Weh dem, der Lügt! | Page 3

Franz Grillparzer
Du bist kein Tier, denn das ist wahr; Kein Wolf, kein Drach', kein Stein, kein Schierlingsgift: Ein Teufel bist du, der allein ist Lügner, Und du ein Teufel, insofern du lügst. Drum la?t uns wahr sein, vielgeliebte Brüder, Und euer Wort sei ja und nein auf immer.
So züchtig' ich mich selbst für meinen Stolz. Denn w?r' ich wahr gewesen, als der K?nig Mich jüngst gefragt, ob etwas ich bedürfe, Und h?tt' ich L?sung mir erbeten für mein Kind, Er w?r' nun frei, und ruhig w?r' mein Herz. Doch weil ich zürnte, freilich guten Grunds, Versetzt' ich: Herr, nicht ich bedarf dein Gut; Den Schmeichlern gib's, die sonst dein Land bestehlen. Da wandt' er sich im Grimme von mir ab, Und fort in Ketten schmachtet Atalus. (Er setzt sich ersch?pft auf eine Rasenbank.)
Leon (kommt von der Seite). Hat's Müh' gebraucht, dem Alten zu entkommen! Da sitzt der Herr. Da? Gott! Mit blo?em Haupt. Erst i?t er nicht, dann in die Frühlingsluft, Die rauh und kalt, noch nüchtern wie er ist. Er bringt sich selbst ums Leben. Ja, wei? Gott, Blieb' ich in seinem Dienst, ich kauft' 'ne Mütz' Und würf' sie ihm in Weg, da? er sie f?nde Und sich das Haupt bedeckte; denn er selbst, Er g?nnt sich's nicht. Pfui, alle Knauserei! Er sieht mich nicht. Ich red ihn an, sonst kehrt Herr Sigrid wieder, und es ist vorbei. Ehrwürd'ger Herr!
Gregor. Rufst du, mein Atalus?
Leon. Ich, Herr.
Gregor. Wer bist du?
Leon. Ei, Leon bin ich, Leon der Küchenjunge, oder gar wohl Leon der Koch, will's Gott.
Gregor (stark). Ja wohl, wenn Gott will. Denn will er nicht, so liegst du tot, ein Nichts.
Leon. Ei, habt Ihr mich erschreckt!
Gregor. Was willst du?
Leon. Herr--
Gregor. Wo ist die Schürze und dein Messer, Koch? Und wes ist das, so vor mir liegt im Sand?
Leon. Das ist mein Messer, meine Schürze, Herr.
Gregor. Weshalb am Boden?
Leon. Herr, ich warf's im Zorn Von mir.
Gregor. Hast du's im Zorn von dir gelegt, So nimm's in Sanftmut wieder auf.
Leon. Ja, Herr--
Gregor. F?llt's dir zu schwer, so tu ich's, Freund, für dich. (Er bückt sich.)
Leon (zulaufend). Je, würd'ger Herr! O weh! was tut Ihr doch? (Er hebt beides auf.)
Gregor. So! und leg beides an, wie sich's gebührt. Ich mag am Menschen gern ein Zeichen seines Tuns. Wie du vor mir standst vorher, blank und bar, Du konntest auch so gut ein Tagdieb sein, Hinausgehn in den Wald, aufs Feld, auf B?ses. Die Schürze da sagt mir, du seist mein Koch, Und sagt dir's auch. Und so, mein Sohn, nun rede.
Leon. Wei? ich doch kaum, was ich Euch sagen wollte. Ihr macht mich ganz verwirrt.
Gregor. Das wollt' ich nicht. Besinn dich, Freund! War es vielleicht, zu klagen? Die Schürze da am Boden l??t mich's glauben.
Leon. Ja wohl, zu klagen, Herr. Und über Euch.
Gregor. So? über mich? das tu ich, Freund, allt?glich.
Leon. Nicht so, mein Herr, nicht so! Und wieder doch! Allein nicht als Leon, ich klag als Koch, Als Euer Koch, als Euer Diener, Herr: Da? Ihr Euch selber ha?t.
Gregor. Das w?re schlimm! Noch schlimmer Eigenha? als Eigenliebe. Denn hassen soll man nur das V?llig-B?se; Und v?llig-b?s, aufrichtig, Freund, glaub ich mich nicht.
Leon. Ei, was Ihr sprecht! Ihr v?llig b?se, Herr? Ihr v?llig gut, ganz v?llig, bis auf eins.
Gregor. Und dieses eine w?r', da? ich mich hasse?
Leon. Da? Ihr Euch selbst nichts g?nnt, da? Ihr an Euch Abknappt, was Ihr an andre reichlich spendet. Und das kann ich nicht ansehn, ich, Eu'r Koch. Ihr mü?t dereinst am jüngsten Tag vertreten Wohl Eure Seel', ich Euern Leib, von Rechtens, Und darum sprech ich hier in Amt und Pflicht. Seht! essen mu? der Mensch, das wei? ein jeder, Und was er i?t, flie?t ein auf all sein Wesen. E?t Fastenkost und Ihr seid schwachen Sinns, E?t Braten und Ihr fühlet Kraft und Mut. Ein Becher Weins macht fr?hlich und beredt, Ein Wassertrunk bringt allzuviel auf g'nug. Man kann nicht taugen, Herr, wenn man nicht i?t. Ich fühle das an mir, und deshalb red ich. Solang ich nüchtern, bin ich tr?g und dumm, Doch nach dem Frühstück schon kommt Witz und Klugheit, Und ich nehm's auf mit jedem, den Ihr wollt. Seht Ihr?
Gregor. Hast du gegessen heute schon?
Leon. Ei ja!
Gregor. Da? Gott! drum sprichst du gar so klug.
Leon. Ei, klug nun oder unklug, wahr bleibt's doch. Den Braten nur vom Hirschkalb, gestern noch, Zurück mu?t ich ihn schicken, ihn verkaufen, Ein Stückchen Fleisch, wie keins Ihr je gesehn.
Gregor. Er war zu kostbar, Freund, für mich.
Leon. Zu kostbar? Für so 'nen Herrn? Ei seht! Warum nicht gar? Dann h?tt' er Euch so viel als nichts gekostet; Ja, wirklich nichts. Wollt Ihr ihn heute, Herr? Er ist noch da und kostet nichts; denn seht 's ist so--'s ist ein Geschenk von frommen Leuten. Wahrhaftig ein Geschenk.
Gregor. Lügst du?
Leon. Ei was!
Gregor. Weh dem, der lügt!
Leon. Nu, nu!
Gregor. Verwegener!
Leon. Hab
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