Wilhelm Meisters Lehrjahre | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
was ihnen Gutes t?glich begegnete.
Wir h?tten auch noch lange, vielleicht bis wieder Weihnachten, warten m��ssen, h?tte nicht der Erbauer und heimliche Direktor des Schauspiels selbst Lust gef��hlt, die Vorstellung zu wiederholen und dabei in einem Nachspiele einen ganz frisch fertig gewordenen Hanswurst zu produzieren.
Ein junger Mann von der Artillerie, mit vielen Talenten begabt, besonders in mechanischen Arbeiten geschickt, der dem Vater w?hrend des Bauens viele wesentliche Dienste geleistet hatte und von ihm reichlich beschenkt worden war, wollte sich am Christfeste der kleinen Familie dankbar erzeigen und machte dem Hause seines G?nners ein Geschenk mit diesem ganz eingerichteten Theater, das er ehmals in m��?igen Stunden zusammengebaut, geschnitzt und gemalt hatte. Er war es, der mit H��lfe eines Bedienten selbst die Puppen regierte und mit verstellter Stimme die verschiedenen Rollen hersagte. Ihm ward nicht schwer, den Vater zu bereden, der einem Freunde aus Gef?lligkeit zugestand, was er seinen Kindern aus ��berzeugung abgeschlagen hatte. Genug, das Theater ward wieder aufgestellt, einige Nachbarskinder gebeten und das St��ck wiederholt.
Hatte ich das erstemal die Freude der ��berraschung und des Staunens, so war zum zweiten Male die Wollust des Aufmerkens und Forschens gro?. Wie das zugehe, war jetzt mein Anliegen. Da? die Puppen nicht selbst redeten, hatte ich mir schon das erstemal gesagt; da? sie sich nicht von selbst bewegten, vermutete ich auch; aber warum das alles doch so h��bsch war und es doch so aussah, als wenn sie selbst redeten und sich bewegten, und wo die Lichter und die Leute sein m?chten, diese R?tsel beunruhigten mich um desto mehr, je mehr ich w��nschte, zugleich unter den Bezauberten und Zauberern zu sein, zugleich meine H?nde verdeckt im Spiel zu haben und als Zuschauer die Freude der Illusion zu genie?en.
Das St��ck war zu Ende, man machte Vorbereitungen zum Nachspiel, die Zuschauer waren aufgestanden und schwatzten durcheinander. Ich dr?ngte mich n?her an die T��re und h?rte inwendig am Klappern, da? man mit Aufr?umen besch?ftigt sei. Ich hub den untern Teppich auf und guckte zwischen dem Gestelle durch. Meine Mutter bemerkte es und zog mich zur��ck; allein ich hatte doch soviel gesehen, da? man Freunde und Feinde, Saul und Goliath und wie sie alle hei?en mochten, in einen Schiebkasten packte, und so erhielt meine halbbefriedigte Neugierde frische Nahrung. Dabei hatte ich zu meinem gr??ten Erstaunen den Lieutenant im Heiligtume sehr gesch?ftig erblickt. Nunmehr konnte mich der Hanswurst, sosehr er mit seinen Abs?tzen klapperte, nicht unterhalten. Ich verlor mich in tiefes Nachdenken und war nach dieser Entdeckung ruhiger und unruhiger als vorher. Nachdem ich etwas erfahren hatte, kam es mir erst vor, als ob ich gar nichts wisse, und ich hatte recht: denn es fehlte mir der Zusammenhang, und darauf kommt doch eigentlich alles an."

I. Buch, 5. Kapitel

F��nftes Kapitel
"Die Kinder haben", fuhr Wilhelm fort, "in wohleingerichteten und geordneten H?usern eine Empfindung, wie ungef?hr Ratten und M?use haben m?gen: sie sind aufmerksam auf alle Ritzen und L?cher, wo sie zu einem verbotenen Naschwerk gelangen k?nnen; sie genie?en es mit einer solchen verstohlnen, woll��stigen Furcht, die einen gro?en Teil des kindischen Gl��cks ausmacht.
Ich war vor allen meinen Geschwistern aufmerksam, wenn irgend ein Schl��ssel steckenblieb. Je gr??er die Ehrfurcht war, die ich f��r die verschlossenen T��ren in meinem Herzen herumtrug, an denen ich wochen- und monatelang vorbeigehen mu?te und in die ich nur manchmal, wenn die Mutter das Heiligtum ?ffnete, um etwas herauszuholen, einen verstohlnen Blick tat, desto schneller war ich, einen Augenblick zu benutzen, den mich die Nachl?ssigkeit der Wirtschafterinnen manchmal treffen lie?.
Unter allen T��ren war, wie man leicht erachten kann, die T��re der Speisekammer diejenige, auf die meine Sinne am sch?rfsten gerichtet waren. Wenig ahnungsvolle Freuden des Lebens glichen der Empfindung, wenn mich meine Mutter manchmal hineinrief, um ihr etwas heraustragen zu helfen, und ich dann einige ged?rrte Pflaumen entweder ihrer G��te oder meiner List zu danken hatte. Die aufgeh?uften Sch?tze ��bereinander umfingen meine Einbildungskraft mit ihrer F��lle, und selbst der wunderliche Geruch, den so mancherlei Spezereien durcheinander aushauchten, hatte so eine leckere Wirkung auf mich, da? ich niemals vers?umte, sooft ich in der N?he war, mich wenigstens an der er?ffneten Atmosph?re zu weiden. Dieser merkw��rdige Schl��ssel blieb eines Sonntagmorgens, da die Mutter von dem Gel?ute ��bereilt ward und das ganze Haus in einer tiefen Sabbatstille lag, stecken. Kaum hatte ich es bemerkt, als ich etlichemal sachte an der Wand hin- und herging, mich endlich still und fein andr?ngte, die T��re ?ffnete und mich mit einem Schritt in der N?he so vieler langgew��nschter Gl��ckseligkeit f��hlte. Ich besah K?sten, S?cke, Schachteln, B��chsen, Gl?ser mit einem schnellen, zweifelnden Blicke, was ich w?hlen und nehmen sollte, griff endlich nach den vielgeliebten gewelkten Pflaumen, versah mich mit einigen getrockneten ?pfeln und nahm gen��gsam noch eine eingemachte Pomeranzenschale dazu: mit welcher Beute ich meinen Weg wieder r��ckw?rtsglitschen wollte, als mir ein paar nebeneinander stehende Kasten in die Augen fielen, aus deren einem Dr?hte, oben mit H?kchen versehen,
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