte er hart, als ob er einen Gegenspruch erwarte, "da? du das Bildni? der Tochter dieses Hauses malen sollst!"
Mich durchfuhr's fast wie ein Schrecken; wei? nicht, ob mehr über den Ton oder die Deutung dieser Worte; dachte auch, zu solchem Beginnen sei itzt kaum die rechte Zeit.
Da Katharina schwieg, aus ihren Augen aber ein flehentlicher Blick mir zuflog, so antwortete ich: "Wenn Eure edle Schwester es mir verg?nnen will, so hoffe ich Eueres Vaters Protection und meines Meisters Lehre keine Schande anzuthun. R?umet mir nur wieder mein K?mmerlein ober dem Thorweg bei dem alten Dieterich, so soll geschehen, was Ihr wünschet."
Der Junker war das zufrieden und sagte auch seiner Schwester, sie m?ge einen Imbi? für mich richten lassen.
Ich wollte über den Beginn meiner Arbeit noch eine Frage thun; aber ich verstummte wieder, denn über den empfangenen Auftrag war pl?tzlich eine Entzückung in mir aufgestiegen, da? ich fürchtete, sie k?nne mit jedem Wort hervorbrechen. So war ich auch der zwo grimmen K?ter nicht gewahr worden, die dort am Brunnen sich auf den hei?en Steinen sonnten. Da wir aber n?her kamen, sprangen sie auf und fuhren mit offenem Rachen gegen mich, da? Katharina einen Schrei that, der Junker aber einen schrillen Pfiff, worauf sie heulend ihm zu Fü?en krochen. "Beim H?llenelemente", rief er lachend, "zwo tolle Kerle; gilt ihnen gleich, ein Sauschwanz oder Flandrisch Tuch!"
"Nun, Junker Wulf"--ich konnte der Rede mich nicht wohl enthalten--, "soll ich noch einmal Gast in Eueres Vaters Hause sein, so m?get Ihr Euere Thiere bessere Sitte lehren!"
Er blitzte mich mit seinen kleinen Augen an und ri? sich ein paar Mal in seinen Zwickelbart. "Das ist nur so ihr Willkommensgru?, Sieur Johannes!" sagte er dann, indem er sich bückte, um die Bestien zu streicheln. "Damit jedweder wisse, da? ein ander Regiment allhier begonnen; denn--wer mir in die Quere kommt, den hetz ich in des Teufels Rachen!"
Bei den letzten Worten, die er heftig ausgesto?en, hatte er sich hoch aufgerichtet; dann pfiff er seinen Hunden und schritt über den Hof dem Thore zu.
Ein Weilchen schaute ich hintendrein; dann folgte ich Katharinen, die unter dem Lindenschatten stumm und gesenkten Hauptes die Freitreppe zu dem Herrenhaus emporstieg; ebenso schweigend gingen wir mitsammen die breiten Stufen in das Oberhaus hinauf, allwo wir in des seligen Herrn Gerhardus Zimmer traten.--Hier war noch alles, wie ich es vordem gesehen; die goldgeblümten Ledertapeten, die Karten an der Wand, die saubern Pergamentb?nde auf den Regalen, über dem Arbeitstische der sch?ne Waldgrund von dem ?lteren Ruisdael--und dann davor der leere Sessel. Meine Blicke blieben daran haften; gleichwie drunten in der Kapellen der Leib des Entschlafenen, so schien auch dies Gemach mir itzt entseelet und, obschon vom
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