Von der Seele | Page 4

Carl Ludwig Schleich
Weise unterstellt sein. Und in der Tat ist ja die Lehre von der Determination nur eine Variation von der rhythmischen Abh?ngigkeit auch alles organischen Geschehens vom Rhythmus des Weltganzen. Was wir Geschick oder Zufall nennen, ist immer nur der Schnittpunkt, wo der Rhythmus des inneren Lebens mit dem Rhythmus des ?u?eren zusammentrifft.
Wenn man sagt mit Darwin, das Organische hat sich den wechselnden Bedingungen angepa?t, so kann man das bis in die gleichsam mikroskopische Denkweise auch so ausdr��cken, da? der Rhythmus der organischen Substanz in Bewegung sich, um lebensf?hig zu sein, stets dem Rhythmus der Gesamtheit einf��gen mu?te. Leben konnte also nur bestehen in gleichsam konzentrischer Einf��gung des Einzelrhythmus in den kosmisch-tellurischen Gesamtrhythmus. Wenn dieser Allrhythmus variierte, so mu?te also auch der Sonderrhythmus folgen, und so l?st sich f��r uns die Entwicklungslehre auf in eine Lehre von der variablen Hemmung als eigentlicher Gestalterin der Variationen der Lebenserscheinungen, welche stets dem Hemmungsfortfall der Weltbewegungen als Ganzes gedacht unweigerlich folgen mu?ten und noch m��ssen. Solche Hemmungsfortf?lle und rhythmischen Variationen sind nun im All und auf Erden durch Versinken und Erl?schen zahlloser Welten direkt erweislich, und ich bekenne mich in diesem Sinne ohne Z?gern zu einer Art moderner Astrologie, wonach das Organische sehr wohl seine Bildungsvariationen dem kosmischen Geschehen verdanken kann und wonach die Form der Lebewesen, die Entwicklung neuer Arten vielmehr buchst?blich im Himmel beschlossen wird als auf unserem winzigen Planeten. Der mechanische Weg dieser Abweichungen wird uns einzig und allein verst?ndlich mit dem Bilde der rhythmischen Einbeziehung alles Mitbewegten in den Strudel des Weltganzen, der in den Nebeln des Orion nicht weniger am Werke ist als bei der Bildung einer Emulsion aus Fett und Wasser oder dem Zusammenr��hren einer Mayonaise. Der Weltallsrhythmus weist auch dem Organischen Pole und ?quator zu und gibt ihm, seinem eigenen gewaltigen Takte eingef��gt, das stabil-harmonische Gleichgewicht. Zu diesem Gleichgewicht geh?rt, was meines Wissens noch nie betont ist, auch die Form, die, wie wir nun gezeigt haben, ja sich mit Hilfe der Elektronenlehre sehr wohl auffassen l??t als in direkter Abh?ngigkeit von der Rhythmik der Atome.
Die gesamte Morphologie wird sich einst aufl?sen lassen in eine ideelle Rhythmologie! Wie aber sollen wir uns ��berhaupt die Rhythmik des Organischen vorstellen? Wie konnte sich vom anorganischen Kreisen der Materie, gleichsam gegen den Gesamttakt, die Synkope des Lebens losl?sen?
Nun, die Wissenschaft der Kristallisationen und der Kolloidalsubstanz, die Chemie der Eiwei?vorstufen der Peptone und Albumosen erkennt einen prinzipiellen Gegensatz zwischen belebter und unbelebter Substanz schon lange nicht mehr an. Mit Fug und Recht kann man jetzt schon von einem Kristalleben sprechen, wie von Ha? und Lieben der Elemente. Die Wahlverwandtschaft im _Goethe_schen Sinne ist l?ngst ein chemischer Begriff, und schon lange hat man das L?cheln verlernt ��ber den alten Fechner, welcher k��hn den Sternen und auch der Erde alle Kriterien lebendiger Wesen zusprach. Aber trotz allem bleibt dem organischen Leben deutlich ein Sonderrhythmus ��brig, der mit der vielleicht nur scheinbaren Freiheit der Bewegungen der belebten Materie eine Ausnahmsstellung vom starren und konstanten Rhythmus des Anorganischen sichert. M?glich, da? keine anderen Gesetze im Organischen walten als im Unorganischen, eine durchgreifende, prinzipielle Variation des Kr?ftekreises mu? doch stattgefunden haben, damit die Materie zum Stoffwechsel, zur Eigenbewegung, zur Fortpflanzung, schlie?lich zum Denken gelangte.
Ich will hier der Versuchung widerstehen, ein neues M?rchen der Sch?pfungslehre auszuspinnen und es den wundervollen Dichtungen der Bibel und dem Traum Goethes und Darwins, dieser beiden Patriarchen des Entwicklungsgedankens, anma?lich anzureihen--um ein M?rchen mit dem Beginn "es war einmal!" kommen wir ja bei den Sch?pfungsphantasien nie herum, denn kein Mensch wird je wie Mephisto ausrufen k?nnen: "wir waren selbst dabei"--: ich will nur auf die M?glichkeit hinweisen, da? ein Fortfall kosmischer Hemmungen bestimmend gewesen sein kann f��r eine bis dahin neue, aber doch im Wesen der allm?chtigen Kr?fte liegende Variante kompliziertester Rhythmen, die wir eben Leben nennen.
Unter der Faust der Hemmungen mag sehr wohl das rhythmische Gef��ge des Anorganischen unendlich konzentriert und zu besonders dichter, latenter Energie in den Stickstoffverbindungen zusammengepre?t, gleichsam zu einer unendlich komplizierten Kraftspirale aufgezogen und verankert worden sein, bis dann wieder durch himmlisches Geschehen die letzte Hemmung der aufgespeicherten latenten Kr?fte fortfiel: gleichsam wie lebendiges Gew��rm hervorquillt unter einem erhobenen Stein, wo es zuvor dem Auge unerreichbar in Fesseln lag, oder wie ein Schl��ssel, ein Funke, ein Schlag, ein Sprung eines Kessels Dinge sind, die aufgespeicherten Energien Gelegenheit zum Hervorbrausen gewaltiger Spannungen Veranlassung gibt. Schlie?t nicht die befruchtende Samenzelle, das Spermatozoon, am Ei mit goldnem Schl��ssel die Hemmungen auf, so da? sich die verborgenen Wunderwerke des Leibes auftun und emporbl��hen zu k?niglichen Thronen des Lebens und der Gedanken? Schl?ft nicht alles Leben im Mutterscho? wie Dornr?schen in den Hecken, bis ein einziger Ritterku? den hemmenden, bannenden Zauberschlaf hinwegscheucht? In sich geschlossen, in immer gleichem Rhythmus um sich selber kreisend, liegen die anorganischen Bausteine wie in einer undurchdringlichen Zauberkapsel, bis der Keim der Befruchtung eindringt, die Hemmung aufschlie?t und sich
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