man sich leicht denken kann, manchen Streit mit der
Mutter, da er dem Vater die abgelegten Röcke nicht nachtragen,
sondern selbst immer in der Mode sein wollte. So wuchs er heran, und
seine Forderungen wuchsen immer vor ihm her, so daß er zuletzt, da er
achtzehn Jahre alt war, ganz außer Verhältnis mit seinem Zustande sich
fühlen mußte.
Schulden hatte er bisher nicht gemacht, denn seine Mutter hatte ihm
davor den größten Abscheu eingeflößt, sein Vertrauen zu erhalten
gesucht und in mehreren Fällen das äußerste getan, um seine Wünsche
zu erfüllen oder ihn aus kleinen Verlegenheiten zu reißen.
Unglücklicherweise mußte sie in eben dem Zeitpunkte, wo er nun als
Jüngling noch mehr aufs äußere sah, wo er durch die Neigung zu einem
sehr schönen Mädchen, verflochten in größere Gesellschaft, sich
andern nicht allein gleichzustellen, sondern vor andern sich
hervorzutun und zu gefallen wünschte, in ihrer Haushaltung gedrängter
sein als jemals; anstatt also seine Forderungen wie sonst zu befriedigen,
fing sie an, seine Vernunft, sein gutes Herz, seine Liebe zu ihr in
Anspruch zu nehmen, und setzte ihn, indem sie ihn zwar überzeugte,
aber nicht veränderte, wirklich in Verzweiflung.
Er konnte, ohne alles zu verlieren, was ihm so lieb als sein Leben war,
die Verhältnisse nicht verändern, in denen er sich befand. Von der
ersten Jugend an war er diesem Zustande entgegen; er war mit allem,
was ihn umgab, zusammengewachsen; er konnte keine Faser seiner
Verbindungen, Gesellschaften, Spaziergänge und Lustpartien zerreißen,
ohne zugleich einen alten Schulfreund, einen Gespielen, eine neue,
ehrenvolle Bekanntschaft und, was das Schlimmste war, seine Liebe zu
verletzen.
Wie hoch und wert er seine Neigung hielt, begreift man leicht, wenn
man erfährt, daß sie zugleich seiner Sinnlichkeit, seinem Geiste, seiner
Eitelkeit und seinen lebhaften Hoffnungen schmeichelte. Eins der
schönsten, angenehmsten und reichsten Mädchen der Stadt gab ihm,
wenigstens für den Augenblick, den Vorzug vor seinen vielen
Mitwerbern. Sie erlaubte ihm, mit dem Dienst, den er ihr widmete,
gleichsam zu prahlen, und sie schienen wechselsweise auf die Ketten
stolz zu sein, die sie einander angelegt hatten. Nun war es ihm Pflicht,
ihr überall zu folgen, Zeit und Geld in ihrem Dienste zu verwenden und
auf jede Weise zu zeigen, wie wert ihm ihre Neigung und wie
unentbehrlich ihm ihr Besitz sei.
Dieser Umgang und dieses Bestreben machte Ferdinanden mehr
Aufwand, als es unter andern Umständen natürlich gewesen wäre. Sie
war eigentlich von ihren abwesenden Eltern einer sehr wunderlichen
Tante anvertraut worden, und es erforderte mancherlei Künste und
seltsame Anstalten, um Ottilien, diese Zierde der Gesellschaft, in
Gesellschaft zu bringen. Ferdinand erschöpfte sich in Erfindungen, um
ihr die Vergnügungen zu verschaffen, die sie so gern genoß und die sie
jedem, der um sie war, zu erhöhen wußte.
Und in eben diesem Augenblicke von einer geliebten und verehrten
Mutter zu ganz andern Pflichten aufgefordert zu werden, von dieser
Seite keine Hülfe zu sehen, einen so lebhaften Abscheu vor Schulden
zu fühlen, die auch seinen Zustand nicht lange würden gefristet haben,
dabei von jedermann für wohlhabend und freigebig angesehen zu
werden und das tägliche und dringende Bedürfnis des Geldes zu
empfinden, war gewiß eine der peinlichsten Lagen, in der sich ein
junges, durch Leidenschaften bewegtes Gemüt befinden kann.
Gewisse Vorstellungen, die ihm früher nur leicht vor der Seele
vorübergingen, hielt er nun fester; gewisse Gedanken, die ihn sonst nur
Augenblicke beunruhigten, schwebten länger vor seinem Geiste, und
gewisse verdrießliche Empfindungen wurden dauernder und bitterer.
Hatte er sonst seinen Vater als sein Muster angesehen, so beneidete er
ihn nun als seinen Nebenbuhler. Von allem, was der Sohn wünschte,
war jener im Besitz; alles, worüber dieser sich ängstigte, ward jenem
leicht. Und es war nicht etwa von dem Notwendigen die Rede, sondern
von dem, was jeder hätte entbehren können. Da glaubte denn der Sohn,
daß der Vater wohl auch manchmal entbehren sollte, um ihn genießen
zu lassen. Der Vater dagegen war ganz anderer Gesinnung; er war von
denen Menschen, die sich viel erlauben und die deswegen in den Fall
kommen, denen, die von ihnen abhängen, viel zu versagen. Er hatte
dem Sohne etwas Gewisses ausgesetzt und verlangte genaue
Rechenschaft, ja eine regelmäßige Rechnung von ihm darüber.
Nichts schärft das Auge des Menschen mehr, als wenn man ihn
einschränkt. Darum sind die Frauen durchaus klüger als die Männer,
und auf niemand sind Untergebene aufmerksamer als auf den, der
befiehlt, ohne zugleich durch sein Beispiel vorauszugehen. So ward der
Sohn auf alle Handlungen seines Vaters aufmerksam, besonders auf
solche, die Geldausgaben betrafen. Er horchte genauer auf, wenn er
hörte, der Vater habe im Spiel verloren oder gewonnen, er beurteilte
ihn strenger, wenn jener sich willkürlich etwas Kostspieliges erlaubte.
"Ist es nicht sonderbar", sagte er zu sich selbst, "daß Eltern, während
sie sich mit Genuß aller Art überfüllen, indem sie bloß nach Willkür
ein Vermögen, das ihnen der Zufall gegeben hat, benutzen, ihre Kinder
gerade zu der Zeit von
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