mit eignem "Schmierzeug" noch
versehen waren--in jener glücklichen Zeit gab es außer Katzen auch
noch andres Getier im Hause. Da war ein kleiner weißer Pudel, welcher
"Bube" hieß, aber leider trotz des Tierarztes schon früh an einer
Hunde-Kinderkrankheit sterben mußte; dann war ein weißes Kaninchen,
welches "Nine" hieß, und außerdem noch eine weiße Taube, welche
keinen Namen hatte, sonst aber sehr wohl "Federlos" hätte heißen
können.
In dem geräumigen Taubenschlage auf dem Hausboden hatte sie einst
mit vielen schönen Gefährten, Hahnenschwänzen und Mohrenköpfen,
gewohnt und sich von dort aus lustig mit ihnen über den grünen Gärten
in der Luft getummelt; aber eines Nachts war der Marder eingebrochen,
und sie allein blieb die Überlebende. Damit sie in dem großen leeren
Schlage nicht allzusehr die Einsamkeit empfinde, wurde das Kaninchen
ihr zum Gesellen beigegeben, und da weder dieses von ihren Erbsen,
noch sie die Hundeblumenblätter des Kaninchens begehrte, so lebten
sie wie Geschwister einträchtiglich beisammen. Wenn die Taube von
ihren Ausflügen heimkam, klappte Nine allzeit freudig mit den
Hinterkäufen; denn sie spielten dann Greif oder Haschemännchen
miteinander, und da das Kaninchen sehr gut greifen konnte, so geschah
es dabei ganz von selber, daß es seiner Freundin einen Mund voll
Federn nach dem andern abbiß.--So wurde sie das Täubchen "Federlos"
und konnte nur noch mit den Posen fliegen.
Aber weiter kam es nicht; die Posen sollte sie behalten. Denn da die
Knaben eines Morgens in den Schalg hinanstiegen, flatterte das
Täubchen Federlos zwar noch um sie herum, Nine aber lag mit
ausgestreckten vieren tot und platt am Boden.
Eilig stürmten sie die Treppen hinab und verkündeten im Wohnzimmer
ihre Trauerkunde, wo ich ahnungslos bei meiner Tasse Tee saß.
Wahrscheinlich hatte Nine sich an Taubenfedern totgegessen; indessen
ich bedachte solches nicht und sagte ohne viele Umstände: "Da habt
ihr's wohl verhungern lassen!"
Ob das Gewissen der beiden dennoch nicht ganz rein
gewesen?--Aber--hilf Himmel! wie huben auf dieses Wort die kleinen
Kerle an zu schreien! Kein Trost, kein Zuspruch half, die Tränen liefen
ihnen stromweis über die Backen.
Da trat mein Freund, der Doktor--der als Primaner einst so schön die
Klarinette spielte--in die Tür. "Hallo! Junges, was ist da los?"
Die Augen wandten sich zu dem Sprecher, und einen Augenblick lang
stockte das Geheul. "Doktor", rief der eine im wehmütigsten Klagelaut,
"unser Nine ist tot!"
"Und wir haben es verhungern lassen!" schrie der andre.--Dann heulten
sie beide wieder mit vereinten Kräften.
"Jungens!" rief der Doktor. "Euer Nine wird nicht mehr lebendig! Aber
wißt ihr denn das nicht? Wenn es tot ist, so müßt ihr es begraben!"
Begraben!--Das Zauberwort war gesprochen. Das Geschrei verstummte,
die Tränen wurden abgewischt, ein wahres Sonnenleuchten verklärte
die Gesichter der beiden Kinder.--Schon waren sie aus dem Zimmer
und die Bodentreppe hinauf; und nicht lange, so kamen sie fröhlichen
Angesichts mit dem Leichnam ihres Nine angezogen; der eine hatte es
an den Ohren, der andre an den Hinterläufen. So zogen wir mitsammen
in den Garten hinaus.
Als wir auf dem großen Steige waren, begegnete uns die
Manschettenmieße. "Miau!" sagte sie, indem sie stehenblieb und uns
ansah.
Der Zug hielt; und die Kinder sahen sie wieder an. "Mite", sagte der
Kleine, noch einmal in seinen Klageton verfallend, "unser Nine ist tot!"
Dann setzte der Zug sich wieder in Bewegung, und Mite machte einen
Buckel und sprang mit, um dem Begräbnis beizuwohnen.
Der Doktor hatte schon den Spaten in der Hand, und an der
Geißblattlaube unter überhängenden Ulmenzweigen wurde nach
reiflicher Erwägung die Stätte auserwählt. Da wurde ich von der Magd
ins Haus zurückgerufen und überließ dem Doktor allein die Leitung
unsrer Trauerfeierlichkeit.
Drinnen im Hause erwarteten mich ganz andre Dinge. Da war ein
Mann, der hatte einen bösen Schuldner, von dem er weder Kapital noch
Zinsen erhalten konnte, und wir sprachen wohl eine halbe Stunde
miteinander, auf welche Weise ihm zu beidem zu verhelfen sei.
Als ich dann wieder in den Garten hinauskam, war der Doktor nicht
mehr da; auch der Körper des verstorbenen Nine war verschwunden,
und der Spaten lehnte an der Planke. Die beiden kleinen Totengräber
aber--die natürlich ihr Schmierzeug anhatten--lagen neben der
Geißblattlaube auf den Knien und hatten einen kleinen seltsam
glänzenden Erdhügel zwischen sich, auf dem sie beide eifrig mit ihren
rotkarierten Taschentüchern rieben.
"Was macht ihr da?" fragte ich, indem ich zu ihnen trat; denn diese
Sache war mir völlig unverständlich.
Da guckte der Kleine auf. "Papa!" sagte er, und sein Gesicht leuchtete
so fröhlich wie droben kaum die liebe Himmelssonne--"wir polieren
Nine sein Grab mit Spucke!"--Und also endete dies vergnügliche
Begräbnis.
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Von Kindern und Katzen, und
wie sie die Nine begruben, von Theodor Storm.
End of the Project Gutenberg EBook of Von Kinder und Katzen, und
wie sie die Nine begruben, by Theodor Storm
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UND KATZEN ***
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