an.
»Langschwänzig! das muß wahr sein!« rief Alice und sah nun erst mit
rechter Verwunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab;
»aber wie so tragisch? was trägst du denn?« Während sie noch darüber
nachsann, fing die langschwänzige Erzählung schon an,
folgendergestalt:
Filax sprach zu der Maus, die er traf in dem Haus: »Geh' mit mir vor
Gericht, daß ich dich verklage. Komm und wehr' dich nicht mehr; ich
muß haben ein Verhör, denn ich habe nichts zu thun schon zwei Tage.«
Sprach die Maus zum Köter: »Solch Verhör, lieber Herr, ohne Richter,
ohne Zeugen thut nicht Noth.« »Ich bin Zeuge, ich bin Richter,« sprach
er schlau und schnitt Gesichter, »das Verhör leite ich und verdamme
dich zum Tod!«
»Du paßt nicht auf!« sagte die Maus strenge zu Alice. »Woran denkst
du?«
»Ich bitte um Verzeihung,« sagte Alice sehr bescheiden: »du warst bis
zur fünften Biegung gekommen, glaube ich?«
»Mit nichten!« sagte die Maus entschieden und sehr ärgerlich.
»Nichten!« rief Alice, die gern neue Bekanntschaften machte, und sah
sich neugierig überall um. »O, wo sind sie, deine Nichten? Laß mich
gehen und sie her holen!«
»Das werde ich schön bleiben lassen,« sagte die Maus, indem sie
aufstand und fortging. »Deinen Unsinn kann ich nicht mehr mit
anhören!«
»Ich meinte es nicht böse!« entschuldigte sich die arme Alice. »Aber
du bist so sehr empfindlich, du!«
Das Mäuslein brummte nur als Antwort.
»Bitte, komm wieder, und erzähle deine Geschichte aus!« rief Alice ihr
nach; und die Andern wiederholten im Chor: »ja bitte!« aber das
Mäuschen schüttelte unwillig mit dem Kopfe und ging schnell fort.
»Wie schade, daß es nicht bleiben wollte!« seufzte der Papagei, sobald
es nicht mehr zu sehen war; und eine alte Unke nahm die Gelegenheit
wahr, zu ihrer Tochter zu sagen, »Ja, mein Kind! laß dir dies eine Lehre
sein, niemals übler Laune zu sein!« »Halt den Mund, Mama!« sagte die
junge Unke, etwas naseweis.
»Wahrhaftig, du würdest die Geduld einer Auster erschöpfen!«
»Ich wünschte, ich hätte unsere Dinah hier, das wünschte ich!« sagte
Alice laut, ohne Jemand insbesondere anzureden. »Sie würde sie bald
zurückholen!«
»Und wer ist Dinah, wenn ich fragen darf?« sagte der Papagei.
Alice antwortete eifrig, denn sie sprach gar zu gern von ihrem Liebling:
»Dinah ist unsere Katze, und sie ist euch so geschickt im Mäusefangen,
ihr könnt's euch gar nicht denken! Und ach, hättet ihr sie nur Vögel
jagen sehen. Ich sage euch, sie frißt einen kleinen Vogel, so wie sie ihn
zu Gesicht bekommt.«
Diese Mittheilung verursachte große Aufregung in der Gesellschaft.
Einige der Vögel machten sich augenblicklich davon; eine alte Elster
fing an, sich sorgfältig einzuwickeln, indem sie bemerkte: »Ich muß
wirklich nach Hause gehen; die Nachtluft ist nicht gut für meinen
Hals!« und ein Canarienvogel piepte zitternd zu seinen Kleinen,
»Kommt fort, Kinder! es ist die höchste Zeit für euch, zu Bett zu
gehen!« Unter verschiedenen Entschuldigungen entfernten sie sich Alle,
und Alice war bald ganz allein.
»Hätte ich nur Dinah nicht erwähnt!« sprach sie bei sich mit betrübtem
Tone. »Niemand scheint sie gern zu haben, hier unten, und dabei ist sie
doch die beste Katze von der Welt! Oh, meine liebe Dinah! ob ich dich
wohl je wieder sehen werde!« dabei fing die arme Alice von Neuem zu
weinen an, denn sie fühlte sich gar zu einsam und muthlos. Nach einem
Weilchen jedoch hörte sie wieder ein Trappeln von Schritten in der
Entfernung und blickte aufmerksam hin, halb in der Hoffnung, daß die
Maus sich besonnen habe und zurückkomme, ihre Geschichte
auszuerzählen.
Viertes Kapitel.
Die Wohnung des Kaninchens.
Es war das weiße Kaninchen, das langsam zurückgewandert kam,
indem es sorgfältig beim Gehen umhersah, als ob es etwas verloren
hätte, und sie hörte wie es für sich murmelte: »die Herzogin! die
Herzogin! Oh, meine weichen Pfoten! o mein Fell und Knebelbart! Sie
wird mich hängen lassen, so gewiß Frettchen Frettchen sind! Wo ich
sie kann haben fallen lassen, begreife ich nicht!« Alice errieth
augenblicklich, daß es den Fächer und die weißen Glaceehandschuhe
meinte, und gutmüthig genug fing sie an, danach umher zu suchen, aber
sie waren nirgends zu sehen -- Alles schien seit ihrem Bade in dem
Pfuhl verwandelt zu sein, und der große Corridor mit dem Glastische
und der kleinen Thür war gänzlich verschwunden.
Das Kaninchen erblickte Alice bald, und wie sie überall suchte, rief es
ihr ärgerlich zu: »Was, Marianne, was hast du hier zu schaffen? Renne
augenblicklich nach Hause, und hole mir ein Paar Handschuhe und
einen Fächer! Schnell, vorwärts!« Alice war so erschrocken, daß sie
schnell in der angedeuteten Richtung fortlief, ohne ihm zu erklären, daß
es sich versehen habe.
»Es hält mich für sein Hausmädchen,« sprach sie bei sich selbst und
lief weiter. »Wie es sich wundern wird, wenn es erfährt, wer ich bin!
Aber ich will ihm lieber seinen Fächer und seine Handschuhe bringen
-- nämlich, wenn
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