Wir Fanden Einen Pfad | Page 4

Christian Morgenstern
Erscheinung,
als Geist der
Sonderheit und der Verneinung,
doch neue Welt erschafft mein
Geisterorden.
"Aus Widerspruch zum unbeirrten Wesen,
aus Irr-tum soll ein
Götterstamm genesen,
der sich aus sich--und nicht aus
euch--entscheidet.
"Der nicht von Anbeginn in Wahrheit wandelt,
der sich die Wahrheit
leidend erst erhandelt,
der sich die Wahrheit handelnd erst erleidet."
Mit-erwacht
Dein Wunsch war immer--fliegen!
Nun naht dir die Erfüllung.
Du wirst den Raum besiegen,
nach jener Weltenthüllung,
die uns zu
Freien machte
vom Schlaf der blinden Runden.
Nun hast du, Mit-Erwachte,
dein Schwingenkleid gefunden!
Mond am Mittag
Der weiße blaue Raum
im Mittagsonnenschein,
getrübt von keinem
Flaum ...
Der weiße Mond allein
geistert in hoher Ferne
der Stern des Eloah,
der sich vom
Sonnensterne
verbannte, um von da
des Logos Licht zu strahlen,
bis daß er selber kam
und in den
dunklen Talen
auf ewig Wohnung nahm ...
Der weite blaue Raum
im Mittagsonnenschein,
getrübt von keinem
Flaum ...
Der weiße Mond allein
geistert in hoher Ferne ...

Nach der Lektüre des Helsingforsers Cyclus 1912
Zur Schönheit führt Dein Werk:
denn Schönheit strömt
zuletzt
durch alle Offenbarung ein,
die es uns gibt. Aus
Menschen-Schmerzlichkeiten
hinauf zu immer höhern Harmonien

entbindest Du das schwindelnde Gefühl,
bis es vereint
mit dem
Zusammenklang
unübersehbarer Verkünder GOTTES
und SEINER
nie gefassten Herrlichkeit
mitschwingt im Liebeslicht
der
Seligkeit ...
Aus Schönheit kommt,
zur Schönheit führt
Dein
Werk.
Nun wohne DU darin
Nun wohne DU darin,
in diesem leeren Hause,
aus dem der Welt
Gebrause
herausfloh und dahin.
Was ist nun noch mein Sinn,--
als daß auf eine Pause
ich einzig
DEINE Klause,
mein Grund und Ursprung bin!
O Nacht ...
O Nacht, du Sternenbronnen,
ich bade Leib und Geist
in deinen
tausend Sonnen--
O Nacht, die mich umfleußt
mit Offenbarungswonnen,
ergib mir,
was du weißt!
O Nacht, du tiefer Bronnen ...
O gib mir Freuden
O gib mir Freuden, nicht mit dem verstrickt,
was ich als niedres Ich
in mir empfinde,
gib solche Freuden mir zum Angebinde
wie Geist
sie Geist, der Seele Seele schickt.
O nicht mehr dieser schalen Freuden Pein,
die doch erkauft nur sind

von fremden--Leiden!
Schenk Herzen mir, die sich für DICH
entscheiden,
so wird auch meines wahrhaft fröhlich sein.
O ihr kleinmütig Volk
O ihr kleinmütig Volk, die ihr vom Heute
nicht loskommt, die ihr
meint: so ist es, war es
und wird es sein, so lange Menschen leben--.
O würdet ihr doch andrer Hoffnung Beute
und lerntet wieder schauen
Offenbares
und Hirn und Herz zu höchstem Ziel erheben!
O wie gerne lern ich Milde
O wie gerne lern ich Milde,
liebes Herz, von deinem Munde,
folge
dir in stillem Bunde
in geläuterte Gefilde!
Und wir schaun zurück zusammen
auf die Welt, samt ihrem Schelten,

und anstatt sie zu verdammen,
lassen wir sie gehn und gelten.
Sieh nicht
I
Sieh nicht, was andre tun,
der andern sind so viel,
du kommst nur in
ein Spiel,
das nimmermehr wird ruhn.
Geh einfach Gottes Pfad,
laß nichts sonst Führer sein,
so gehst du
recht und grad,
und gingst du ganz allein.
II
Verlange nichts von irgendwem,
laß jedermann sein Wesen,
du bist
von irgendwelcher Fehm
zum Richter nicht erlesen.
Tu still dein Werk und gib der Welt
allein von deinem Frieden,
und
hab dein Sach auf nichts gestellt
und niemanden hienieden.

Stör' nicht den Schlaf der liebsten Frau
Stör' nicht den Schlaf der liebsten Frau, mein Licht!
Stör' ihren zarten,
zarten Schlummer nicht.
Wie ist sie ferne jetzt. Und doch so nah.
Ein Flüstern--und sie wäre
wieder da.
Sei still, mein Herz, sei stiller noch, mein Mund,
mit Engeln redet
wohl ihr Geist zur Stund.
Von zwei Rosen ...
Von zwei Rosen
duftet eine
anders, als die
andre Rose.
Von zwei Engeln
mag so einer
anders, als der
andre schön sein.
So in unzählbaren
zarten
Andersheiten
mag der Himmel,
mag des Vaters
Göttersöhnereich
seraphisch
abgestuft sein ...
Was klagst du an
Was klagst du an
die böse Welt
um das und dies?
bist du ein
Mann,
der niemals Spelt
ins Feuer blies?
Hat Haß und Harm
und Wahn und Sucht
dich nie verführt,
daß
blind dein Arm
der Flammen Flucht
noch mehr geschürt?
Was dünkst du dich
des unteilhaft,
was Weltbrand nährt!
Zuerst
zerbrich
die Leidenschaft,
die dich noch schwärt.
In dich hinein
nimm allen Zwist,
der Welt sorg nit;
je wie du rein

von Schlacke bist,
wird sie es mit.
Wasserfall bei Nacht

I
Ruhe, Ruhe, tiefe Ruhe.
Lautlos schlummern Menschen, Tiere.
Nur
des Gipfels Gletschertruhe
schüttet talwärts ihre
Wasser.
Geisterstille, Geisterfülle,
öffnet Eure Himmelsschranke!
Bleibe
schlafend, liebe Hülle,
schwebt, Empfindung und Gedanke,

aufwärts!
Aufwärts in die Geisterhallen
taste dich, mein höher Wesen!
Laß
des Lebens Schleier fallen,
Koste, seingenesen,
Freiheit!
II
Unablässig Sinken
weißer Wogenwucht,
laß mich, deine Bucht,

dein Geheimnis trinken.
Engel wölken leise
aus der Wasser Schoß,
lösen groß sich los

nach Dämonenweise.
Strahlen bis zum bleichen
Mond der Häupter Firn ...
Und auf
Schläfer-Stirn
malen sie das Zeichen ...
Taufen gern Erhörten
mit der Weisheit Tau.
Und von ferner Schau

dämmert dem Enttörten.
Wer vom Ziel nicht weiß
Wer vom Ziel nicht weiß,
kann den Weg nicht haben,
wird im
selben Kreis
all sein Leben traben;
kommt am Ende hin,
wo er
hergerückt,
hat der Menge Sinn
nur noch mehr zerstückt.
Wer vom Ziel nichts kennt,
kann's doch heut erfahren;
wenn es ihn
nur brennt
nach dem Göttlich-Wahren;
wenn in Eitelkeit
er nicht
ganz versunken
und vom Wein der Zeit
nicht bis oben trunken.

Denn zu fragen ist
nach den stillen Dingen,
und zu wagen ist,
will
man Licht erringen:
wer nicht suchen kann,
wie nur je ein Freier,

bleibt im Trugesbann
siebenfacher Schleier.
Wie macht' ich mich von DEINEM Zauber los
Wie macht' ich mich von DEINEM Zauber los
und tauchte wieder
nieder in die Tiefe
und stiege wieder in des Dunkels Schoß,
wenn
nicht
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