Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band | Page 9

Gerhard Rohlfs
ist wohl unsere deutsche Flagge ehrenhafter und freudiger bei
ihrem ersten Erscheinen begrüsst worden; die Stadt hatte ihr
sonntäglichstes Aussehen angenommen. Die Formalitäten des Passes,
der Douane und der Sanitätspolizei waren rasch durchgemacht, und
kurz nachdem wir Anker geschmissen hatten, konnten wir landen.
Die Ankunft des Dampfers, der zugleich die verschiedenen Posten aus
Europa bringt, ist für eine so abgelegene Stadt wie Tripolis immer ein
Ereigniss, und die ganze Stadt findet sich dann am Quai des Hafens
versammelt; auf diese Art konnte ich auf Ein Mal fast meine
sämmtlichen Bekannten begrüssen, fast alle waren auf dem Quai
versammelt.
Ich hielt mich nicht lange in der Stadt auf, sondern fuhr gleich nach der
Mschia hinaus, wo Consul Rossi mit bekannter Liebenswürdigkeit
seinen Landsitz zu meiner Disposition gestellt hatte. Tripolis hatte
einen weiteren Schritt in der Civilisation gemacht: es hatte ein
Fuhrwerk bekommen, eine kleine Malteser "Kascha", welche
Droschkendienst verrichtete. Früher hatten nur der Pascha und einige
der Consuln Wagen, jetzt konnte sich jeder, wer einige Piaster über
hatte, das Vergnügen des Fahrens machen, und oft genug sah man
elegant gekleidete Judendandi's, die noch vor wenigen Jahren baarfuss
bei jedem Moslim vorbeigehen und sich jedwede Schmach von einem
fanatischen Druisch gefallen lassen mussten, die Kascha benutzen, und
durch Extrabakschische angefeuert, fuhr der Kutscher sie zum Aerger
der Rechtgläubigen in rasender Geschwindigkeit über den Grossen
Platz, zwischen Stadt und Mschia.

Unsere Sachen waren auch bald in dem Landhause des Herrn Rossi,
das recht freundlich und heimisch in einem Palmgarten gelegen ist,
angekommen; die nach Bornu bestimmten Sachen liess ich indess alle
in einem eigens dazu gemietheten Hause in der Stadt. Beim Auspacken
fand sich, dass alle unversehrt, mit Ausnahme einer grossen Glasglocke
übergekommen waren. Die noch fehlenden Sachen: Kameele,
Seidenstoffe, Corallen etc., wurden nun auch gleich eingekauft, da man
dergleichen in Tripolis besser, und eigens für den Geschmack der
innern Völker hergerichtet, bekommen kann, als in Europa. Ich hatte
hier wieder Gelegenheit, zu bewundern, wie die Tripolitaner, seien es
Christen oder Juden, es geschickt anzufangen wissen, einem Fremden
gegenüber den Uneigennützigen zu spielen, ohne dabei im Mindesten
ihren oft beträchtlichen Gewinn aus den Augen zu verlieren. Man sollte
in der That meinen, wenn man es mit diesen Leuten zu thun hat, als ob
sie beim Verkauf verlören, und trotzdem, wenn sie Fünfzig auf Hundert
gewinnen, glauben sie schlechte Geschäfte gemacht zu haben--denn sie
hätten ja hundert Procent und mehr gewinnen können. Es ist dies
übrigens so natürlich, dass ich mich gar nicht darüber wundern sollte:
Die Juden und Christen leihen den Arabern ihr Geld zu 5 Procent
monatlich; 2 Procent oder 1½ Procent monatlich zu nehmen, sind
seltene Fälle, ein solcher Mann ist sicherlich ein Ehrenmann, und wird
allgemein wegen seiner Uneigennützigkeit gelobt. Die meisten, oder
man kann fast sagen, alle in Tripolis lebenden Juden und Christen
haben auf diese Weise ihr Geld verdient, denn der eigentliche reelle
Handel wirft in Tripolis keinen grossen Gewinn ab.
Welch merkwürdige Schicksale hat aber diese Stadt erlebt und welche
Zukunft steht ihr noch bevor, wenn sie einst wie Algerien in die Hände
einer aufgeklärteren Regierung kommen sollte. War nicht das alte
Tripolis jener Dreistädteverein Leptis magna, Oea und Sabratha, einst
eine der blühendsten und reichsten Colonien am Nordgestade Afrika's?
Ohne hier einen Abriss der Geschichte der Stadt geben zu wollen,
welche sich auch gar nicht, was die alte Zeit anbetrifft, von der
Geschichte aller Städte und Colonien Nordafrika's trennen lässt,
werden gewiss meine Leser gern einen Blick in die Vergangenheit thun,
um zu sehen, unter welchen Verhältnissen Tripolis das geworden, was
es jetzt ist.

Im heutigen Tripolitanien hausten im Alterthume nach Herodot die
Nasomonen, welche um die grosse Syrte nomadisirten und uns als
verwegene und gefährliche Seeräuber geschildert werden. Unter
Augustus bekriegt, verschwinden sie von der Seeküste und statt ihrer
führt Ptolemäus die Makakutae und die höhlenbewohnenden Lesaniki
an, die Nasomonen verlegt er weiter ins Innere. Westlich von den
Nasomonen grenzten die Psylli und von diesen wieder westlich die
Maccae. Im äussersten Westen des heutigen Tripolitanien waren nach
Scylax die Lotophagen. Andere Völkerschaften werden von Herodot
und Ptolemäus im Innern genannt, als die Machlyes, Auses, Nigintini,
Astskures etc. Am bekanntesten von allen waren jedoch die
Garamanten, welche wir heutzutage, wenn auch nicht in Tripolitanien,
so doch im Stamme der Tebu südlich davon deutlich wiedererkennen.
Aus allen Angaben aber müssen wir schliessen, dass die Garamanten
früher das ganze heutige Kaimmakamlik Fesan inne hatten.
Während die Kenntniss von den Garamanten unter den Griechen sich
gänzlich verlor, tauchte dieses Volk unter römischer Herrschaft wieder
auf, und wir finden nun auch zum ersten Mal den Namen Fesan,
Phasania genannt, erwähnt. Plinius führt uns eine Menge Städte und
Oerter der Garamanten auf mit der Hauptstadt Garama. Ob übrigens die
Garamanten eine so grosse Ausdehnung gehabt haben, wie die Alten es
annehmen und auch noch einige Gelehrte der Neuzeit, möchte nicht
ganz erwiesen sein,
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