Also Sprach Zarathustra | Page 5

Friedrich Wilhelm Nietzsche
Dieser aber, als er so seinen Nebenbuhler siegen sah, verlor dabei den Kopf und das Seil; er warf seine Stange weg und schoss schneller als diese, wie ein Wirbel von Armen und Beinen, in die Tiefe. Der Markt und das Volk glich dem Meere, wenn der Sturm hineinf?hrt: Alles floh aus einander und ��bereinander, und am meisten dort, wo der K?rper niederschlagen musste.
Zarathustra aber blieb stehen, und gerade neben ihn fiel der K?rper hin, ��bel zugerichtet und zerbrochen, aber noch nicht todt. Nach einer Weile kam dem Zerschmetterten das Bewusstsein zur��ck, und er sah Zarathustra neben sich knieen. "Was machst du da? sagte er endlich, ich wusste es lange, dass mir der Teufel ein Bein stellen werde. Nun schleppt er mich zur H?lle: willst du's ihm wehren?"
"Bei meiner Ehre, Freund, antwortete Zarathustra, das giebt es Alles nicht, wovon du sprichst: es giebt keinen Teufel und keine H?lle. Deine Seele wird noch schneller todt sein als dein Leib: f��rchte nun Nichts mehr!"
Der Mann blickte misstrauisch auf. "Wenn du die Wahrheit sprichst, sagte er dann, so verliere ich Nichts, wenn ich das Leben verliere. Ich bin nicht viel mehr als ein Thier, das man tanzen gelehrt hat, durch Schl?ge und schmale Bissen."
"Nicht doch, sprach Zarathustra; du hast aus der Gefahr deinen Beruf gemacht, daran ist Nichts zu verachten. Nun gehst du an deinem Beruf zu Grunde: daf��r will ich dich mit meinen H?nden begraben."
Als Zarathustra diess gesagt hatte, antwortete der Sterbende nicht mehr; aber er bewegte die Hand, wie als ob er die Hand Zarathustra's zum Danke suche. -
7.
Inzwischen kam der Abend, und der Markt barg sich in Dunkelheit: da verlief sich das Volk, denn selbst Neugierde und Schrekken werde m��de. Zarathustra aber sass neben dem Todten auf der Erde und war in Gedanken versunken: so vergass er die Zeit. Endlich aber wurde es Nacht, und ein kalter Wind blies ��ber den Einsamen. Da erhob sich Zarathustra und sagte zu seinem Herzen:
Wahrlich, einen sch?nen Fischfang that heute Zarathustra! Keinen Menschen fieng er, wohl aber einen Leichnam.
Unheimlich ist das menschliche Dasein und immer noch ohne Sinn: ein Possenreisser kann ihm zum Verh?ngniss werden.
Ich will die Menschen den Sinn ihres Seins lehren: welcher ist der ��bermensch, der Blitz aus der dunklen Wolke Mensch.
Aber noch bin ich ihnen ferne, und mein Sinn redet nicht zu ihren Sinnen. Eine Mitte bin ich noch den Menschen zwischen einem Narren und einem Leichnam.
Dunkel ist die Nacht, dunkel sind die Wege Zarathustra's. Komm, du kalter und steifer Gef?hrte! Ich trage dich dorthin, wo ich dich mit meinen H?nden begrabe.
8.
Als Zarathustra diess zu seinem Herzen gesagt hatte, lud er den Leichnam auf seinem R��cken und machte sich auf den Weg. Und noch nicht war er hundert Schritte gegangen, da schlich ein Mensch an ihn heran und fl��sterte ihm in's Ohr - und siehe! Der, welcher redete, war der Possenreisser vom Thurme. "Geh weg von dieser Stadt, oh Zarathustra, sprach er; es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind und Ver?chter; es hassen dich die Gl?ubigen des rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr der Menge. Dein Gl��ck war es, dass man ��ber dich lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possenreisser. Dein Gl��ck war es, dass du dich dem todten Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast du dich selber f��r heute errettet. Geh aber fort aus dieser Stadt - oder morgen springe ich ��ber dich hinweg, ein Lebendiger ��ber einen Todten." Und als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch; Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen Gassen.
Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todtengr?ber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht, erkannten Zarathustra und spotteten sehr ��ber ihn. "Zarathustra tr?gt den todten Hund davon: brav, dass Zarathustra zum Todtengr?ber wurde! Denn unsere H?nde sind zu reinlich f��r diesen Braten. Will Zarathustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun wohlan! Und gut Gl��ck zur Mahlzeit! Wenn nur nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathustra! - er stiehlt die Beide, er frisst sie Beide!" Und sie lachten mit einander und steckten die K?pfe zusammen.
Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an W?ldern und S��mpfen vorbei, da hatte er zu viel das hungrige Geheul der W?lfe geh?rt, und ihm selber kam der Hunger. So blieb er an einem einsamen Hause stehn, in dem ein Licht brannte.
Der Hunger ��berf?llt mich, sagte Zarathustra, wie ein R?uber. In W?ldern und S��mpfen ��berf?llt mich mein Hunger und in tiefer Nacht.
Wunderliche Launen hat mein Hunger. Oft kommt er mir erst nach der Mahlzeit, und heute kam er den ganzen Tag nicht: wo weilte er doch?
Und damit schlug Zarathustra an das Thor des Hauses. Ein alter Mann erschien; er trug das Licht und fragte: "Wer kommt zu mir und zu meinem schlimmen Schlafe?"
"Ein
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