Weh dem, der Lügt! | Page 4

Franz Grillparzer
ich gelogen, war's zu gutem Zweck.
Gregor. Was wei?t du schwacher Wurm von Zweck und Enden? Der oben wird's zu seinem Ziele wenden. Du sollst die Wahrheit reden, frecher Bursch!
Leon. Nun also: ich h?tt's, Herr, bezahlt für Euch. Wozu so viel Geschrei? Ich tu's nicht wieder. H?tt' ich mein Tag geglaubt, da? so was Sünde!
Gregor. Geh jetzt!
Leon. So lebt denn wohl! (Er geht, kehrt aber gleich wieder um.) Doch noch ein Wort! Zürnt nicht, ich kann wahrhaftiglich nicht anders. So 'n Herr, so brav, da? selbst die kleinste Lüge, Ein Notbehelf ihn aufbringt--Zürnet nicht! Ich rede ja den Lügen nicht das Wort, Ich meine nur--Da? so ein wackrer Herr-- Es mu? heraus! da? so ein Herr--pfui geizig! Was hat denn Geld so Sch?n's, da? Ihr's so liebt?
Gregor. Wie kommst du darauf?
Leon Würd'ger Herr, mit Gunst! Ich sah Euch einen Sack mit Pfennig' küssen, Der oben steht im Winkel Eurer Truhe, Und hier spart Ihr Euch ab, um dort zu sammeln? Nennt Ihr das recht? Seht Ihr, so sind wir wett.
Gregor. Das also war's?
Leon. Ja das. Und nicht blo? ich, Auch andre Leute nehmen das Euch übel, Und seht, das kr?nkt mich, Euern treuen Diener.
Gregor. Da, seh ich, wird Rechtfertigung zur Pflicht. Ein Seelenhirt soll gutes Beispiel geben, Und nimmer komme ?rgernis durch mich. Setz dich und h?re, wie ich mich verteid'ge.
Leon. Je Herr!
Gregor. Ich sage: setze dich!
Leon. Nun, hier denn. (Er setzt sich auf die Erde vor dem Bischof nieder.)
Gregor. Dich hat ge?rgert, da? ich Spargut h?ufe, Das Geld gekü?t, das ich mir abgedarbt. H?r zu! Vielleicht, da? du mich dann entschuldigst. Als man, es ist jetzt übers Jahr, den Frieden, Den langersehnten, schlo? mit den Barbaren Jenseits des Rheins, da gab und nahm man Geisel, Sich wechselseits mi?trauend, und mit Recht. Mein Neffe, meiner einzigen Schwester Sohn, Mein Atalus, war in der Armen Zahl, Die, aus dem Kreis der Ihren losgerissen, Verbürgen sollten den erlognen Frieden. Kaum war er angelangt bei seinen Hütern Im Rheingau, über Trier weit hinaus, Wo noch die Roheit, die hier Schein umkleidet, In erster Bl??e Mensch und Tier vermengt, Kaum war er dort, so brach der Krieg von neuem, Durch Treubruch aufgestachelt, wieder los, Und beide Teile r?chen an den Geiseln, Den schuldlos Armen, ihrer Gegner Schuld. So liegt mein Atalus nun hart gefangen, Mu? Sklavendienst verrichten seinem Herrn.
Leon. Ach je, da? Gott!
Gregor. Ich hab um L?sung mich verwendet. Doch fordern seine Hüter hundert Pfund An guter Münze fr?nkischen Gepr?gs. Und so viel hab ich nicht.
Leon. Ihr scherzt doch nur, Denn dreimal hundert Pfund, und wohl noch drüber, Zinst ihrem Vorstand Langres' Kirchgemeine.
Gregor. Das ist das Gut der Armen und nicht meins. Dem Bischof gab man, da? er geben k?nne, Des Kirchenguts Verwalter, nicht sein Herr. Doch Kleidung, Nahrung und des Leibes Notdurft, Das mag der Bischof fordern, wie ein andrer, Und was er dran erspart, ist sein vielleicht. Vielleicht; vielleicht auch nicht. Ich hab's gewagt zu deuten. Sooft ich nun ein armes Silberstück Von meinem Teil erspart, leg ich's beiseite, Wie du gesehn, und mag's auch manchmal küssen, Wie du mir vorwirfst; denn es ist das L?sgeld Für meinen Atalus, für meinen Sohn.
Leon (aufspringend). Und ist schon viel im Sack?
Gregor. Schon bei zehn Pfund.
Leon. Und hundert soll er gelten? Herr, mit Gunst! Da m?gt Ihr lange sparen, bis es reicht. Indes qu?lt man den armen Herrn zu Tod.
Gregor. Ich fürchte, du hast recht.
Leon. Je, Herr, das geht nicht. Das mu? man anders packen, lieber Herr. H?tt' ich zehn Bursche nur gleich mir, beim Teufel!-- Bei Gott! Herr, wollt' ich sagen--ich befreit' ihn. Und so auch, ich allein. W?r' ich nur dort, Wo er in Haft liegt!--Herr, was gebt Ihr mir?-- Das ist 'ne Redensart, ich fordre keinen Lohn.-- Was gebt Ihr mir, wenn ich ihn Euch befreie? W?r' ich nur dort, ich l?g' ihn schon heraus.
Gregor. Weh dem, der lügt!
Leon. Ja so? Nu, Herr, mit Gunst! Um Gotteswillen gibt man ihn nicht frei. Da bleibt nichts übrig, als: wir reden Wahrheit, Und er bleibt, wo er ist. Verzeiht! und Gott befohlen! Ich hab's nicht schlimm gemeint. (Er geht.)
Gregor. Du Vater aller, In deine Hand befehl ich meinen Sohn!
Leon (umkehrend). Ach Herr, verzeiht! es fuhr mir so heraus. Wei? man doch kaum, wie man mit Euch zu sprechen. Ich hatte fast ein Pl?nchen ausgedacht, Den dummen Teufeln im Barbarenland, Des Neffen Hütern, seht, eins aufzuheften Und ihn wohl gar, wenn's gut geht, zu befrein. Doch Wahrheit, Herr--
Gregor. Du sollst nicht f?lschlich zeugen, Hat Gott der Herr im Donnerhall gesprochen.
Leon. Allein bedenkt--!
Gregor. Weh dem, der lügt!
Leon. Und wenn nun Euer Neffe drob vergeht?
Gregor. So mag er sterben, und ich sterbe mit.
Leon. Ach, das ist kl?glich! Was habt Ihr gemacht? Ich bin nun auch in Haft, geplagt, geschlagen, Kann nimmer ruhn, nicht essen, trinken, schlafen, Solang das zarte Herrlein Euch entwandt. Bei Trier, sagt Ihr, liegt er;
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