als wäre sie eben vom Torfabladen
hergekommen, weshalb die Kinder sie die "schwarze Anna" nannten;
aber eine Katze in unser gemietetes Haus zu nehmen, konnten wir noch
immer nicht den Mut gewinnen. Da--drei Jahre waren so
vergangen--kam von selber eine zugelaufen, ein weiß und schwarz
geflecktes Tierchen, schon wohlerzogen und von anschmiegsamer
Gemütsart.
Was ist von diesem Käterchen zu sagen?--Zum mindesten der
Pyramidenritt.
Da nämlich den beiden größeren Buben das gewöhnliche Zubettegehen
doch gar zu simpel war, so hatten sie's erfunden, auf der schwarzen
Anna zu Bett zu reiten; derart, daß sie dabei auf ihrer Schulter saßen
und die kleinen Kinderbeinchen vorn herunterbaumelten. Jetzt aber
wurde das um vieles stattlicher; denn eines Abends, da sich die Tür der
Schlafkammer öffnete, kam in das Wohnzimmer zum Gutenachtsagen
eine vollständige Pyramide hereingeritten: über dem großen Kopf der
schwarzen Anna der kleinere des lachenden Jungen, über diesem dann
der noch viel kleinere Kopf des Käterchens, das sich ruhig bei den
Vorderpfötchen halten und dabei ein gar behaglich und vernehmbares
Spinnen ausgehen ließ.--Dreimal ritt diese Pyramide die Runde in der
Stube und dann zu Bett.
Es war sehr hübsch; aber es wurde der Tod des kleinen Katers. Die
guten Stunden, die er nach solchem Ritt zur Belohnung im Federbett
bei seinem jungen Freunde zubringen durfte, hatten ihn so verwöhnt,
daß er eines scharfen Wintermorgens, da er am Abend ausgeschlossen
worden, tot und steifgefroren im Waschhause aufgefunden wurde.
Und wieder kam eine stille, katzenlose Zeit.
Aber wo fände sich nicht eine Aushilfe! Ich konnte ja vortrefflich
Katzen zeichnen;--und ich zeichnete! Freilich nur mit Feder und Tinte;
aber sie wurden ausgeschnitten und aus dem Tuschkasten sauber
angemalt: Katzen von allen Farben und Arten, sitzende und springende,
auf vieren und auf zweien gehend, Katzen mit einer Maus im Maule
und einem Milchtopf in der Pfote, Katzen mit Kätzchen auf dem Arme
und einem bunten Vöglein in der Tatze; den Preis über alle aber
gewann ein würdig blickender grauer Kater mit rauhem, bärtigem
Antlitz. Ihm wurde in einer Kammer, wo die Kinder spielten, aus
Bauholz ein eigenes Haus mit Wohn- und Staatsgemächern aufgebaut.
Viel Zeit und Mühe war darauf verwandt worden; deshalb erhielt es
aber auch das Vorrecht, vor dem zerstörenden Eulbesen der Köchin
durch strenges Verbot geschützt zu werden. Es hieß "das Hotel zur
schwarzen Anna"; und "der alte Herr", welchen Namen der Graue sich
gar bald erworben hatte, hat lange darin gewohnt. Selten nur verließ er
seine angenehmen Räume; desto lieber, da es ihm an Dienerschaft nicht
fehlte, versammelte er bei sich die Gesellschaft seiner Freunde und
Freundinnen. Dann ging es hoch her; wir haben oft durchs Fenster
geguckt. Fetter Rahm in Tassenschälchen, Bratwürstchen und
gebratene Lerchen wurden immer aufgetragen; den Ehrenplatz zur
Rechten des Gastgebers aber hatte allzeit ein allerliebstes weißes
Kätzchen mit einem roten Bändchen um den Hals; ob es eine
Verwandte oder gar die Tochter desselben gewesen, haben wir nicht
erfahren können.
Außer solchen Festen lebte übrigens der alte Herr still für sich weg; nur
manchmal liebte er es, aus seinem Hause auf die Spiele der Kinder in
der Kammer hinabzublicken, wozu er die bequemste Gelegenheit hatte,
da das Hotel "Zur schwarzen Anna" auf einer Fensterbank erbaut war.
Dann stieß wohl eins der Kinder das andre an und flüsterte: "Seht, seht!
Der alte Herr steht wieder einmal am Fenster!"
Auch seinen Geburtstag sollte er noch erleben. Zu diesem Feste, an
welchem alle Kater und Katzen sich zur Gratulation versammeln
sollten, bekam ich den Auftrag, sein Brustbild in Lebensgröße zu malen,
was dann auch wirklich am Morgen des Festtages, in einen breiten
Goldrahmen gefaßt, im Saale des Hotels aufgehangen wurde.
Aber es nimmt alles einmal ein Ende.--Da wir eines Morgens
aufgestanden waren, fanden wir ihn tot in seinem Bette. Ob er bei dem
letzten leckeren Mahle sich zu viel getan, ob die ihm zugemessene
Lebensdauer abgelaufen war;--soviel steht fest, was wir hier vor uns
sahen, war nur noch seine entseelte Hülle.
Also wurde ein Schächtelchen mit schwarzem Papier beklebt und
ausgeschlagen und so ein Sarg daraus gemacht. Der alte Herr wurde
hineingelegt und stand zur Parade in dem großen Saale des Hotels, wo
von der Wand sein noch in aller Lebensfülle gemaltes Bildnis auf den
Sarg herabsah.
Endlich wurde er auf dem Steinhofe--ach, einen Garten hatten wir da
draußen nicht!--in das für ihn gegrabene Grab gesenkt und mit einem
schweren Steine fest und dauerhaft bedeckt.--Aber wer möchte nicht
gern wissen, wie die Toten aussehen.--Natürlich wurde der alte Herr
nach einem halben Jahr wieder ausgegraben, sehr mit Schimmel
überzogen vorgefunden, schaudernd und ganz genau betrachtet und
dann endlich noch einmal und auch zum allerletzten Mal begraben.
Für Kinder und alte Leute, welch ein erlösender Zauber liegt in dem
Begraben!
In der Heimat zur Zeit der Manschettenmieße, als die zwei ältesten
Knaben ihre ersten Kittel noch nicht ausgetragen hatten, als sie für den
großen Garten, der am Hause war,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.