Alaeddin und die Wunderlampe | Page 7

Kurt Moreck
eine
Wunderlampe in der Welt gebe, deren Besitz ihn mächtiger als alle
Könige der Erde machen würde. Aber obschon die Lampe sich ganz
gewiß an dem bewußten Orte befand, so war es ihm doch nicht gestattet,
sie selbst zu holen oder persönlich in das unterirdische Gewölbe
einzutreten. Es mußte ein anderer hinabsteigen und sie ihm einhändigen.
Deshalb hatte er sich an Alaeddin gewandt, den er für einen gefügigen
jungen Burschen und für sehr geeignet hielt, ihm den Dienst zu leisten;
dabei war er fest entschlossen, sobald er die Lampe in Händen haben
würde, die letzte schon erwähnte Räucherung zu tun, die Zauberworte
auszusprechen, und so den armen Alaeddin seinem Geize und seiner
Bosheit aufzuopfern, um an ihm keinen Zeugen zu haben.
Als der afrikanische Zauberer seine großen und schönen Hoffnungen
auf immer gescheitert sah, blieb ihm nichts anderes übrig, als nach
Afrika zurückzukehren.
Allem Anscheine nach war Alaeddin verloren. Aber derselbe, der ihn
auf immer zu verderben glaubte, hatte nicht bedacht, daß er ihm einen
Ring an den Finger gesteckt hatte, der zu seiner Rettung dienen konnte.

Wirklich wurde Alaeddin durch diesen Ring, dessen Kräfte er nicht
kannte, gerettet.
Alaeddin, der nach so vielen Liebkosungen und Geschenken auf diese
Bosheit seines angeblichen Oheims keineswegs gefaßt war, befand sich
in einer Bestürzung, die sich nicht beschreiben läßt. Als er sich so
lebendig begraben sah, rief er tausendmal seinen Oheim und erklärte,
daß er ihm die Lampe ja gerne geben wolle; allein sein Rufen war
vergeblich. Endlich stieg er wieder die Treppe der Höhle hinab, um in
den Garten und ins helle Tageslicht zu gelangen. Aber die Mauer, die
sich ihm durch Zauber geöffnet, hatte sich indes durch einen neuen
Zauber wieder geschlossen. Er tappte vorwärts, ohne eine Türe zu
finden. Nun fing er aufs neue an zu schreien und zu weinen, und setzte
sich endlich auf die Stufen der Höhle, ohne Hoffnung, jemals das
Tageslicht wieder zu sehen, sondern mit der traurigen Gewißheit, aus
dieser Finsternis in jene eines nahen Todes versetzt zu werden.
Zwei Tage blieb Alaeddin in diesem Zustande, ohne zu essen und zu
trinken. Endlich am dritten, da er seinen Tod als unvermeidlich
betrachtete, hob er die gefalteten Hände empor und rief mit völliger
Ergebung in den Willen Gottes aus: »Es gibt keine Kraft und keine
Macht, als bei Gott, dem Allerhöchsten und Größten!« Während er so
die Hände gefaltet hatte, rieb er, ohne daran zu denken, an dem Ring,
den ihm der Zauberer an den Finger gesteckt hatte, und dessen Kraft er
noch nicht kannte. Alsbald stieg vor ihm ein Geist von ungeheurer
Größe und fürchterlichem Ansehen, der mit seinem Kopf das oberste
Gewölbe berührte, wie aus der Erde hervor und sprach folgende Worte
zu Alaeddin: »Was willst du? Ich bin bereit, dir zu gehorchen als dein
Sklave und als Sklave aller derer, die den Ring am Finger haben,
sowohl ich, als die andern Sklaven des Rings.«
Zu jeder andern Zeit und bei jeder andern Gelegenheit wäre Alaeddin,
der an solche Erscheinungen nicht gewöhnt war, bei dem Anblick einer
so außerordentlichen Gestalt von Schrecken ergriffen worden. Jetzt
aber, da er einzig und allein mit der Gefahr beschäftigt war, in der er
schwebte, antwortete er ohne Stocken: »Wer du auch sein magst, hilf
mir aus diesem Orte, wofern es in deiner Macht steht.« Kaum hatte er

diese Worte gesprochen, als die Erde sich öffnete und er sich außerhalb
der Höhle befand, an der Stelle, wohin ihn der Zauberer geführt hatte.
Erst nach und nach gewöhnte er sich an das Tageslicht, und als er um
sich blickte, war er sehr überrascht, keine Öffnung in der Erde zu sehen;
es war ihm unbegreiflich, auf welche Art er so auf einmal aus ihrem
Schoße hervorgekommen war. Nur an dem Flecke, wo das Reisig
verbrannt worden war, erkannte er die Stelle wieder, unter der sich die
Höhle befand. Als er sich hierauf gegen die Stadt hinwandte, erblickte
er sie inmitten der Gärten und erkannte auch den Weg. Diesen wandelte
er zurück und dankte Gott, daß er sich noch einmal auf der Welt sah,
nachdem er bereits die Hoffnung aufgegeben hatte, wieder dahin
zurückzukommen. So gelangte er zur Stadt und schleppte sich mit
vieler Mühe bis in seine Wohnung. Als er ins Zimmer seiner Mutter
trat, fiel er aus Freude über das Wiedersehen, verbunden mit der von
dreitägigem Fasten herrührenden Schwäche, in eine Ohnmacht, die
einige Zeit dauerte. Seine Mutter, die ihn bereits als verloren oder als
tot beweint hatte, ließ es jetzt an keiner Pflege und an keinem Mittel
fehlen, ihn wieder zum Leben zu bringen. Endlich erholte er sich und
seine ersten Worte waren: »Liebe Mutter, vor allen Dingen bitte ich
dich, gib mir zu essen; ich habe seit drei Tagen nichts über den Mund
gebracht.« Seine Mutter brachte ihm, was sie gerade hatte, setzte es
ihm vor und sagte: »Lieber Sohn, übereile
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