Venetianische Epigramme | Page 6

Johann Wolfgang von Goethe
mir nackt, wie sie mir jetzt noch gef?llt.
XCIX.
Oftmals hab' ich geirrt, und habe mich wieder gefunden,?Aber glücklicher nie; nun ist dies M?dchen mein Glück!?Ist auch dieses ein Irrthum, so schont mich, ihr klügeren G?tter, Und benehmt mir ihn erst drüben am kalten Gestad.
C.
Traurig, Midas, war dein Geschick: in bebenden H?nden?Fühltest du, hungriger Greis, schwere verwandelte Kost.?Mir, im ?hnlichen Fall, geht's lust'ger; denn was ich berühre, Wird mir unter der Hand gleich ein behendes Gedicht.?Holde Musen, ich str?ube mich nicht; nur da? ihr mein Liebchen, Drück' ich es fest an die Brust, nicht mir zum M?hrchen verkehrt?
CI.
Ach, mein Hals ist ein wenig geschwollen! so sagte die Beste Aengstlich. - Stille, mein Kind! still! und vernehme das Wort: Dich hat die Hand der Venus berührt; sie deutet die leise,?Da? sie das K?rperchen bald, ach! unaufhaltsam verstellt.?Bald verdirbt sie die schlanke Gestalt, die zierlichen Brüstchen. Alles schwillt nun; es pa?t nirgends das neuste Gewand.?Sey nur ruhig! es deutet die fallende Blüthe dem G?rtner,?Da? die liebliche Frucht schwellend im Herbste gedeiht.
CII.
Wonniglich ist's, die Geliebte verlangend im Arme zu halten, Wenn ihr klopfendes Herz Liebe zuerst dir gesteht.?Wonniglicher, das Pochen des Neulebendigen fühlen,?Das in dem lieblichen Scho? immer sich n?hrend bewegt.?Schon versucht es die Sprünge der raschen Jugend; es klopfet Ungeduldig schon an, sehnt sich nach himmlischem Licht.?Harre noch wenige Tage! Auf allen Pfaden des Lebens?Führen die Horen dich streng, wie es das Schicksal gebeut.?Widerfahre dir, was dir auch will, du wachsender Jüngling - Liebe bildete dich; werde dir Liebe zu Theil!
CIII.
Und so t?ndelt' ich mir, von allen Freunden geschieden,?In der neptunischen Stadt Tage wie Stunden hinweg.?Alles, was ich erfuhr, ich würzt' es mit sü?er Erinn'rung,?Würzt' es mit Hoffnung; sie sind lieblichste Würzen der Welt.
CIV.
Sauber hat du dein Volck erl?st durch Wunder und Leiden?Nazarener! Wohin soll es dein H?ufchen, wohin??Leben sollen sie doch und Kinder zeugen doch christlich,?Leider dem früheren Reiz dienet die sch?dliche Hand.?Will der Jüngling dem Uebel entgehn, sich selbst nicht verderben, Bringet Lais ihm nur brennende Quaalen für Lust.?Komm noch einmal herab du Gott der Sch?pfung und leide,?Komm, erl?se dein Volck von dem gedoppelten Weh!?Thu ein Wunder und rein'ge die Quellen der Freud und des Lebens Paulus will ich dir seyn, Stephanus wie du's gebeutst.
CV.
Heraus mit dem Theile des Herrn! heraus mit dem Theile des Gottes! Rief ein unglücklich Gesch?pf blind für hysterischer Wuth,?Als, die heiligen Reste Gründonnerstag Abends zu zeigen,?In Sanct Markus ein Schelm über der Bühne sich wies.?Armes M?dchen was soll dir ein Theil des gekreuzigten Gottes? Rufe den heilsamern Theil jenes von Lampsacus her.
CVI.
Wundern kann es mich nicht da? unser Herr Christus mit Gern und mit Sündern gelebt, gehts mir doch eben auch so.
CVII.
"Warum willst du den Christen des Glaubens selige Wonne?Grausam rauben?" Nicht ich, niemand vermag es zu thun.?Steht doch deutlich geschrieben: die Heyden toben vergeblich. Seht, ich erfülle die Schrift, lest und erbaut euch an mir.
CVIII.
Krebse mit nacktem Hintern, die leere Muscheln sich suchten, Sie bewohnen und sie w?hnen ihr eigenes Haus,?Sind mir seltne Gesch?pfe, sie sind so klug als bedürftig;?Manches kam mir in Sinn, als ich am Ufer sie sah.?Christ und Mensch ist eins! Sagt Lavater! Richtig! Die Christen Decken die nackende Schaam weislich mit Menschenvernunft.
CIX.
In ein Puppenspiel hatt' ich mich Knabe verliebet,?Lange zog es mich an bi? ich es endlich zerschlug.?So griff Lavater iung nach der gekreuzigten Puppe.?Herz' er betrogen sie noch wenn ihm der Athem entgeht!
CX.
G?u?t?e?n? schreibt er, das glaub ich, die Menschen müssen wohl gut seyn Die das alberne Zeug lesen und glauben an ihn.?W?e?i?s?e?n? denckt er zu schreiben, die Weisen mag ich nicht kennen: Ist das Weisheit, bey Gott, bin ich mit Freuden ein Thor.
CXI.
Dich betrügt der Staatsmann, der Pfaffe, der Lehrer der Sitten, Und die? Kleeblatt wie tief betest du P?bel es an.?Leider l??t sich noch kaum was rechtes denken und sagen?Das nicht grimmig den Staat, G?tter und Sitten verlezt.
CXII.
Was auch Helden gethan, was Kluge gelehrt, es verachtet's?W?hnender christlicher Stolz neben den Wundern des Herrn.?Und doch schmückt er sich selbst und seinen nackten Erl?ser Mit dem besten heraus was uns der Heide verlies.?So versammelt der Pfaffe die edlen leuchtenden Kerzen?Um das gestempelte Brod das er zum Gott sich geweiht.
CXIII.
Viele folgten dir gl?ubig und haben des irdischen Lebens?Rechte Wege verfehlt, wie es dir selber erging.?Folgen mag ich dir nicht; ich m?chte dem Ende der Tage?Als ein vernünftiger Mann, als ein vergnügter mich nahn.?Heute gehorch ich dir doch und w?hle den Pfad ins Gebirge,?Die?mal schw?rmst du wohl nicht, K?nig der Juden leb wohl.
CXIV.
Offen steht das Grab! Welch herrlich Wunder!?Auferstanden! - Wer's glaubt! Schelmen, ihr trugt ihn ja weg.
CXV.
Was vom Kristenthum gilt, gilt von den Stoikern, freyen?Menschen geziemet es nicht Krist oder Stoiker seyn.
CXVI.
Juden und Heiden hinaus! so duldet der christliche Schw?rmer. Christ und Heide verflucht! murmelt ein jüdischer Bart.?Mit den Christen an Spies und mit den Juden ins Feuer!?Singet ein türckisches Kind Christen und Juden zum Spott.?Welcher ist der klügste? Entscheide! Aber
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