Auf einmal riß es Stäbchen und
Blätter weg, kehrte seinen Kratten um und schüttete den ganzen,
reichen Inhalt in Manelis leeren Korb, so daß dieser bis oben hin voll
war und noch übrig blieb von den Beeren. Diese legte das Trini schnell
auf die Blätter am Boden und sagte: "Nimm die auch noch hinein. Gute
Nacht." Und fort rannte es in hohen Sprüngen.
"Trini! Trini! Danke tausendmal!" rief ihm das Maneli aus allen
Kräften nach, dann stürzte es in die Hütte hinein. Jetzt hielt das Trini
auf einmal an und kam zurück gerannt. Es wollte sehen, was die Mutter
beim Anblick von Manelis Kratten sagen wurde, der ja den ganzen
Sommer lang nie so voll gewesen war. Durch die zerbrochenen
Scheiben an dem niedrigen Häuschen konnte es alles sehen, was
drinnen vorging. Die bleiche Mutter stand, von den kleinen Kindern
umringt, am Tisch und schaute auf die Beeren im Kratten und auf den
Teller daneben, der auch noch ganz voll war. Sie schlug ihre Hände
zusammen und sagte immer wieder zu dem Maneli, das freudestrahlend
zu ihr aufschaute: "Wie ist es möglich, Kind? Wie ist es nur möglich?"
"Vom Trini, vom Trini!" wiederholte das Maneli drei-, viermal, "es hat
sie mir alle gegeben, alle! Und denk, Mutter, für diese Menge gibt die
Wirtin jetzt zwei ganze Franken."
"Gott vergelt's dem Kind und ersetz es ihm und der Großmutter
hundertfach, was es heute für uns getan hat. Er weiß allein, wie ich
mich die ganze Nacht hindurch gesorgt habe, wo ich am Morgen Brot
für euch nehme. Und nun haben wir ja für einige Tage genug."
Die bleiche Frau hatte bei diesen Worten die Hände gefaltet, als danke
sie im stillen noch für die große Wohltat. Jetzt schoß das Trini davon
mit einer Freude im Herzen, wie es in seinem ganzen Leben noch keine
empfunden hatte. Die Großmutter hatte wohl recht gehabt, daß man am
Ende den Gewinn davon habe, und daß es einem so wohl werde wie
noch nie, wenn man es recht verstehe, was der liebe Gott ausfegen
wolle. Nun machte es noch neue Pläne in seinem Herzen: Bald konnte
man auch in die Heidelbeeren gehen und in die Brombeeren. Und es
wollte jedesmal, wenn es seinen Kratten gefüllt hatte, noch dem Maneli
den seinigen füllen helfen. Wenn nicht beide voll wurden, so wollte es
immer mit ihm teilen. Denn das Trini hatte sich über die Worte der
armen, kranken Mutter mehr gefreut, als über den eigenen vollen
Kratten. Als es dann endlich heimkam und nun aufgeregt seine
Erlebnisse erzählte und zuletzt der Großmutter den ganz leeren Kratten
vorwies, sagte es bittend: "Nicht wahr, du bist nicht böse mit mir,
Großmutter, daß ich kein einziges Beerlein heimbringe. Du wirst sie
gewiß alle dem Maneli und seiner kranken Mutter gönnen?"
Da lobte die Großmutter das Kind und sagte, was es getan habe, freue
sie mehr, als wenn es ihr zwei ganze Kratten voll nach Haus gebracht
hätte. So gut wie heute abend dem Trini seine Kartoffelsuppe
schmeckte, hatte ihm noch kein Essen geschmeckt. Denn es dachte
immer daran, wie nun das Maneli noch sein Schwarzbrot hatte
heimbringen können, wie jedes sein Stück bekomme und es gewiß jetzt
eben fröhlich verspeiste.
5. Kapitel
Wie es mit dem Vetter geht
Schon war der letzte Sommermonat, der warme August da. Auf allen
Bäumen glänzten die Äpfel rotgolden und kündeten den Herbst an. Der
Vetter hatte nie wieder etwas von sich hören lassen. In der alten Käthe
stieg manchmal die freudige Hoffnung auf, er habe sein Vorhaben
geändert und denke nicht mehr an das Kind. Dann wurde es ihr so
leicht ums Herz, als seien ihr alle Sorgen abgenommen, als könnte
sonst kommen, was da wollte. Hunger und Mangel und Entbehrung
aller Art werde sie ertragen, wenn sie nur das Kind nicht weggeben
müßte. Das Trini war fröhlich wie ein Vogel vom Morgen bis zum
Abend, es hatte den Vetter und seinen Wunsch schon lange vergessen.
Da trat eines Morgens ein junger Bursch bei der Waschkäthe ein und
sagte, er komme aus dem Reußtal und habe ihrem Vetter versprochen,
ihr eine Bestellung auszurichten. Der Vetter lasse ihr sagen, sie solle
die Kleider und alles für das Kind bereithalten, er hole es ab, sobald er
wegen seines Geschäfts über den Berg müsse. Mit dem Vormund des
Kindes wolle er dann schon alles in Ordnung bringen, was die Schule
und den Lohn und das übrige betreffe. Der Großmutter wurde es vor
Schrecken ganz schwarz vor den Augen, sie mußte sich schnell setzen,
um sich nur wieder ein wenig zu fassen. So war denn plötzlich
gekommen, was sie freilich immer im stillen befürchtet, aber doch
immer in so weiter, unsicherer Ferne gesehen hatte. Nun war es da,
denn daß der Vormund gleich einwilligen und dem Vetter das Kind
übergeben würde, dessen war sie sicher. Sie konnte ja für
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