Also Sprach Zarathustra | Page 7

Friedrich Wilhelm Nietzsche
M?chte ich klug von Grund aus sein, gleich meiner Schlange!
Aber Unm?gliches bitte ich da: so bitte ich denn meinen Stolz, dass er immer mit meiner Klugheit gehe!
Und wenn mich einst meine Klugheit verl?sst: - ach, sie liebt es, davonzufliegen! - m?ge mein Stolz dann noch mit meiner Thorheit fliegen!
- Also begann Zarathustra's Untergang.

Die Reden Zarathustra's
Von den drei Verwandlungen
Drie Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kameele wird, und zum L?wen das Kameel, und zum Kinde zuletzt der L?we.
Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine St?rke.
Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kameele gleich, und will gut beladen sein.
Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner St?rke froh werde.
Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmuth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten?
Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen?
Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der Erkenntniss n?hren und um der Wahrheit willen an der Seele Hunger leiden?
Oder ist es das: krank sein und die Tr?ster heimschicken und mit Tauben Freundschaft schliessen, die niemals h?ren, was du willst?
Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen, wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Fr?sche und heisse Kr?ten nicht von sich weisen?
Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns f��rchten machen will?
Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kameele gleich, das beladen in die W��ste eilt, also eilt er in seine W��ste.
Aber in der einsamsten W��ste geschieht die zweite Verwandlung: zum L?wen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eignen W��ste.
Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will er mit dem grossen Drachen ringen.
Welches ist der grosse Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heissen mag? "Du-sollst" heisst der grosse Drache. Aber der Geist des L?wen sagt "Ich will".
"Du-sollst" liegt ihm am Wege, goldfunkelnd, ein Schuppenthier, und auf jeder Schuppe gl?nzt golden "Du-sollst!"
Tausendj?hrige Werthe gl?nzen an diesen Schuppen, und also spricht der m?chtigste aller Drachen "aller Werth der Dinge - der gl?nzt an mir."
"Aller Werth ward schon geschaffen, und aller geschaffene Werth - das bin ich. Wahrlich, es soll kein `Ich will` mehr geben!" Also spricht der Drache.
Meine Br��der, wozu bedarf es des L?wen im Geiste? Was gen��gt nicht das lastbare Thier, das entsagt und ehrf��rchtig ist?
Neue Werthe schaffen - das vermag auch der L?we noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu neuem Schaffen - das vermag die Macht des L?wen.
Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Br��der bedarf es des L?wen.
Recht sich nehmen zu neuen Werthen - das ist das furchtbarste Nehmen f��r einen tragsamen und ehrf��rchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm und eines raubenden Thieres Sache.
Als sein Heiligstes liebte er einst das "Du-sollst": nun muss er Wahn und Willk��r auch noch im Heiligsten finden, dass er sich Freiheit raube von seiner Liebe: des L?wen bedarf es zu diesem Raube.
Aber sagt, meine Br��der, was vermag noch das Kind, das auch der L?we nicht vermochte? Was muss der raubende L?we auch noch zum Kinde werden?
Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.
Ja, zum Spiele des Schaffens, meine Br��der, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich der Weltverlorene.
Drei Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kameele ward, und zum L?wen das Kameel, und der L?we zuletzt zum Kinde. --
Also sprach Zarathustra. Und damals weilte er in der Stadt, welche genannt wird: die bunte Kuh.

Von den Lehrst��hlen der Tugend
Man r��hmte Zarathustra einen Weisen, der gut vom Schlafe und von der Tugend zu reden wisse: sehr werde er geehrt und gelohnt daf��r, und alle J��nglinge s?ssen vor seinem Lehrstuhle. Zu ihm gieng Zarathustra, und mit allen J��nglingen sass er vor seinem Lehrstuhle. Und also sprach der Weise:
Ehre und Scham vor dem Schlafe! Das ist das Erste! Und Allen aus dem Wege gehn, die schlecht schlafen und Nachts wachen!
Schamhaft ist noch der Dieb vor dem Schlafe: stets stiehlt er sich leise durch die Nacht. Schamlos aber ist der W?chter der Nacht, schamlos tr?gt er sein Horn.
Keine geringe Kunst ist schlafen: es thut schon Noth, den ganzen Tag darauf hin zu wachen.
Zehn Mal musst du des Tages dich selber ��berwinden: das macht eine gute M��digkeit und ist Mohn der Seele.
Zehn Mal musst du dich wieder dir selber vers?hnen; denn ��berwindung ist Bitterniss, und schlecht schl?ft
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