Wissenschaft der Logik, vol 1 | Page 8

Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Dinge, sondern die Sache, der Begriff der Dinge, welcher

Gegenstand wird.
Hierbei kann man aber auch daran erinnert werden, daß es eine Menge
Begriffe, eine Menge Sachen giebt. Wodurch aber diese Menge
beschränkt wird, ist Theils vorhin gesagt worden, daß der Begriff als
Gedanke überhaupt, als Allgemeines, die unermeßliche Abbreviatur
gegen die Einzelnheit der Dinge, wie sie ihre Menge dem
unbestimmten Anschauen und Vorstellen vorschweben, ist; Theils aber
ist ein Begriff sogleich erstens der Begriff an ihm selbst, und dieser ist
nur Einer, und ist die substantielle Grundlage; vor's Andere aber ist er
wohl ein bestimmter Begriff, welche Bestimmtheit an ihm das ist, was
als Inhalt erscheint, die Bestimmtheit des Begriffs aber ist eine
Formbestimmung dieser substantiellen Einheit, ein Moment der Form
als Totalität, des Begriffes selbst, der die Grundlage der bestimmten
Begriffe ist. Dieser wird nicht sinnlich angeschaut oder vorgestellt; er
ist nur Gegenstand, Produkt und Inhalt des Denkens, und die an und für
sich seyende Sache, der Logos, die Vernunft dessen, was ist, die
Wahrheit dessen, was den Namen der Dinge führt; am wenigsten ist es
der Logos, was außerhalb der logischen Wissenschaft gelassen werden
soll. Es muß darum nicht ein Belieben seyn, ihn in die Wissenschaft
herein zu ziehen oder ihn draußen zu lassen. Wenn die
Denkbestimmungen, welche nur äußerliche Formen sind, wahrhaft an
ihnen selbst betrachtet werden, kann nur ihre Endlichkeit und die
Unwahrheit ihres Für-sich-seyn-sollens und als ihre Wahrheit, der
Begriff, hervorgehen. Daher wird die logische Wissenschaft, indem sie
die Denkbestimmungen, die überhaupt unsern Geist instinktartig und
bewußtlos durchziehen, und selbst indem sie in die Sprache
hereintreten, ungegenständlich, unbeachtet bleiben, abhandelt, auch die
Rekonstruktion derjenigen seyn, welche durch die Reflexion
herausgehoben und von ihr als subjektive, an dem Stoff und Gehalt
äußere Formen fixiert sind.
Die Darstellung keines Gegenstandes wäre an und für sich fähig, gar
streng ganz immanent plastisch zu seyn, als die der Entwickelung des
Denkens in seiner Nothwendigkeit; keiner führte so sehr diese
Forderung mit sich; seine Wissenschaft müßte darin auch die
Mathematik übertreffen, denn kein Gegenstand hat in ihm selbst diese
Freiheit und Unabhängigkeit. Solcher Vortrag erforderte, wie dieß in
seiner Art in dem Gange der mathematischen Konsequenz vorhanden

ist, daß bei keiner Stufe der Entwickelung eine Denkbestimmung und
Reflexion vorkäme, die nicht in dieser Stufe unmittelbar hervorgeht,
und aus den vorhergehenden in sie herübergekommen ist. Allein auf
solche abstrakte Vollkommenheit der Darstellung muß freilich im
Allgemeinen Verzicht gethan werden; schon indem die Wissenschaft
mit dem rein Einfachen, hiermit dem Allgemeinsten und Leersten,
anfangen muß, ließe der Vortrag nur eben diese selbst ganz einfachen
Ausdrücke des Einfachen ohne allen weiteren Zusatz irgend eines
Wortes zu;--was der Sache nach Statt finden dürfte, wären negirende
Reflexionen, die das abzuhalten und zu entfernen sich bemühten, was
sonst die Vorstellung oder ein ungeregeltes Denken einmischen könnte.
Solche Einfälle in den einfachen immanenten Gang der Entwickelung
sind jedoch für sich zufällig, und die Bemühung, sie abzuwehren, wird
somit selbst mit dieser Zufälligkeit behaftet; ohnehin ist es vergeblich
allen solchen Einfällen, eben weil sie außer der Sache liegen, begegnen
zu wollen, und wenigstens wäre Unvollständigkeit das, was hierbei für
die systematische Befriedigung verlangt würde. Aber die
eigenthümliche Unruhe und Zerstreuung unseres modernen
Bewußtseyns läßt es nicht anders zu, als gleichfalls mehr oder weniger
auf nahe liegende Reflexionen und Einfälle Rücksicht zu nehmen, ein
plastischer Vortrag erfordert dann auch einen plastischen Sinn des
Aufnehmens und Verstehens; aber solche plastische Jünglinge und
Männer so ruhig mit der Selbstverläugnung eigener Reflexionen und
Einfälle, womit das Selbstdenken sich zu erweisen ungeduldig ist, nur
der Sache folgende Zuhörer, wie sie Plato dichtet, würden in einem
modernen Dialoge nicht aufgestellt werden können; noch weniger
dürfte auf solche Leser gezählt werden. Im Gegentheil haben sich mir
zu häufig und zu heftig solche Gegner gezeigt, welche nicht die
einfache Reflexion machen mochten, daß ihre Einfälle und Einwürfe
Kategorien enthalten, welche Voraussetzungen sind und selbst erst der
Kritik bedürfen, ehe sie gebraucht werden. Die Bewußtlosigkeit
hierüber geht unglaublich weit; sie macht das Grund-Mißverständniß,
das üble d. h. ungebildete Benehmen, bei einer Kategorie, die
betrachtet wird, etwas Anderes zu denken und nicht diese Kategorie
selbst. Diese Bewußtlosigkeit ist um so weniger zu rechtfertigen, als
solches Anderes andere Denkbestimmungen und Begriffe sind, in
einem Systeme der Logik aber eben diese anderen Kategorien

gleichfalls ihre Stelle müssen gefunden haben, und daselbst für sich der
Betrachtung werden unterworfen seyn. Am auffallendsten ist dieß in
der überwiegenden Menge von Einwürfen und Angriffen, die auf die
ersten Begriffe oder Sätze der Logik, das Seyn und Nichts und das
Werden, als welches, selbst eine einfache Bestimmung, wohl
unbestritten,--die einfachste Analyse zeigt dieß,--jene beiden
Bestimmungen als Momente enthält. Die Gründlichkeit scheint zu
erfordern, den Anfang, als den Grund, worauf Alles gebaut sey, vor
Allem aus zu untersuchen, ja nicht weiter zu gehen, als bis er sich fest
erwiesen hat, im Gegentheil vielmehr, wenn dieß nicht der Fall
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