Wie es euch gefallt | Page 8

William Shakespeare
Fürst, Das
arme Tier stieß solche Seufzer aus, Daß jedesmal sein ledern Kleid sich
dehnte Zum Bersten fast, und dicke runde Tränen Längs der
unschuldgen Nase liefen kläglich Einander nach; und der behaarte Narr,
Genau bemerkt vom melancholschen Jacques, Stand so am letzten

Rand des schnellen Bachs, Mit Tränen ihn vermehrend.
Herzog. Nun, und Jacques? Macht er dies Schauspiel nicht zur
Sittenpredigt?
Erster Edelmann. O ja, in tausend Gleichnissen. Zuerst Das Weinen in
den unbedürftgen Strom: "Ach, armer Hirsch!" so sagt' er, "wie der
Weltling Machst du dein Testament: gibst dem den Zuschuß, Der schon
zuviel hat."--Dann, weil er allein Und von den samtnen Freunden war
verlassen: "Recht!" sagt' er, "so verteilt das Elend stets Des Umgangs
Flut."--Alsbald ein Rudel Hirsche, Der Weide voll, sprang sorglos an
ihm hin, Und keiner stand zum Gruße. "Ja", rief Jacques, "Streift hin,
ihr fetten, wohlgenährten Bürger! So ist die Sitte eben; warum schaut
ihr Nach dem bankrotten, armen Schelme da?" Auf diese Art
durchbohrt er schmähungsvoll Den Kern vom Lande, Stadt und Hof, ja
selbst Von diesem unserm Leben; schwört, daß wir Nichts als
Tyrannen, Räuber, Schlimmres noch, Weil wir die Tiere schrecken, ja
sie töten In ihrem eignen heimatlichen Sitz.
Herzog. Und ließet ihr in der Betrachtung ihn?
Erster Edelmann. Ja, gnädger Herr, beweinend und besprechend Das
schluchzende Geschöpf.
Herzog. Zeigt mir den Ort, Ich lasse gern in diesen düstern Launen
Mich mit ihm ein; er ist dann voller Sinn.
Erster Edelmann. Ich will Euch zu ihm bringen.
(Ab.)

Zweite Szene
Ein Zimmer im Palaste
(Herzog Friedrich, Herren vom Hofe und Gefolge treten auf)
Herzog Friedrich. Ist es denn möglich, daß sie niemand sah? Es kann
nicht sein! nein, Schurken hier am Hof Sind im Verständnis mit und
gaben's zu.
Erster Edelmann. Ich hörte nicht, daß irgendwer sie sah. Die Fraun im
Dienste ihrer Kammer brachten Sie in ihr Bett und fanden morgens früh
Das Bett von ihrem Fräulein ausgeleert.
Zweiter Edelmann. Mein Herzog, der Hanswurst, den Euer Hoheit Oft
zu belachen pflegt', wird auch vermißt. Hesperia, der Prinzessin
Kammerfräulein, Bekennt, sie habe insgeheim belauscht, Wie Eure
Nicht' und Tochter überaus Geschick und Anstand jenes Ringers lobten,

Der jüngst den nervgen Charles darniederwarf; Sie glaubt, wohin sie
auch gegangen sind, Der Jüngling sei gewißlich ihr Begleiter.
Herzog Friedrich. Schickt hin zum Bruder, holt den Braven her; Ist der
nicht da, bringt mir den Bruder selbst: Der soll ihn mir schon finden.
Tut dies schnell; Laßt Nachsuchung und Forschen nicht ermatten, Die
törichten Verlaufnen heimzubringen.
(Ab.)

Dritte Szene
Vor Olivers Hause
(Orlando und Adam begegnen sich)
Orlando. Wer ist da?
Adam. Was? Ihr, mein junger Herr?--O edler Herr! O mein geliebter
Herr! O Ihr, Gedächtnis Des alten Roland! Sagt, was macht Ihr hier?
Weswegen übt Ihr Tugend? schafft Euch Liebe? Und warum seid Ihr
edel, stark und tapfer? Was wart Ihr so erpicht, den stämmgen Kämpfer
Des launenhaften Herzogs zu bezwingen? Eur Ruhm kam allzu schnell
vor Euch nach Haus. Wißt Ihr nicht, Junker, daß gewissen Leuten All
ihre Gaben nur als Feinde dienen? So, bester Herr, sind Eure Tugenden
An Euch geweihte, heilige Verräter. O welche Welt ist dies, wenn das,
was herrlich, Den, der es hat, vergiftet!
Orlando. Nun denn, was gibt's?
Adam. Oh, unglückselger Jüngling! Geht durch dies Tor nicht; unter
diesem Dach Lebt aller Eurer Trefflichkeiten Feind: Eur Bruder--nein,
kein Bruder, doch der Sohn-- Nein, nicht der Sohn; ich will nicht Sohn
ihn nennen Des, den ich seinen Vater heißen wollte-- Hat Euer Lob
gehört und denkt zu Nacht Die Wohnung zu verbrennen, wo Ihr liegt,
Und Euch darinnen. Schlägt ihm dieses fehl, So sucht er andre Weg,
Euch umzubringen; Ich habe ihn belauscht und seinen Anschlag. Kein
Wohnort ist dies Haus, 'ne Mördergrube; Verabscheut, fürchtet es, geht
nicht hinein.
Orlando. Sag, wohin willst du, Adam, daß ich gehe?
Adam. Gleichviel wohin, ist es nur hieher nicht.
Orlando. Was? willst du, daß ich gehn und Brot soll betteln? Wohl gar
mit schnödem, tollem Schwert erzwingen Als Straßenräuber meinen
Unterhalt? Das muß ich tun, sonst weiß ich nichts zu tun; Doch will ich
dies nicht, komme, was da will. Ich setze mich der Bosheit lieber aus

Des abgefallnen Bluts und blutgen Bruders.
Adam. Nein, tut das nicht! ich hab fünfhundert Kronen, Sorgsam
ersparten Lohn von Eurem Vater; Ich legt ihn bei, mein Pfleger dann zu
sein, Wann mir der Dienst erlahmt in schwachen Gliedern Und man das
Alter in die Ecke wirft. Nehmt das, und der die jungen Raben füttert, Ja,
sorgsam für den Sperling Vorrat häuft, Sei meines Alters Trost! Hier ist
das Gold; Nehmt alles, laßt mich Euren Diener sein. Seh ich gleich alt,
bin ich doch stark und rüstig; Denn nie in meiner Jugend mischt ich mir
Heiß und aufrührerisch Getränk ins Blut. Noch ging ich je mit
unverschämter Stirn Den Mitteln nach zu Schwäch und Unvermögen.
Drum
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