Alaeddin und die Wunderlampe | Page 9

Kurt Moreck

und den köstlichen Duft einatmete, der aus all den Platten emporstieg.
»Mein Sohn,« sagte sie zu Alaeddin, »woher kommt uns dieser
Überfluß und wem haben wir für solch reiches Geschenk zu danken?
Sollte vielleicht der Sultan von unserer Armut gehört und sich unser
erbarmt haben?« -- »Liebe Mutter,« antwortete Alaeddin, »wir wollen
uns jetzt zu Tische setzen und essen; deine Frage werde ich
beantworten, wenn wir gefrühstückt haben.« Sie setzten sich zu Tische

und speisten mit um so größerem Appetit, als beide, Mutter und Sohn,
sich nie an einer so wohlbesetzten Tafel befunden hatten.
Alaeddin und seine Mutter, die nur ein einfaches Frühstück
einzunehmen gedacht hatten, befanden sich um die Stunde des
Mittagessens noch bei Tisch.
Als Alaeddins Mutter abgetragen und das Fleisch, welches unberührt
geblieben war, aufgehoben hatte, setzte sie sich zu ihrem Sohne und
sagte: »Alaeddin, ich erwarte jetzt von dir, daß du meine Neugierde
befriedigst und mir die versprochene Auskunft erteilst.« Alaeddin
erzählte ihr alles, was während ihrer Ohnmacht zwischen dem Geist
und ihm vorgegangen war.
Alaeddins Mutter geriet in große Verwunderung über die Erzählung
ihres Sohnes und die Erscheinung des Geistes. »Aber, mein Sohn,«
fragte sie, »so lange ich auf der Welt bin, habe ich nie sagen gehört,
daß jemand von allen meinen Bekannten einen Geist gesehen hätte.
Durch welchen Zufall ist dieser garstige Geist zu mir gekommen?
Warum hat er sich an mich gewendet und nicht an dich, da er dir doch
schon in der Schatzhöhle einmal erschienen war?«
»Liebe Mutter,« erwiderte Alaeddin, »der Geist, welcher dir erschienen,
ist nicht derselbe, der mir erschien. Sie haben zwar einige Ähnlichkeit
in Beziehung auf ihre Riesengröße, aber an Gesichtsbildung und
Kleidung sind sie gänzlich voneinander verschieden und gehören auch
verschiedenen Herren an. Du wirst dich noch erinnern, daß derjenige,
den ich sah, sich einen Sklaven des Rings nannte, den ich am Finger
habe, während der soeben erschienene sagte, er sei Sklave der Lampe,
die du in der Hand hattest.«
»Wie!« rief Alaeddins Mutter, »also deine Lampe ist schuld, daß dieser
verwünschte Geist sich an mich gewendet hat, statt an dich? Ach, lieber
Sohn, schaffe sie mir sogleich aus den Augen und hebe sie auf, wo du
willst, ich mag sie nicht mehr anrühren. Eher lasse ich sie wegwerfen
oder verkaufen, als daß ich Gefahr laufe, bei Berührung derselben vor
Angst zu sterben. Folge mir und tue auch den Ring ab. Man muß
keinen Verkehr mit Geistern haben: es sind Teufel und unser Prophet

hat es gesagt.«
»Mit deiner Erlaubnis, liebe Mutter,« antwortete Alaeddin, »werde ich
mich jetzt wohl hüten, eine Lampe, die uns beiden so nützlich werden
kann, zu verkaufen. Siehst du denn nicht, was sie uns erst vor einigen
Augenblicken verschafft hat? Sie soll uns jetzt Nahrung und
Lebensunterhalt besorgen. Du kannst dir denken, daß mein garstiger
falscher Oheim sich nicht ohne Grund so viele Mühe gegeben und eine
so weite und beschwerliche Reise unternommen hat, da er nach dem
Besitz dieser Wunderlampe trachtete, die er allem Gold und Silber, das
er in den Sälen wußte, und das ich, wie er es mir beschrieben, mit
meinen eigenen Augen sah, vorgezogen hatte. Er kannte den Wert und
die herrlichen Eigenschaften dieser Lampe zu gut, um sich von dem
übrigen reichen Schatze noch etwas zu wünschen. Da nun der Zufall
uns ihre geheime Kraft entdeckt hat, so wollen wir den möglichst
vorteilhaften Gebrauch davon machen, aber ohne Aufsehen zu erregen,
damit unsere Nachbarn nicht neidisch und eifersüchtig werden. Ich will
sie dir übrigens gern aus den Augen schaffen und an einem Orte
aufheben, wo ich sie finden kann, wann ich sie brauche, da du so große
Angst vor den Geistern hast. Auch den Ring wegzuwerfen, kann ich
mich unmöglich entschließen. Ohne diesen Ring hättest du mich nie
wieder gesehen, und ohne ihn würde ich jetzt entweder nicht mehr,
oder höchstens noch auf einige Augenblicke leben. Du wirst mir daher
erlauben, daß ich ihn behalte und immer mit großer Behutsamkeit am
Finger trage. Wer weiß, ob mir nicht irgend einmal eine andere Gefahr
zustößt, die wir beide nicht voraussehen können, und aus der er mich
vielleicht befreit?« Da Alaeddins Bemerkung sehr richtig schien, so
wußte seine Mutter nichts mehr einzuwenden. »Lieber Sohn,« sagte sie
zu ihm, »du kannst handeln, wie du es für gut hältst; ich für meinen
Teil mag mit Geistern nichts zu tun haben.«
Am andern Tag nach dem Abendessen war von den herrlichen Speisen,
die der Geist gebracht hatte, nichts mehr übrig; Alaeddin, der nicht so
lange warten wollte, bis der Hunger ihn drängte, nahm daher am dritten
Morgen eine der silbernen Schüsseln unter seine Kleider und ging aus,
um sie zu verkaufen. Er wandte sich an einen Juden, der ihm begegnete,
nahm ihn beiseite, zeigte ihm die Schüssel und fragte, ob er wohl Lust

dazu hätte.
Der Jude, ein schlauer und verschmitzter Bursche, nahm die Schüssel,
untersuchte sie,
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