Wissenschaft der Logik, vol 2 | Page 2

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
es ist, wenn einem Volke, z.B. die Wissenschaft seines Staatsrechts, wenn ihm seine Gesinnungen, seine sittlichen Gewohnheiten und Tugenden unbrauchbar geworden sind, so merkw��rdig ist es wenigstens, wenn ein Volk seine Metaphysik verliert, wenn der mit seinem reinen Wesen sich besch?ftigende Geist kein wirkliches Daseyn mehr in demselben hat.
Die exoterische Lehre der kantischen Philosophie,--da? der Verstand die Erfahrung nicht ��berfliegen d��rfe, sonst werde das Erkenntnisverm?gen theoretische Vernunft, welche f��r sich nichts als Hirngespinnste geb?hre, hat es von der wissenschaftlichen Seite gerechtfertigt, dem spekulativen Denken zu entsagen. Dieser popularen Lehre kam das Geschrei der modernen P?dagogik, die Noth der Zeiten, die den Blick auf das unmittelbare Bed��rfni? richtet, entgegen, da?, wie f��r die Erkenntni? die Erfahrung das Erste, so f��r die Geschicklichkeit im ?ffentlichen und Privatleben, theoretische Einsicht sogar sch?dlich, und ��bung und praktische Bildung ��berhaupt das Wesentliche, allein F?rderliche sey.--Indem so die Wissenschaft und der gemeine Menschenverstand sich in die H?nde arbeiteten, den Untergang der Metaphysik zu bewirken, so schien das sonderbare Schauspiel herbeigef��hrt zu werden, ein gebildetes Volk ohne Metaphysik zu sehen;--wie einen sonst mannigfaltig ausgeschm��ckten Tempel ohne Allerheiligstes.--Die Theologie, welche in fr��hern Zeiten die Bewahrerin der spekulativen Mysterien und der obzwar abh?ngigen Metaphysik war, hatte diese Wissenschaft gegen Gef��hle, gegen das Praktisch-populare und gelehrte Historische aufgegeben. Welcher Ver?nderung entsprechend ist, da? anderw?rts jene Einsamen, die von ihrem Volke aufgeopfert und aus der Welt ausgeschieden wurden, zu dem Zwecke, da? die Kontemplation des Ewigen und ein ihr allein dienendes Leben vorhanden sey, nicht um eines Nutzens, sondern um des Segens willen,--verschwanden; ein Verschwinden, das in einem andern Zusammenhange, dem Wesen nach als dieselbe Erscheinung, wie das vorhin Erw?hnte, betrachtet werden kann.--So da?, nach Vertreibung dieser Finsternisse, der farblosen Besch?ftigung des in sich gekehrten Geistes mit sich selbst, das Daseyn in die heitere Welt der Blumen verwandelt zu seyn schien, unter denen es bekanntlich keine schwarze giebt.
Ganz so schlimm als der Metaphysik ist es der Logik nicht ergangen. Da? man durch sie denken lerne, was sonst f��r ihren Nutzen und damit f��r den Zweck derselben galt,--gleichsam als ob man durch das Studium der Anatomie und Physiologie erst verdauen und sich bewegen lernen sollte--, die? Vorurtheil hat sich l?ngst verloren, und der Geist des Praktischen dachte ihr wohl kein besseres Schicksal zu, als ihrer Schwester. Dessen ungeachtet, wahrscheinlich um einigen formellen Nutzens willen, wurde ihr noch ein Rang unter den Wissenschaften gelassen, ja sie wurde selbst als Gegenstand des ?ffentlichen Unterrichts beibehalten. Die? bessere Loos betrifft jedoch nur das ?u?ere Schicksal; denn ihre Gestalt und Inhalt ist derselbe geblieben, als er sich durch eine lange Tradition fortgeerbt, jedoch in dieser ��berlieferung immer mehr verd��nnt und abgemagert hatte; der neue Geist, welcher der Wissenschaft nicht weniger als der Wirklichkeit aufgegangen ist, hat sich in ihr noch nicht versp��ren lassen. Es ist aber ein f��r allemal vergebens, wenn die substantielle Form des Geistes sich umgestaltet hat, die Formen fr��herer Bildung erhalten zu wollen; sie sind welke Bl?tter, welche von den neuen Knospen, die an ihren Wurzeln schon erzeugt sind, abgesto?en werden.
Mit dem Ignoriren der allgemeinen Ver?nderung f?ngt es nach gerade an, auch im Wissenschaftlichen auszugehen. Unbemerkter Weise sind selbst den Gegnern die andern Vorstellung gel?ufig und eigen geworden, und wenn sie gegen deren Quelle und Principien fortdauernd spr?de thun und sich widersprechend dagegen benehmen, so haben sie daf��r die Konsequenzen sich gefallen lassen, und des Einflusses derselben sich nicht zu erwehren vermocht; zu ihrem immer unbedeutender werdenden negativen Verhalten wissen sie sich auf keine andere Weise eine positive Wichtigkeit und einen Inhalt zu geben, als da? sie in den neuen Vorstellungsweisen mitsprechen.
Von der andern Seite scheint die Zeit der G?hrung, mit der eine neue Sch?pfung beginnt, vorbei zu seyn. In ihrer ersten Erscheinung pflegt eine solche sich mit fanatischer Feindseligkeit gegen die ausgebreitete Systematisierung des fr��hen Princips zu verhalten, Theils auch furchtsam zu seyn, sich in der Ausdehnung des Besondern zu verlieren, Theils aber die Arbeit die zur wissenschaftlichen Ausbildung erfordert wird, zu scheuen, und im Bed��rfnisse einer solchen zuerst zu einem leeren Formalismus zu greifen. Die Anforderung der Verarbeitung und Ausbildung des Stoffes wird nun um so dringender. Es ist eine Periode in der Bildung einer Zeit, wie in der Bildung des Individuums, wo es vornehmlich um Erwerbung und Behauptung des Princips in seiner unentwickelten Intensit?t zu thun ist. Aber die h?here Forderung geht darauf, da? es zur Wissenschaft werde.
Was nun auch f��r die Sache und f��r die Form der Wissenschaft bereits in sonstiger R��cksicht geschehen seyn mag; die logische Wissenschaft, welche die eigentliche Metaphysik oder reine spekulative Philosophie ausmacht, hat sich bisher noch sehr vernachl?ssigt gesehen. Was ich unter dieser Wissenschaft und ihrer Standpunkte n?her verstehe, habe ich in der Einleitung vorl?ufig angegeben. Die Nothwendigkeit, mit dieser Wissenschaft wieder einmal von vorne anzufangen, die Natur des Gegenstandes selbst, und der Mangel an Vorarbeiten, welche f��r die vorgenommen Umbildung h?tten benutzt werden
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