Zuchthausgeschichten von einem ehemaligen Züchtling | Page 3

Joseph M. Hägele
Gesicht des Vaters unseres Helden gesehen und wird den abgetragenen Kittel, die Lederhosen, deren ursprünglich gelbe, die Weste, deren ehemals rothe in eine von den Malern bisher unentdeckte Farbe übergegangen ist, nicht vergessen und noch weniger die knorrigen Eichenf?uste und die breitgetretenen Fü?e des Mannes. Wer sich n?her nach ihm erkundigte, würde überall erfahren haben, der Jakob sei ein nicht ganz armer Mann mit sechs lebendigen Kindern, habe niemals recht lesen lernen, folglich auch den "h?flichen Schüler" niemals studirt und sei eine grundehrliche Haut, welche Gott und den Amtmann fürchte, mit seinem Weibe glücklich lebe und von jedem Nachbarn geliebt werde, obwohl er ein bischen hart, unbeugsam und auffahrend dazu sein k?nne.
Sein Weib, die Theres, mag in ihrer Jugend nicht h??lich gewesen sein, aber auf dem Lande wird die Sch?nheit gar rasch verschwitzt und wenn eine Frau ihre zw?lf Kindbetten durchgemacht hat, wirds schlimm aussehen, wenn hinter der Leibesruine nicht ein treues, frommes Herz schl?gt. Doch unter dem Mieder der Theres sah es gut aus und de?halb lebte sie auch mit ihrem Alten recht glücklich, insofern festes Vertrauen auf Gott alle Sorgen und Drangsale des Tages ohne viel nutzloses Klagen und Weinen überstehen l??t.
Jakob hatte auf dem Felde, in Wald, Stall und Scheune, die Theres an all diesen Orten, in der Küche, am Waschzuber, in allen Winkeln des Hauses und im Garten dazu vom Anbruch des Tages bis zur sinkenden Nacht alle H?nde voll zu thun, so da? die Beiden au?er an Sonn- und Feiertagen wenig mit einander plaudern, geschweige zanken konnten. Wenn es so kalt wurde, da? der Jakob seine 5- bis 8pfündigen Schuhe anziehen mu?te, dann wurde er etwas brummig, denn das war Zeitverlust und wenn der Mond schien, war er im Stande, noch in der Sommer-Nacht zartes Laub und dergleichen für seine Kühe, Geisen und Schweine zu holen und es war gut, da? seine H?nde nichts davon wu?ten, die Brombeeren und Schlehen h?tten auch Dornen, und da? er mit blo?en Fü?en im Verhau herumstolperte, ohne von spitzen Dornen, Steinen und dergleichen mehr als eine Ahnung zu besitzen. In der Nacht bekam er seine Ruhe, wenn nicht gerade eine Kuh kalbern wollte, das Geschrei der Kinder beirrte ihn wenig; wenn er die ganze Woche tüchtig gearbeitet hatte und am Sonntagmorgen vor der Kirche so glatt und freundlich wie ein Schuljunge hinter dem Ofen hervortrat, wo er sich ohne Spiegel und Seife musterhaft rasirte, dann pflegte er zu sagen: "Theres, die Arbeit ist gethan, heute wird zum Herrgott gebetet und Mittags im Hirzen drüben ein H?lbsle getrunken, wenn auch der Bettelvogt noch zehnmal schellt von wegen der Herrensteuer!" ...
Die Theres freute sich auch auf den Sonntag, denn wenn es für sie auch keinen Hirzen gab, so gab es doch eine Kirche und eine rechte Predigt und ordentlicher Gottesdienst erquickt ein frommes Weibergemüth mehr, denn ein F??lein Burgunder oder gar Capwein. Die Woche über kam die Theres kaum zum Athemholen und in der Nacht, wenn der Jakob schnarchte trotz der gr??ten Ba?geige, fing die Plage erst recht an, denn die eisgraue Gro?mutter konnte die Kinder in der Nacht nicht alle pflegen und schweigen und trocken legen, und wenn eines zahnte oder sonst krankte, schlossen die beiden armen Weiber oft kein Auge.
Am Sonntag aber wars so traulich in dem aufgeputzten H?uslein, als ob die Leute die Kirche aus dem Gottesdienste mit sich genommen h?tten und Mittags stand auch Fleisch auf dem Tische, an hohen Festtagen Wein aus dem hintern F??lein, wo der Alte und Gute ?lter und besser wurde, w?hrend der Gew?hnliche vom Essig wenig sich unterschied.
Nachmittags nach der Vesper zog dann Jakob seinen blauen Rock ohne Kragen mit tellergro?en Metallkn?pfen an, stopfte sein Pfeiflein, drückte den Nebelspalter ein bischen aufs linke Ohr und machte mit dem Liebhardt, Fidele, Michel oder Bassi einen Gang durch die Fluren und dann in den Hirzen, um bis zum Abend an seinem H?lbsle zu trinken, w?hrend das junge Volk kegelte, auf der Stra?e spielte, in R?dlein beisammen stand oder Arm in Arm kettenweise singend durch das D?rflein auf und ab zog. Es mochte zweifelhaft sein, ob der Jakob an seinen Aeckern und Kühen gr??ere Freude hatte, denn an seinen Kindern, mindestens pflegte er jene z?rtlich, w?hrend er diese nach Herzenslust herumkrabbeln, fallen und heulen lie?, ohne sich gro? umzusehen, dagegen bleibt es sicher, da? die alte Hanne ganz vernarrt in ihre Enkel und die Theres in den Benedikt am vernarrtesten war.
Der Benedikt, ihr erstes Kind hie? ihr "Aug?pfelchen" und man darf ihr solche Vorliebe verzeihen, obwohl sich dieselbe nicht nur in Blicken und Reden kund gab. Der Benedikt mit seinen schwarzen Haaren, den runden Apfelb?cklein, kohlschwarzen Augen und dem freundlichen Munde war wirklich ein herzallerliebstes Büblein und dabei so munter und gescheid, wie keins im Dorfe gefunden wurde.
Die Leute hatten keine eigene Kirche, nicht einmal eine Kapelle, mu?ten im Leben und Tod ihrem Herrgott die
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