mit den
Vornehmsten umgeht, zur Pflicht wird, sich selbst einen vornehmen
Anstand zu geben, indem dieser Anstand, da ihm weder Tür noch Tor
verschlossen ist, zu einem freien Anstand wird, da er mit seiner Figur,
mit seiner Person, es sei bei Hofe oder bei der Armee, bezahlen muß:
so hat er Ursache, etwas auf sie zu halten und zu zeigen, daß er etwas
auf sie hält. Eine gewisse feierliche Grazie bei gewöhnlichen Dingen,
eine Art von leichtsinniger Zierlichkeit bei ernsthaften und wichtigen
kleidet ihn wohl, weil er sehen läßt, daß er überall im Gleichgewicht
steht. Er ist eine öffentliche Person, und je ausgebildeter seine
Bewegungen, je sonorer seine Stimme, je gehaltner und gemessener
sein ganzes Wesen ist, desto vollkommner ist er. Wenn er gegen Hohe
und Niedre, gegen Freunde und Verwandte immer ebenderselbe bleibt,
so ist nichts an ihm auszusetzen, man darf ihn nicht anders wünschen.
Er sei kalt, aber verständig; verstellt, aber klug. Wenn er sich äußerlich
in jedem Momente seines Lebens zu beherrschen weiß, so hat niemand
eine weitere Forderung an ihn zu machen, und alles übrige, was er an
und um sich hat, Fähigkeit, Talent, Reichtum, alles scheinen nur
Zugaben zu sein.
Nun denke dir irgendeinen Bürger, der an jene Vorzüge nur einigen
Anspruch zu machen gedächte; durchaus muß es ihm mißlingen, und er
müßte desto unglücklicher werden, je mehr sein Naturell ihm zu jener
Art zu sein Fähigkeit und Trieb gegeben hätte.
Wenn der Edelmann im gemeinen Leben gar keine Grenzen kennt,
wenn man aus ihm Könige oder königähnliche Figuren erschaffen kann,
so darf er überall mit einem stillen Bewußtsein vor seinesgleichen
treten; er darf überall vorwärtsdringen, anstatt daß dem Bürger nichts
besser ansteht als das reine, stille Gefühl der Grenzlinie, die ihm
gezogen ist. Er darf nicht fragen: "Was bist du?" sondern nur: "Was
hast du? welche Einsicht, welche Kenntnis, welche Fähigkeit, wieviel
Vermögen?" Wenn der Edelmann durch die Darstellung seiner Person
alles gibt, so gibt der Bürger durch seine Persönlichkeit nichts und soll
nichts geben. Jener darf und soll scheinen; dieser soll nur sein, und was
er scheinen will, ist lächerlich oder abgeschmackt. Jener soll tun und
wirken, dieser soll leisten und schaffen; er soll einzelne Fähigkeiten
ausbilden, um brauchbar zu werden, und es wird schon vorausgesetzt,
daß in seinem Wesen keine Harmonie sei noch sein dürfe, weil er, um
sich auf eine Weise brauchbar zu machen, alles übrige vernachlässigen
muß.
An diesem Unterschiede ist nicht etwa die Anmaßung der Edelleute
und die Nachgiebigkeit der Bürger, sondern die Verfassung der
Gesellschaft selbst schuld; ob sich daran einmal etwas ändern wird und
was sich ändern wird, bekümmert mich wenig; genug, ich habe, wie die
Sachen jetzt stehen, an mich selbst zu denken und wie ich mich selbst
und das, was mir ein unerläßliches Bedürfnis ist, rette und erreiche.
Ich habe nun einmal gerade zu jener harmonischen Ausbildung meiner
Natur, die mir meine Geburt versagt, eine unwiderstehliche Neigung.
Ich habe, seit ich dich verlassen, durch Leibesübung viel gewonnen; ich
habe viel von meiner gewöhnlichen Verlegenheit abgelegt und stelle
mich so ziemlich dar. Ebenso habe ich meine Sprache und Stimme
ausgebildet, und ich darf ohne Eitelkeit sagen, daß ich in
Gesellschaften nicht mißfalle. Nun leugne ich dir nicht, daß mein Trieb
täglich unüberwindlicher wird, eine öffentliche Person zu sein und in
einem weitern Kreise zu gefallen und zu wirken. Dazu kömmt meine
Neigung zur Dichtkunst und zu allem, was mit ihr in Verbindung steht,
und das Bedürfnis, meinen Geist und Geschmack auszubilden, damit
ich nach und nach auch bei dem Genuß, den ich nicht entbehren kann,
nur das Gute wirklich für gut, und das Schöne für schön halte. Du
siehst wohl, daß das alles für mich nur auf dem Theater zu finden ist
und daß ich mich in diesem einzigen Elemente nach Wunsch rühren
und ausbilden kann. Auf den Brettern erscheint der gebildete Mensch
so gut persönlich in seinem Glanz als in den obern Klassen; Geist und
Körper müssen bei jeder Bemühung gleichen Schritt gehen, und ich
werde da so gut sein und scheinen können als irgend anderswo. Suche
ich daneben noch Beschäftigungen, so gibt es dort mechanische
Quälereien genug, und ich kann meiner Geduld tägliche übung
verschaffen.
Disputiere mit mir nicht darüber; denn eh du mir schreibst, ist der
Schritt schon geschehen. Wegen der herrschenden Vorurteile will ich
meinen Namen verändern, weil ich mich ohnehin schäme, als Meister
aufzutreten. Lebe wohl. Unser Vermögen ist in so guter Hand, daß ich
mich darum gar nicht bekümmere; was ich brauche, verlange ich
gelegentlich von dir; es wird nicht viel sein, denn ich hoffe, daß mich
meine Kunst auch nähren soll."
Der Brief war kaum abgeschickt, als Wilhelm auf der Stelle Wort hielt
und zu Serlos und der übrigen großen Verwunderung sich auf einmal
erklärte: daß er sich zum Schauspieler widme und einen Kontrakt auf
billige Bedingungen eingehen wolle. Man war
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