der gezwungenen Eleganz und eisigen Vornehmheit des Ausdrucks, so findet man ihn gew?hnlicher, als es den Anschein hatte. Wenn Schiller daher nach Lektüre der ihm übersandten Schrift von der kunstphilosophischen Theorie überhaupt nichts mehr wissen wollte, so wird diese Stelle seines Briefes zwar gew?hnlich als Gest?ndnis der Umkehr, in der er sich vom Denker zum schaffenden Dichter gerade befand, gefa?t; vieles aber an jener Stimmung kommt gewi? auf Rechnung des gerade sehr unfruchtbaren Buches, aus dessen Veranlassung er sich ?u?ert. Auch Goethe wandte sich bald von der Lektüre desselben unwillig ab, angeblich weil ihn der Tadel eines in dem Gedicht vorkommenden Motivs verdro?. Auch uns hat die ganze umfangreiche Abhandlung geringere Ausbeute geliefert als die wenigen Seiten, die der vortreffliche Hillebrand dem Gedichte widmet. Gervinus erw?hnt dasselbe nur vorübergehend, weniger, wie wir glauben, aus Gründen seines Prinzips historischer Genesis, dem er selbst h?ufig genug untreu wird, als wegen der seiner Darstellung überhaupt zu Grunde liegenden K?lte gegen den Dichter des Humanismus.
Hermann und Dorothea.
Von allen Dichtungen Goethes ist keine, wenn wir den Werther ausnehmen, gleich anfangs von der Nation mit so allgemeinem Beifall aufgenommen worden, als Hermann und Dorothea. Der Faust, der jetzt vielleicht unter den Goetheschen Werken das popul?rste ist, auch im Auslande, gewann sein Ansehen erst allm?hlich und wohl erst in der sp?teren Gestalt, in der er zur Zeit der romantischen Schule im Jahre 1808 neuvermehrt in zweiter Auflage erschien. Hermann und Dorothea war dem Stoffe nach so deutsch und so menschlich ansprechend und zugleich eine so durchsichtige und vollendete Kunstgestalt, da? das Gedicht sowohl die Menge, die nur nach dem Stoffe urteilt, als den gebildeten Kunstsinn, dem nur die Form, die künstlerische Behandlung gilt, zur Bewunderung hinri?. Schiller erkl?rte, nachdem er Hermann und Dorothea gelesen, dies Gedicht für den Gipfel der Goetheschen, ja aller modernen Kunst. Wilhelm von Humboldt knüpfte in einem eigenen Buche, das bald nach Hermann und Dorothea unter dem Titel ?Aesthetische Versuche? erschien, an dies Gedicht eine ausführliche Er?rterung allgemeiner ?sthetischer Prinzipien. Auch August Wilhelm Schlegel nannte in einer eigenen Beurteilung Hermann und Dorothea ein vollendetes Kunstwerk im gro?en Stil, ein Buch voll goldner Lehren der Weisheit und Tugend. Mit gleicher Bewunderung ?u?ern sich neuere Kritiker. Hermann und Dorothea, sagt Hillebrand, der ganz kürzlich eine vortreffliche Geschichte der deutschen Nationalliteratur von Lessing bis auf die Gegenwart verfa?t hat, Hermann und Dorothea ist ein Bibelwerk deutscher Religion und Tugend. Und Gervinus meint, wenn jetzt ein alter Grieche wieder auferstünde, so w?re in der ganzen neueren Literatur Hermann und Dorothea das einzige Gedicht, das wir ihm ohne Verlegenheit anbieten dürften. Auch Rosenkranz h?lt wie Humboldt und Gervinus Hermann und Dorothea in künstlerischer Hinsicht für das vollendetste von Goethes Werken. Goethe selbst hatte eine besondere Vorliebe für dasselbe: er konnte es, wie er in den Tag- und Jahresheften erz?hlt, nie ohne Thr?nen der Rührung vorlesen.
Ein ?hnliches Urteil spricht unser eigenes Gefühl: wir haben alle das Gedicht, das uns hier besch?ftigen soll, gelesen und genossen. Dennoch aber erh?ht diesen Genu? Mitteilung und klares Bewu?tsein seiner Quellen; die Wirkung, die ein sch?nes Gedicht auf uns macht, strebt von selbst nach einem angemessenen Ausdruck, und da ein wahrhaftes Kunstwerk, wie Hermann und Dorothea, immer halb unbewu?t von dem künstlerischen Genius geschaffen ist, gleichsam eine Unendlichkeit von Absichten in sich birgt, so ist es zwar schwer, ein so beseeltes und ganz individuelles Gebilde treffend zu charakterisieren, gleichsam die F?den seiner Textur aufzuwinden und den Eindruck, den es macht, kritisch in die einzelnen wirkenden Motive zu zerlegen; dennoch aber bietet es gerade durch seinen Reichtum der Auslegung und Betrachtung die verschiedensten Seiten dar und gibt der Aesthetik fruchtbare Gelegenheit, ihre allgemeinen Prinzipien daran zu messen.
Hermann und Dorothea ist ein Epos oder, wie Jean Paul es noch n?her bezeichnet, ein episches Idyll. Wir werden also, um dem Gedicht seine Stelle, gleichsam seine substanzielle Heimat anzuweisen, im folgenden uns ausführlich daran erinnern müssen, welches das Wesen und die Gesetze der epischen Dichtung überhaupt sind; wir werden dann zu Goethe zurückkehren und finden, da? er durch eine einzige Gunst der Natur ganz zum epischen Dichter geboren war und da? das Wesen seiner Dichtung mit dem Wesen der epischen Dichtung auf das glücklichste zusammenf?llt. Wir werden darauf zusehen, ob die Zeit und Nation, in welche der Dichter fiel, dem Epos günstig war oder nicht, welches sein Verh?ltnis zu den gro?en politischen Begebenheiten von damals und zu der ihn umgebenden nationalen Welt war, ob es leicht war hier einen epischen Stoff zu finden und ob der Dichter eine glückliche Wahl dabei getroffen. Wir werden dann weiter die Begebenheit selbst, die der Dichter uns erz?hlend vorführt, die Personen und Charaktere, die er in Handlung setzt, sowie die ganze Art der Darstellung und Behandlung n?her ins Auge fassen. Auch die Diktion, der sprachliche Ausdruck, der Versbau geh?rt zur Charakteristik des Gedichts, sowie zum Schlu? die Begleichung mit den beiden epischen
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