Von Tripolis nach Alexandrien - 1. Band | Page 8

Gerhard Rohlfs
hatte
nämlich das Steckenpferd, sich eine ganze Menagerie an Bord zu halten,
diese bestand aus seiner Frau, vielen Hunden, Katzen, Hühnern, Vögeln,
Enten und anderen Vier- und Zweifüsslern. Das Sonderbarste war, dass
alle Thiere einen Namen hatten--da war ein Neufundländer Nelson,
eine schlaue Katze, die Napoleon hiess, andere Thiere Wellington,
Blücher, Malborough etc.; bitter beklagte indess der alte Capitän, dass
Bismarck desertirt sei.
Ich konnte Bismarck das nun gar nicht verdenken, denn wenn bei

einem besonders starken Wellenschlage alle diese Thiere mit Bänken
und Schüsseln in der Cajüte umhertanzten, gehörten mehr als starke
Nerven dazu, um es auszuhalten. Abends 8 Uhr am 28. November
warfen wir Anker im Hafen von La Valetta, und waren einige
Augenblicke später wieder auf europäischem Grund und Boden.
* * * * *

Kurzer geschichtlicher Ueberblick von Tripolis.
Im freundlichen Imperial-Hôtel in Lavaletta abgestiegen, mussten wir
nun freilich in Malta längere Zeit bleiben, als wir, wenn es nach
unserem Wunsche gegangen wäre, beabsichtigt hatten; aber mit Malta
hat der regelmässige Verkehr ein Ende, wenigstens wenn man nach
Tripolis will, und man muss sich den Launen der türkischen
Dampfschiffs-Eigenthümer, sowie dem Wetter fügen.
Indess kann man die Zeit in Lavalletta und Malta recht gut hinbringen.
Freilich bietet die Stadt für einen Nichtmilitair des Interessanten nicht
viel. Das Palais des Gouverneurs, ehemals das des Grossmeisters der
Johanniter, die Johanniskirche, einige Palläste der ehemaligen Zungen,
besonders das castilianische Hôtel, einige hübsche Promenaden, zwei
Bibliotheken, endlich Oper und einige Clubs gewähren wohl für einige
Tage dem Fremden Unterhaltung, wer aber all dies von früher her
schon kennt, und ich war nun schon verschiedene Male in Lavalletta
gewesen, der sehnt sich nach etwas Anderem. Dazu kömmt nun noch,
dass an keinem Orte von Europa die Familien so abgeschlossen und für
den Fremden schwer zugänglich sind, als in Malta. Längere Zeit unter
der Herrschaft der Araber, wie ja auch heute noch die Volkssprache auf
Malta ein arabischer Dialekt ist, halten die Familien ihr Haus dem
Fremden fast so fest verschlossen, wie es der Mohammedaner einem
nicht zu seiner Sippe Gehörigen thut, und trotzdem ich mehrere
Bekannte in Lavalletta hatte, war es mir nie gelungen, Eingang zu ihren
Familien zu bekommen. Natürlich nehme ich die dort residirenden
Engländer hiervon aus, welche auch hier wie überall ihre gastlichen
Eigenschaften beibehalten haben.

Wer nun aber längere Zeit einen gezwungenen Aufenthalt auf diesen
Inseln haben sollte, der bleibe nicht in der Stadt, sondern mache
Ausflüge, und ob er diese zu Fuss mache, oder mit jenem antiken
Einspänner ohne Springfedern, er wird seine Spaziertouren nicht
bereuen. Malta hat die lieblichsten Buchten, viele interessante Ruinen
aus phönicischer Zeit, von denen ich hier nur Hedjer Kim, Mnaidra und
die merkwürdige natürliche Einsenkung Makluba nenne. Auch Gozzo
mit seinem ebenfalls aus phönicischer Zeit stammenden Riesenthurm
ist eines Besuches werth; kurz wenn man nicht seinen Aufenthalt auf
Lavalletta selbst beschränkt, kann man 14 Tage recht gut auf Malta
hinbringen.
Erst am 11. December war der "Trabulos Garb", ein türkischer
Dampfer, welcher dem Schich el bled von Tripolis gehört, segelfertig.
In den Wintermonaten ist es gar nicht angenehm und oft sehr gefahrvoll
auf dem Mittelmeere, und Jeder erinnert sich noch wohl der heftigen
Stürme, welche gerade in dem Monat auf unserer Hemisphäre
stattfanden. Zudem kam noch, dass "Trabulos Garb" so eben erst eine
unheilvolle Katastrophe erlebt hatte: Von Smyrna abgehend mit für
Tripolitanien bestimmten Soldaten, sprang der Kessel noch ehe der
Dampfer den Hafen verlassen hatte. Der Maschinist, die Heizer und
über 50 Soldaten waren augenblickliche Opfer, wie viele aber noch
später starben infolge von Verwundungen, hat man nie erfahren können;
in dem türkischen Reiche kümmert man sich um dergleichen nicht.
Andererseits bot jedoch jetzt das Dampfschiff eine gewisse Garantie,
denn in den Docks von Lavalletta mit einem neuen Kessel versehen,
durfte man annehmen, dass das Schiff nur seetüchtig entlassen worden
sei. Ueberdies war es das einzige Mittel, um nach Tripolis zu kommen,
wenn man nicht mit einem Segelschiffe, die im Winter jedoch noch
weit gefährlicher und unsicherer sind, die Fahrt hätte machen wollen.
Die Einpackung und Verladung der vielen Kisten hatte unser
norddeutscher Consul, Hr. Ferro, schon besorgt, und überhaupt
während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes in Malta sowohl als auch
später in Tripolis nicht aufgehört, auf das Liebenswürdigste sich meiner
Sache anzunehmen.

Unsere Ueberfahrt nach Tripolis war eine sehr gute, schon nach 30
Stunden erreichten wir das afrikanische Ufer. Oea mit seinen grossen
Palmenwäldern lag vor uns, und einen Augenblick später konnten wir
schon die einzelnen Häuser unterscheiden. Angesichts der Stadt, liess
ich mit Bewilligung des Capitains unsere norddeutsche Flagge am
Hauptmaste aufhissen, es war das erste Mal, dass sich dieselbe vor
Tripolis zeigte; für meine vielen Freunde und Bekannten daselbst sollte
es zugleich ein verabredetes Zeichen sein, dass ich mich an Bord
befände. Und kaum hatte man unsere Flagge bemerkt, als sämmtliche
Consulatsfahnen an ihren hohen, langen Mastbäumen emporstiegen.
Nirgends
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 56
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.