Also Sprach Zarathustra | Page 8

Friedrich Wilhelm Nietzsche
der Unvers?hnte.
Zehn Wahrheiten musst du des Tages finden: sonst suchst du noch des Nachts nach Wahrheit, und deine Seele blieb hungrig.
Zehn Mal musst du lachen am Tage und heiter sein: sonst st?rt dich der Magen in der Nacht, dieser Vater der Tr��bsal.
Wenige wissen das: aber man muss alle Tugenden haben, um gut zu schlafen. Werde ich falsch Zeugniss reden? Werde ich ehebrechen?
Werde ich mich gel��sten lassen meines N?chsten Magd? Das Alles vertr��ge sich schlecht mit gutem Schlafe.
Und selbst wenn man alle Tugenden hat, muss man sich noch auf Eins verstehn: selber die Tugenden zur rechten Zeit schlafen schicken.
Dass sie sich nicht mit einander zanken, die artigen Weiblein! Und ��ber dich, du Ungl��ckseliger!
Friede mit Gott und dem Nachbar: so will es der gute Schlaf. Und Friede auch noch mit des Nachbars Teufel! Sonst geht er bei dir des Nachts um.
Ehre der Obrigkeit und Gehorsam, und auch der krummen Obrigkeit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich daf��r, dass die Macht gerne auf krummen Beinen Wandelt?
Der soll mir immer der beste Hirt heissen, der sein Schaf auf die gr��nste Aue f��hrt: so vertr?gt es sich mit dem gutem Schlafe.
Viel Ehren will ich nicht, noch grosse Sch?tze: das entz��ndet die Milz. Aber schlecht schl?ft es sich ohne einen guten Namen und einen kleinen Schatz.
Eine kleine Gesellschaft ist mir willkommener als eine b?se: doch muss sie gehn und kommen zur rechten Zeit. So vertr?gt es sich mit gutem Schlafe.
Sehr gefallen mir auch die Geistig-Armen: sie f?rdern den Schlaf. Selig sind die, sonderlich, wenn man ihnen immer Recht giebt.
Also l?uft der Tag dem Tugendsamen. Kommt nun die Nacht, so h��te ich mich wohl, den Schlaf zu rufen! Nicht will er gerufen sein, der Schlaf, der der Herr der Tugenden ist!
Sondern ich denke, was ich des Tages gethan und gedacht. Wiederk?uend frage ich mich, geduldsam gleich einer Kuh: welches waren doch deine zehn ��berwindungen?
Und welches waren die zehn Vers?hnungen und die zehn Wahrheiten und die zehn Gel?chter, mit denen sich mein Herz g��tlich that?
Solcherlei erw?gend und gewiegt von vierzig Gedanken, ��berf?llt mich auf einmal der Schlaf, der Ungerufne, der Herr der Tugenden.
Der Schlaf klopft mir auf meine Auge: da wird es schwer. Der Schlaf ber��hrt mir den Mund: da bleibt er offen.
Wahrlich, auf weichen Sohlen kommt er mir, der liebste der Diebe, und stiehlt mir meine Gedanken: dumm stehe ich da wie dieser Lehrstuhl.
Aber nicht lange mehr stehe ich dann: da liege ich schon. -
Als Zarathustra den Weisen also sprechen h?rte, lachte er bei sich im Herzen: denn ihm war dabei ein Licht aufgegangen. Und also sprach er zu seinem Herzen:
Ein Narr ist mir dieser Weise da mit seinen vierzig Gedanken: aber ich glaube, dass er sich wohl auf das Schlafen versteht.
Gl��cklich schon, wer in der N?he dieses Weisen wohnt! Solch ein Schlaf steckt an, noch durch eine dicke Wand hindurch steckt er an.
Ein Zauber wohnt selbst in seinem Lehrstuhle. Und nicht vergebens sassen die J��nglinge vor dem Prediger der Tugend.
Seine Weisheit heisst: wachen, um gut zu schlafen. Und wahrlich, h?tte das Leben keinen Sinn und m��sste ich Unsinn w?hlen, so w?re auch mir diess der w?hlensw��rdigste Unsinn.
Jetzo verstehe ich klar, was einst man vor Allem suchte, wenn man Lehrer der Tugend suchte. Guten Schlaf suchte man sich und mohnblumige Tugenden dazu!
Allen diesen gelobten Weisen der Lehrst��hle war Weisheit der Schlaf ohne Tr?ume: sie kannten keinen bessern Sinn des Lebens.
Auch noch heute wohl giebt es Einige, wie diesen Prediger der Tugend, und nicht immer so Ehrliche: aber ihre Zeit ist um. Und nicht mehr lange stehen sie noch: da liegen sie schon.
Selig sind diese Schl?frigen: denn sie sollen bald einnicken. -
Also sprach Zarathustra.

Von den Hinterweltlern
Einst warf auch Zarathustra seinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Eines leidenden und zerqu?lten Gottes Werk schien mir da die Welt.
Traum schien mir da die Welt und Dichtung eines Gottes; farbiger Rauch vor den Augen eines g?ttlich Unzufriednen.
Gut und b?se und Lust und Leid und Ich und Du - farbiger Rauch d��nkte mich's vor sch?pferischen Augen. Wegsehn wollte der Sch?pfer von sich, - da schuf er die Welt.
Trunkne Lust ist's dem Leidenden, wegzusehn von seinem Leiden und sich zu verlieren. Trunkne Lust Und Selbst-sich-Verlieren d��nkte mich einst die Welt.
Diese Welt, die ewig unvollkommene, eines ewigen Widerspruches Abbild und unvollkommnes Abbild - eine trunkne Lust ihrem unvollkommnen Sch?pfer: - also d��nkte mich einst die Welt.
Also warf auch ich einst meinen Wahn jenseits des Menschen, gleich allen Hinterweltlern. Jenseits des Menschen in Wahrheit?
Ach, ihr Br��der, dieser Gott, den ich schuf, war Menschen-Werk und -Wahnsinn, gleich allen G?ttern!
Mensch war er, und nur ein armes St��ck Mensch und Ich: aus der eigenen Asche und Gluth kam es mir, dieses Gespenst, und wahrlich! Nicht kam es mir von Jenseits!
Was geschah, meine Br��der? Ich ��berwand mich, den Leidenden, ich trug meine eigne Asche zu Berge, eine hellere Flamme erfand ich mir. Und siehe! Da
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