befehl ich meinen Sohn!
Leon (umkehrend). Ach Herr, verzeiht! es fuhr mir so heraus. Weiß
man doch kaum, wie man mit Euch zu sprechen. Ich hatte fast ein
Plänchen ausgedacht, Den dummen Teufeln im Barbarenland, Des
Neffen Hütern, seht, eins aufzuheften Und ihn wohl gar, wenn's gut
geht, zu befrein. Doch Wahrheit, Herr--
Gregor. Du sollst nicht fälschlich zeugen, Hat Gott der Herr im
Donnerhall gesprochen.
Leon. Allein bedenkt--!
Gregor. Weh dem, der lügt!
Leon. Und wenn nun Euer Neffe drob vergeht?
Gregor. So mag er sterben, und ich sterbe mit.
Leon. Ach, das ist kläglich! Was habt Ihr gemacht? Ich bin nun auch in
Haft, geplagt, geschlagen, Kann nimmer ruhn, nicht essen, trinken,
schlafen, Solang das zarte Herrlein Euch entwandt. Bei Trier, sagt Ihr,
liegt er; war's nicht so?
Gregor. Ja wohl!
Leon. Wie, Herr, wenn eins zum Feinde ginge, Statt Atalus sich stellte
dem Verhaft?
Gregor. Zu Geiseln wählt man mächt'ger Leute Kinder; Leon bürgt
kaum für sich, wie denn für andre?
Leon. Hm, das begreift sich.--Doch wenn Atalus Ersäh' den Vorteil,
seiner Haft entspränge?
Gregor. Er möcht' es ohne Sünde, denn der Krieg Zählt ihrer
Bürgschaft los des Friedens Geiseln, Und nur mit Unrecht hält man ihn
zurück. Allein wie könnt' ein Jüngling, weich erzogen, Vielleicht zu
weich, in solcher Not sich helfen, Durch wüste Steppen wandern,
Feinden trotzen, Der Not, dem Mangel?--Atalus kann's nicht.
Leon. Doch wenn ein tücht'ger Bursch zu Seit' ihm stände, Ihn zu Euch
brächte, lebend und gesund? Entlaßt mich Eures Diensts!
Gregor. Was sinnest du?
Leon. Ich geh nach Trier.
Gregor. Du?
Leon. Bring Euch den Neffen.
Gregor. Dünkt dir zu scherzen Zeit?
Leon. Vergeb' Euch's Gott! Ich scherzte nicht, drum sollt auch Ihr nicht
scherzen. In vollem Ernst, ich stell Euch Euern Sohn.
Gregor. Und wenn du's wolltest, wenn du's unternähmst, Ins Haus des
Feinds dich schlichest, ihn betrogst, Mißbrauchtest das Vertraun, das
Mensch dem Menschen gönnt, Mit Lügen meinen Atalus befreitest; Ich
würd' ihn von mir stoßen, rück ihn senden Zu neuer Haft; ihm fluchen,
ihm und dir.
Leon. Topp! Herr, auf die Bedingung.--Aber seht, Wenn nicht ein
bißchen Trug uns helfen soll, Was hilft denn sonst?
Gregor (stark). Gott! Mein, dein, aller Gott!
Leon (auf die Knie fallend). O weh, Herr!
Gregor. Was?
Leon. Es blitzte.
Gregor. Wo?
Leon. Mir schien's so.
Gregor. Im Innern hat des Guten Geist geleuchtet, Der Geist des Argen
fiel vor seinem Blitz. Was dir in diesem Augenblicke recht erscheint,
Das tu! Und sei dir selber treu und Gott. Weh dem, der lügt!
Leon (der aufgestanden ist). So gebt Ihr mir Vergünst'gung?
Gregor. Tu, was dir Gott gebeut; vertrau auf ihn! Vertraue, wie ich's
nicht getan, ich nicht, Ich schwacher Sünder nicht. Hier, nimm den
Schlüssel Zum Säckel, der in meiner Truhe liegt.
(Er zieht ihn aus der Brust und will ihn Leon geben, gibt ihn aber dem
Hausverwalter, der zur Seite sichtbar geworden ist und sich damit
entfernt.)
Er hält zehn Pfund, des Neffen Lösegeld, Das ich gespart, den
Darbenden entzogen, Vom Golde hoffend, was nur Gott vermag.
Verteil's den Armen, hilf damit den Kranken. Es soll der Bischof
nimmer Spargut sammeln; Den Hirten setzt man um der Herde wegen,
Der Nutzen ist des Herrn. Leb wohl, mein Sohn! Den Winzer ruft der
Herr in seinen Garten, Die Glocke tönt, und meine Schafe warten. (Ab.)
(Leon steht unbeweglich. Ein Pilger naht.)
Pilger (die Hand ausstreckend). Ein armer Pilgersmann.
Leon. Was ist? Wer bist du?
Pilger. Ein armer Mann, von Kompostella pilgernd Zur Heimat weit.
Leon. Wohin?
Pilger. Ins Rheingau, lieber Herr.
Leon. Ins Rheingau?
Pilger. Hinter Trier.
Leon. Trier?
Pilger. Noch zwei Meilen.
Leon. Nach Trier?--Gott! Nimmst du mich mit, mein Freund?
Pilger. Wenn Ihr nicht Wegeslast und Mangel scheut.
(Herr Sigrid ist mit dem Säckel gekommen; Leon nimmt ihn.)
Leon. Ha, Mangel? Sieh den Säckel!--Aber halt! Den Armen hat's der
gute Herr beschieden, Den Armen sei's. Hier, Freund, für dich ein
Stück, Arm bist du ja doch auch! Das andre euch!
(Arme und Bresthafte, die sich am Gittertor gesammelt hatten, sind
nach und nach eingetreten.)
Ich ziehe fort mit Gott und seinem Schirm. (Er verteilt das Geld unter
sie.) Er wird vollenden, was mit ihm begonnen. (Zum Pilger, der dem
Gelde nachsieht.) Du hast dein Teil. Nach Trier fort, mit Gott! (Er zieht
ihn fort.)
Zweiter Aufzug
Innerer Hof in Kattwalds Hause. Die rechte Seite schließt eine
Lehmwand mit einem großen Tor. Links im Mittelgrunde eine Art
Laube von Brettern, als Vorküche, deren Fortsetzung durch die Kulisse
verdeckt ist. Im Hintergrunde, bis in die Mitte der Bühne
hineinreichend, von einem Graben umgeben, die große Halle des
Hauses, deren Fenster nach vorn gehen. Die Verbindung wird durch
eine hölzerne Brücke hergestellt, die von der seitwärts angebrachten
Tür der Halle an, parallel mit der Bühne laufend, durch eine
Seitenabdachung sich nach vorn wendet.
Der Pilger und Leon
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