findest du nach
langer Zeit deinen Freund wieder, so siehst du ihn schon als eine Ware,
als einen Gegenstand deiner Spekulation an, mit dem sich etwas
gewinnen läßt."
Jarno und der Abbe schienen über diese Erkennung keinesweges
verwundert und ließen beide Freunde sich nach Belieben über das
Vergangene und Gegenwärtige ausbreiten. Werner ging um seinen
Freund herum, drehte ihn hin und her, so daß er ihn fast verlegen
machte. "Nein! nein!" rief er aus, "so was ist mir noch nicht
vorgekommen, und doch weiß ich wohl, daß ich mich nicht betriege.
Deine Augen sind tiefer, deine Stirn ist breiter, deine Nase feiner und
dein Mund liebreicher geworden. Seht nur einmal, wie er steht! wie das
alles paßt und zusammenhängt! Wie doch das Faulenzen gedeihet! Ich
armer Teufel dagegen"--er besah sich im Spiegel--"wenn ich diese Zeit
her nicht recht viel Geld gewonnen hätte, so wäre doch auch gar nichts
an mir."
Werner hatte Wilhelms letzten Brief nicht empfangen; ihre Handlung
war das fremde Haus, mit welchem Lothario die Güter in Gemeinschaft
zu kaufen die Absicht hatte. Dieses Geschäft führte Wernern hierher; er
hatte keine Gedanken, Wilhelmen auf seinem Wege zu finden. Der
Gerichtshalter kam, die Papiere wurden vorgelegt, und Werner fand die
Vorschläge billig. "Wenn Sie es mit diesem jungen Manne, wie es
scheint, gut meinen", sagte er, "so sorgen Sie selbst dafür, daß unser
Teil nicht verkürzt werde; es soll von meinem Freunde abhängen, ob er
das Gut annehmen und einen Teil seines Vermögens daran wenden
will." Jarno und der Abbe versicherten, daß es dieser Erinnerung nicht
bedürfe. Man hatte die Sache kaum im allgemeinen verhandelt, als
Werner sich nach einer Partie L'hombre sehnte, wozu sich denn auch
gleich der Abbe und Jarno mit hinsetzten; er war es nun einmal so
gewohnt, er konnte des Abends ohne Spiel nicht leben.
Als die beiden Freunde nach Tische allein waren, befragten und
besprachen sie sich sehr lebhaft über alles, was sie sich mitzuteilen
wünschten. Wilhelm rühmte seine Lage und das Glück seiner
Aufnahme unter so trefflichen Menschen. Werner dagegen schüttelte
den Kopf und sagte: "Man sollte doch auch nichts glauben, als was man
mit Augen sieht! Mehr als ein dienstfertiger Freund hat mir versichert,
du lebtest mit einem liederlichen jungen Edelmann, führtest ihm
Schauspielerinnen zu, hälfest ihm sein Geld durchbringen und seiest
schuld, daß er mit seinen sämtlichen Anverwandten gespannt sei."--"Es
würde mich um meinet- und um der guten Menschen willen verdrießen,
daß wir so verkannt werden", versetzte Wilhelm, "wenn mich nicht
meine theatralische Laufbahn mit jeder übeln Nachrede versöhnt hätte.
Wie sollten die Menschen unsere Handlungen beurteilen, die ihnen nur
einzeln und abgerissen erscheinen, wovon sie das wenigste sehen, weil
Gutes und Böses im verborgenen geschieht und eine gleichgültige
Erscheinung meistens nur an den Tag kommt. Bringt man ihnen doch
Schauspieler und Schauspielerinnen auf erhöhte Bretter, zündet von
allen Seiten Licht an, das ganze Werk ist in wenig Stunden
abgeschlossen, und doch weiß selten jemand eigentlich, was er daraus
machen soll."
Nun ging es an ein Fragen nach der Familie, nach den Jugendfreunden
und der Vaterstadt. Werner erzählte mit großer Hast alles, was sich
verändert hatte und was noch bestand und geschah. "Die Frauen im
Hause", sagte er, "Sind vergnügt und glücklich, es fehlt nie an Geld.
Die eine Hälfte der Zeit bringen sie zu, sich zu putzen, und die andere
Hälfte, sich geputzt sehen zu lassen. Haushälterisch sind sie soviel, als
billig ist. Meine Kinder lassen sich zu gescheiten Jungen an. Ich sehe
sie im Geiste schon sitzen und schreiben und rechnen, laufen, handeln
und trödeln; einem jeden soll so bald als möglich ein eignes Gewerbe
eingerichtet werden, und was unser Vermögen betrifft, daran sollst du
deine Lust sehen. Wenn wir mit den Gütern in Ordnung sind, mußt du
gleich mit nach Hause: denn es sieht doch aus, als wenn du mit einiger
Vernunft in die menschlichen Unternehmungen eingreifen könntest.
Deine neuen Freunde sollen gepriesen sein, da sie dich auf den rechten
Weg gebracht haben. Ich bin ein närrischer Teufel und merke erst, wie
lieb ich dich habe, da ich mich nicht satt an dir sehen kann, daß du so
wohl und so gut aussiehst. Das ist doch noch eine andere Gestalt als das
Porträt, das du einmal an die Schwester schicktest und worüber im
Hause großer Streit war. Mutter und Tochter fanden den jungen Herrn
allerliebst mit offnem Halse, halbfreier Brust, großer Krause,
herumhängendem Haar, rundem Hut, kurzem Westchen und
schlotternden langen Hosen, indessen ich behauptete, das Kostüm sei
nur noch zwei Finger breit vom Hanswurst. Nun siehst du doch aus wie
ein Mensch, nur fehlt der Zopf, in den ich deine Haare einzubinden
bitte, sonst hält man dich denn doch einmal unterwegs als Juden an und
fordert Zoll und Geleite von dir."
Felix war indessen in die Stube gekommen und hatte sich, als man auf
ihn nicht achtete, aufs Kanapee gelegt
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