Also Sprach Zarathustra | Page 9

Friedrich Wilhelm Nietzsche
wich das Gespenst von mir!
Leiden w?re es mir jetzt und Qual dem Genesenen, solche Gespenster zu glauben: Leiden w?re es mir jetzt und Erniedrigung. Also rede ich zu den Hinterweltlern.
Leiden war's und Unverm?gen - das schuf alle Hinterwelten; und jener kurze Wahnsinn des Gl��cks, den nur der Leidendste erf?hrt.
M��digkeit, die mit Einem Sprunge zum Letzten will, mit einem Todessprunge, eine arme unwissende M��digkeit, die nicht einmal mehr wollen will: die schuf alle G?tter und Hinterwelten.
Glaubt es mir, meine Br��der! Der Leib war's, der am Leibe verzweifelte, - der tastete mit den Fingern des beth?rten Geistes an die letzten W?nde.
Glaubt es mir, meine Br��der! Der Leib war's, der an der Erde verzweifelte, - der h?rte den Bauch des Seins zu sich reden.
Und da wollte er mit dem Kopfe durch die letzten W?nde, und nicht nur mit dem Kopfe, - hin��ber zu "jener Welt".
Aber "jene Welt" ist gut verborgen vor dem Menschen, jene entmenschte unmenschliche Welt, die ein himmlisches Nichts ist; und der Bauch des Seins redet gar nicht zum Menschen, es sei denn als Mensch.
Wahrlich, schwer zu beweisen ist alles Sein und schwer zum Reden zu bringen. Sagt mir, ihr Br��der, ist nicht das Wunderlichste aller Dinge noch am besten bewiesen?
Ja, diess Ich und des Ich's Widerspruch und Wirrsal redet noch am redlichsten von seinem Sein, dieses schaffende, wollende, werthende Ich, welches das Maass und der Werth der Dinge ist.
Und diess redlichste Sein, das Ich - das redet vom Leibe, und es will noch den Leib, selbst wenn es dichtet und schw?rmt und mit zerbrochnen Fl��geln flattert.
Immer redlicher lernt es reden, das Ich: und je mehr es lernt, um so mehr findet es Worte und Ehren f��r Leib und Erde.
Einen neuen Stolz lehrte mich mein Ich, den lehre ich die Menschen: - nicht mehr den Kopf in den Sand der himmlischen Dinge zu stecken, sondern frei ihn zu tragen, einen Erden-Kopf, der der Erde Sinn schafft!
Einen neuen Willen lehre ich die Menschen: diesen Weg wollen, den blindlings der Mensch gegangen, und gut ihn heissen und nicht mehr von ihm bei Seite schleichen, gleich den Kranken und Absterbenden!
Kranke und Absterbende waren es, die verachteten Leib und Erde und erfanden das Himmlische und die erl?senden Blutstropfen: aber auch noch diese s��ssen und d��stern Gifte nahmen sie von Leib und Erde!
Ihrem Elende wollten sie entlaufen, und die Sterne waren ihnen zu weit. Da seufzten sie: "Oh dass es doch himmlische Wege g?be, sich in ein andres Sein und Gl��ck zu schleichen!" - da erfanden sie sich ihre Schliche und blutigen Tr?nklein!
Ihrem Leibe und dieser Erde nun entr��ckt w?hnten sie sich, diese Undankbaren. Doch wem dankten sie ihrer Entr��ckung Krampf und Wonne? Ihrem Leibe und dieser Erde.
Milde ist Zarathustra den Kranken. Wahrlich, er z��rnt nicht ihren Arten des Trostes und Undanks. M?gen sie Genesende werden und ��berwindende und einen h?heren Leib sich schaffen!
Nicht auch z��rnt Zarathustra dem Genesenden, wenn er z?rtlich nach seinem Wahne blickt und Mitternachts um das Grab seines Gottes schleicht: aber Krankheit und kranker Leib bleiben mir auch seine Thr?nen noch.
Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, welche dichten und gotts��chtig sind; w��thend hassen sie den Erkennenden und jene j��ngste der Tugenden, welche heisst: Redlichkeit.
R��ckw?rts blicken sie immer nach dunklen Zeiten: da freilich war Wahn und Glaube ein ander Ding; Raserei der Vernunft war Gott?hnlichkeit, und Zweifel S��nde.
Allzugut kenne ich diese Gott?hnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel S��nde sei. Allzugut weiss ich auch, woran sie selber am besten glauben.
Wahrlich nicht an Hinterwelten und erl?sende Blutstropfen: sondern an den Leib glauben auch sie am besten, und ihr eigener Leib ist ihnen ihr Ding an sich.
Aber ein krankhaftes Ding ist er ihnen: und gerne m?chten sie aus der Haut fahren. Darum horchen sie nach den Predigern des Todes und predigen selber Hinterwelten.
H?rt mir lieber, meine Br��der, auf die Stimme des gesunden Leibes: eine redlichere und reinere Simme ist diess.
Redlicher redet und reiner der gesunde Leib, der vollkommne und rechtwinklige: und er redet vom Sinn der Erde.
Also sprach Zarathustra.

Von den Ver?chtern des Leibes
Den Ver?chtern des Leibes will ich mein Wort sagen. Nicht umlernen und umlehren sollen sie mir, sondern nur ihrem eignen Leibe Lebewohl sagen - und also stumm werden.
"Leib bin ich und Seele" - so redet das Kind. Und warum sollte man nicht wie die Kinder reden?
Aber der Erwachte, der Wissende sagt: Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem; und Seele ist nur ein Wort f��r ein Etwas am Leibe.
Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Heerde und ein Hirt.
Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du "Geist" nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner grossen Vernunft.
"Ich" sagst du und bist stolz auf diess Wort. Aber das Gr?ssere ist, woran du nicht glauben willst, - dein Leib und seine grosse Vernunft: die sagt
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