Zuchthausgeschichten von einem ehemaligen Züchtling | Page 2

Joseph M. Hägele
des Menschen.
Ich wünschte, da? diese Schrift in Norddeutschland erscheine; die darin erz?hlten Vorkommnisse und Schilderungen sind dort mehrfach neu und fremd, w?hrend sie uns etwas Bekannteres sind. Hoffentlich wird man in Westphalen für solche wahre Geschichten aus einem fern gelegenen und doch verwandten Volksstamme wenigstens so viel Interesse haben, als für die %mysteres de Paris% und andere aus fremden Sprachen übersetzte Verbrecherromane, wie sie sonst der teutsche Michel liebt.
Freiburg am Tag des h. Mansuetus 1853.
#ALBAN STOLZ.#

#MEINE VORGESCHICHTE#
Wenn ein ehemaliger Züchtling sich unterf?ngt, als Schriftsteller, und zudem als katholischer, auftreten zu wollen, so m?chte es am Platze sein, da? er zun?chst ein W?rtlein über seine Person fallen l??t.
Zwar hat ein hochgeachteter und berühmter katholischer Schriftsteller sich meiner angenommen, mir eine Vorrede geschrieben und mir einen Verleger für die Zuchthausgeschichten verschafft, und in dieser Thatsache m?chte für die Schrift und wohl auch für meine Person genügende Empfehlung lieden [liegen]; aber ein Zuchthaus ist kein Haus der Ehren, sondern ger [der] Sünde und Schmach, und ein ehemaliger Zuchth?usler, welcher die Religion und Kirche vertheidigen und verherrlichen helfen m?chte, kommt namentlich heutzutage gar leicht in Gefahr, mi?trauisch angesehen und schief beurtheilt zu werden und durch ?ffentliches Auftreten einer gro?en heiligen Sache eher zu schaden als zu nützen.
Ich rede ungern von meiner Person, k?nnte sogar in den Verdacht gerathen, als ob ich meine zuchth?uslerische Wenigkeit sonderlich rechtfertigen, empfehlen und verherrlichen wolle; allein die Ehre der katholischen Kirche, der Inhalt dieser Schrift und wohl auch die gegenw?rtigen Zeitumst?nde scheinen es mir anzubefehlen, zun?chst Einiges über mich und noch mehr über den Standpunkt, welchen ich im Allgemeinen und in dieser Schrift insbesondere einnehme, verlauten zu lassen.
Meine eigene Geschichte ist eine Zuchthausgeschichte, de?halb mag Einiges aus meinem ?u?ern Leben und meiner innern Entwicklung die Vorgeschichte dieser Geschichten bilden.
Aus meinem wechselreichen und oft wildbewegten Jugendleben hebe ich nur hervor, da? ich zahlreiche Beweise und de?halb auch Grund besitze, mit Freude und Stolz auf dasselbe zurückzublicken, insofern sich der Mensch über seine ?u?ere ehrenhafte Haltung und redliches Streben nach Kenntnissen freuen und darauf auch als Christenmensch noch stolz sein darf.
Im Jahre 1837 begann ich meine Studien, der Herbst 1843 fand mich bereits als Schüler der katholischen Hochschule Freiburg, welcher ich au?er vielem Andern auch die Wohlthat eines Stipendiums zu verdanken habe; im Frühling 1846 ging ich nach Heidelberg, studirte fast ausschlie?lich Geschichte und Philosophie, machte und bestand im Sp?tjahre 1847 eine Staatsprüfung als Fachlehrer der Geschichte und Philosophie gem?? den badischen Verordnungen vom Jahre 1836, erhielt zugleich das Versprechen gelegentlicher Verwendung als Sprachlehrer in den niedern Klassen einer Gelehrtenschule und zog nach Freiburg zurück, zun?chst um mich auf ein Doctorexamen vorzubereiten.
Aeu?ere Verh?ltnisse und innere Lebensvorg?nge wirkten zusammen, da? ich bereits im Winter 1847/48, wo die Vorboten des nahenden V?lkersturmes sich allenthalben und t?glich mehr bemerkbar machten, das Revolutionsfieber in allen Gliedern spürte und mich mit der leidigen deutschen Politik befa?te.
Ich tr?umte dabei fort vom Stillleben eines Büchermenschen und Schulmannes, doch Alles sollte anders kommen, als ich tr?umte und erwartete.
Gerade am Abend des verh?ngni?vollen Schalttages im Jahre 1848 hielt ich in einer Versammlung von Studenten, Turnern, Arbeitern und Bürgern einen Vortrag über die m?glichen Folgen von Ludwigs Philipps m?glichem Tode, sprach mich darin entschieden gegen eine deutsche Republik aus, erkl?rte eine Republik nach amerikanischem Muster für eine baare Unm?glichkeit in Europa und--keine 14 Tage sp?ter war ich erkl?rter, offenkundiger, glühender Republikaner und an die Stelle meines G?tzen Mirabeau, der gewaltige Danton, dieser fruchtlose Atlas der Revolution gesetzt.
Die Pariser Ereignisse brachten die ?ltesten Diplomaten aus dem Concepte, gereiste und feine Staatsm?nner zur Verzweiflung, machten Fürsten und Regierungen wehrlos, ehrliche Conservative vielfach zu aufrichtigen Freunden der bisherigen Bestrebungen der Radikalen, die Radikalen zu wei?en Republikanern und rothen Sozialdemokraten, berechnende Kaufleute zu Schw?rmern, redliche Handwerker zu Wirthshaushockern und Zeitungslesern, einfache Handwerksbursche zu wüthenden Politikern und so mag man es einem Lehrer ohne Schüler auch verzeihen, wenn er seiner gewonnenen Ueberzeugung folgte, den Zug des Herzens als des Schicksals Stimme betrachtete und von seinen Büchern hinweg mit wilder Thatenlust sich in den ?rgsten Strudel der Revolution stürzte.
Der Mensch wird, was man aus ihm macht; aus mir haben weniger Anlagen, als Schicksale und Staatsdressuranstalten einen Revolutionair gemacht, dazu vielleicht auch der Umstand, da? ich niemals zur kraft- und saftlosen Jugend geh?rte, welche man "die alte" nennen sollte, weil der Brodkorb, ein Titelchen und eine oder auch mehrere Vertreterinnen des sch?nen Geschlechts deren einzige Idole zu sein pflegen.
Ich habe im Frühling 1848 so th?tigen und lebhaften und wiederum im Sommer 1849 im Herzen so innigen und verzweifelnden Antheil an der V?lkerbewegung genommen, als ihn ein der positiven Religion g?nzlich entfremdeter, gegen den büreaukratischen Staat und die "moderne" Kirche leidenschaftlich eingenommener Mensch nur zu nehmen vermag; von meinem damaligen Standpunkte aus war diese Theilnahme sittliche That und der Allm?chtige wei?, da? ich mit Freuden mein pers?nliches Wohl und meine Existenz in die Schanzen schlug, weil ich glaubte, V?lkerfreiheit
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