Alaeddin und die Wunderlampe | Page 8

Kurt Moreck
dich ja nicht, denn es könnte
dir schaden; iß ganz langsam und nach deiner Bequemlichkeit, und
nimm dich wohl in acht, so heißhungrig du auch bist. Ich wünsche
nicht einmal, daß du mit mir sprechen sollst. Du hast immer noch Zeit,
mir deine Schicksale zu erzählen, wenn du wieder hergestellt bist. Nach
der großen Betrübnis bin ich getröstet, daß ich dich nur wiedersehe.«
Alaeddin folgte dem Rat seiner Mutter, aß langsam und ruhig, und
trank ebenso. Als er fertig war fing er an, seiner Mutter zu erzählen,
was ihm seit Freitag geschehen war, erzählte ausführlich, was er auf
seinem Hin- und Rückwege in den drei großen Sälen, im Garten und
auf der Terrasse gesehen, und wie er dort die Wunderlampe geholt habe.
Zugleich zog er sie aus seinem Busen und zeigte sie seiner Mutter samt
den durchsichtigen und buntfarbigen Früchten. Auch gab er ihr die
zwei vollen Beutel, aus denen sie sich aber wenig machte. Gleichwohl

waren diese Früchte Edelsteine, deren sonnenheller Glanz beim Schein
der Lampe, welche das Zimmer erhellte, auf ihren großen Wert hätte
aufmerksam machen sollen; allein Alaeddins Mutter verstand sich auf
dergleichen Sachen ebensowenig wie ihr Sohn; weshalb Alaeddin sie
hinter eines der Polster des Sofas schob, auf dem er saß.
Alaeddins Mutter hatte die Geduld, diese wunderbare und seltsame,
zugleich aber für eine Mutter, die ihren Sohn trotz seiner Fehler zärtlich
liebte, so schmerzliche Geschichte ohne Unterbrechung anzuhören. Nur
bei den rührendsten Stellen, wo die Schändlichkeit des afrikanischen
Zauberers recht ans Tageslicht kam, konnte sie ihren Abscheu nicht
verbergen. Jetzt aber, da Alaeddin geendet hatte, ließ sie sich in tausend
Schmähworte gegen den Betrüger aus; sie nannte ihn einen Verräter,
einen Schurken, einen Unmenschen, einen Meuchelmörder, Lügner,
Zauberer, einen Feind und Verderber des menschlichen Geschlechts.
»Ja, mein Sohn,« fügte sie hinzu, »er ist ein Zauberer, und die Zauberer
sind eine wahre Pest der Menschheit; sie haben vermöge ihrer
Zaubereien und Hexereien Verkehr mit den bösen Geistern. Gott sei
gelobt, der verhütet hat, daß seine entsetzliche Bosheit ihren Zweck an
dir erreichte. Du bist ihm für die Gnade, die er an dir getan hat, großen
Dank schuldig; dein Tod wäre unvermeidlich gewesen, wenn du dich
nicht seiner erinnert und ihn um Hilfe angefleht hättest.«
Alaeddin schlief die ganze Nacht fest und erwachte am andern Morgen
erst sehr spät. Er stand auf, und das erste, was er zu seiner Mutter sagte,
war, daß er Hunger habe, und sie ihm kein größeres Vergnügen machen
könnte, als wenn sie ihm ein Frühstück gäbe. »Ach, lieber Sohn,«
antwortete sie, »ich habe auch nicht einen einzigen Bissen Brot; du hast
gestern abend den wenigen Vorrat, der noch zu Hause war, aufgegessen.
Aber gedulde dich einen Augenblick, so werde ich dir bald etwas
bringen. Ich habe etwas Baumwolle gesponnen, die will ich verkaufen,
um Brot und einiges zum Mittagessen anzuschaffen.« -- »Liebe
Mutter,« erwiderte Alaeddin, »hebe deine Baumwolle für ein anderes
Mal auf und gib mir die Lampe, die ich gestern mitbrachte. Ich will sie
verkaufen, und vielleicht löse ich so viel daraus, daß wir Frühstück und
Mittagessen, und am Ende gar noch etwas für den Abend bestreiten
können.«

Alaeddins Mutter holte die Lampe und sagte zu ihrem Sohne: »Da hast
du sie, sie ist aber sehr schmutzig. Ich will sie ein wenig putzen, dann
wird sie schon etwas mehr gelten.« Sie nahm Wasser und feinen Sand,
um sie blank zu machen, aber kaum hatte sie angefangen, die Lampe zu
reiben, als augenblicklich in Gegenwart ihres Sohnes ein scheußlicher
Geist von riesenhafter Gestalt vor ihr aufstand und mit einer
Donnerstimme zu ihr sprach: »Was willst du? Ich bin bereit, dir zu
gehorchen als dein Sklave und als Sklave aller derer, die die Lampe in
der Hand haben, sowohl ich, als die andern Sklaven der Lampe.«
Alaeddins Mutter war nicht imstande zu antworten. Ihr Auge
vermochte die abscheuliche und schreckliche Gestalt des Geistes nicht
zu ertragen, und sie war gleich bei seinen ersten Worten vor Angst in
Ohnmacht gefallen.
Alaeddin dagegen ergriff schnell die Lampe und antwortete statt seiner
Mutter mit festem Tone: »Ich habe Hunger, bring mir etwas zu essen.«
Der Geist verschwand und kam im Augenblick wieder mit einem
großen silbernen Becken auf dem Kopfe, worin sich zwölf verdeckte
Schüsseln von demselben Metall voll der besten Speisen nebst sechs
Broten vom weißesten Mehl befanden, und zwei Flaschen des
köstlichsten Weines, nebst zwei silbernen Schalen in der Hand. Er
stellte alles zusammen auf den Sofa und verschwand sogleich.
Alaeddins Mutter kam wieder zu sich. »Liebe Mutter,« sagte Alaeddin
zu ihr, »steh auf und iß: hier sind Sachen genug, um dein Herz zu
stärken und zugleich meinen großen Hunger zu befriedigen. Wir wollen
diese guten Speisen nicht kalt werden lassen, sondern essen.«
Die Mutter war erstaunt, als sie das große Becken, die zwölf Schüsseln,
die sechs Brote, die zwei Flaschen nebst den zwei Schalen erblickte
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