Uber die Dichtkunst | Page 9

Aristotle
Geschichtliche Entwicklung.]
4. _Es spaltete sich aber die Dichtung nach der den Dichtern eigent??mlichen Sinnesart_, denn die edler veranlagten ahmten sittlich gute Taten und Handlungen solcher Personen nach, die von niedriger Gesinnung aber die Handlungen schlechter Menschen, indem sie zuerst Spottlieder dichteten, wie (S. 7) die anderen Hymnen und Loblieder. Von den vorhomerischen Dichtern k??nnen wir freilich kein derartiges Spottgedicht namhaft machen, aber es ist wahrscheinlich da?? es viele Dichter dieser Art gegeben hat. Beginnend mit Homer aber, haben wir gleich seinen Margites und ?¤hnliches.
5. In diesen Gedichten stellte sich auch das _passende Versma??_ ein, deshalb wird es auch jetzt das jambische genannt, weil man in diesem Versma?? sich gegenseitig zu verspotten pflegte (i??mbizon). Von den alten Dichtern wurden dementsprechend die einen Jambendichter, andere dagegen Ependichter.
6. Wie nun auch in bezug auf das sittlich Gute Homer ein wirklicher Dichter war--hat er doch allein nicht nur vortrefflich gedichtet, sondern auch dramatische Handlungen dargestellt--, so hat er auch als Erster die Grundformen der Kom??die angedeutet, indem er nicht ein Spottlied verfa??te, sondern das L?¤cherliche dramatisierte. Ist doch der Margites dem Drama ganz analog, denn wie sich die Ilias und (1449a) Odyssee zur Trag??die, so verh?¤lt sich jener zur Kom??die.
7. Als nun aber die Trag??die und die Kom??die aufgekommen waren, da verfa??ten die Dichter, je nachdem sie sich zu der einen oder der anderen Dichtungsart hingezogen f??hlten, ihrem eigent??mlichen Naturell entsprechend Kom??dien statt Spottgedichte und Trag??dien an Stelle von Epen, weil diese Dichtungsfonnen bedeutungsvoller und h??her gesch?¤tzt waren als jene (?¤lteren).
8. Die Untersuchung, ob die Trag??die bereits hinreichend entwickelt ist oder nicht, sowohl an sich betrachtet als auch in Hinsicht auf die ??ffentliche Auff??hrung ist eine Frage f??r sich. Jedenfalls ist sie selbst, wie auch die Kom??die, urspr??nglich von Stegreifversuchen (S. 8) ausgegangen und zwar jene von dem Chor, der den Dithyrambus anstimmte, diese von den phallischen Liedern, die sich ja bis auf den heutigen Tag noch in vielen St?¤dten im Gebrauch erhalten haben.
9. So ist denn die Trag??die allm?¤hlich herangereift, indem man jede ans Licht tretende Entwicklungsstufe vervollkommnete. Nachdem sie dann viele Wandlungen durchgemacht hatte, blieb sie stehen, da sie die ihrem Wesen entsprechende Gestalt erhalten hatte. Die Zahl der Schauspieler hat Aischylos von einem auf zwei gebracht, auch hat er den Anteil des Chors verringert und dementsprechend dem Dialog die Hauptrolle zugewiesen. Den dritten Schauspieler und gemalte Szenerie hat Sophokles eingef??hrt. (Eine weitere Entwicklungsstufe) war die aus Fabeln geringen Umfangs entstandene Gr????e <....> Der sprachliche Ausdruck, der aus einem burlesken Stil hervorging da er sich aus dem Satyrspiel entwickelte, erlangte erst sp?¤t einen w??rdigen Charakter und der (jambische) Trimeter trat an die Stelle des (troch?¤ischen) Tetrameters. Urspr??nglich gebrauchte man n?¤mlich, da die Dichtung satyrhafter und tanzartiger war, den (troch?¤ischen) Tetrameter. Als aber der (tragische) Stil sich gebildet hatte, fand die Natur selbst das f??r diesen passende Metrum, denn von allen Versma??en eignet sich das jambische am meisten f??r den Gespr?¤chston. Beweis daf??r ist, da?? wir sehr h?¤ufig in unserer Unterhaltung miteinander in jambischen (Trimetern) reden, nur selten aber in Hexametern und auch dann nur, wenn wir ??ber den gew??hnlichen Gespr?¤chston hinausgehen. Ferner ist auch die Zahl der Akte (Episoden) zu erw?¤hnen. Alles ??brige aber, wie ein jedes ausger??stet worden sein soll, lasse man als gesagt gelten, denn es w?¤re doch wohl (S. 9) recht m??hsam, wollte man das Einzelne eingehend besprechen.
* * * * *
KAPITEL V
[Sidenote: c. 5, 3. Geschichtliche Entwicklung.]
1. Die Kom??die ist, wie wir sagten, die nachahmende Darstellung von niedrigeren Charakteren, jedoch keineswegs im vollen Umfang des Schlechten, sondern des Unsch??nen, von dem das L?¤cherliche ein Teil ist. Denn das _L?¤cherliche_ ist sowohl eine Art Vergehen als auch eine Entstellung, die keinen Schmerz verursacht und schadlos ist, wie denn gleich die komische Maske etwas H?¤??liches und Verzerrtes ist, aber nichts Schmerzhaftes an sich hat.
2. Die _Ver?¤nderungen der Trag??die und deren Urheber_ sind nicht verborgen geblieben, die der _Kom??die_ aber, da sie urspr??nglich nicht ernsthaft betrieben wurde, gerieten in Vergessenheit, denn (verh?¤ltnism?¤??ig erst sp?¤t bewilligte der Archon den Kom??diendichtern einen Chor, der (fr??her) nur aus (1449b) Freiwilligen bestand. Erst als die Kom??die ihrerseits gewisse Kunstformen hatte, werden ihre uns ??berlieferten Dichter genannt. Wer aber die Masken oder den Prolog eingef??hrt oder die Zahl der Schauspieler vermehrt hat und was dergleichen mehr ist, ist unbekannt. Die Kunst zusammenh?¤ngende Handlungen zu dichten stammt aus Sizilien..., von den Dichtern Athens aber begann Krates als erster, indem er die Form des pers??nlichen Spottes aufgab, allgemeine Stoffe, d.h. Handlungen zu dramatisieren.
[Sidenote: c. 5, 3. Besonderer Teil. Definition der Trag??die.]
3. Das Epos h?¤lt mit der Trag??die nur bis auf die in metrischer Rede (?) nachahmende Darstellung ernsthafter Stoffe gleichen Schritt, unterscheidet sich aber von ihr darin, da?? es ein und dasselbe Versma?? und die Form der Erz?¤hlung anwendet. Ferner in bezug (S. 10) auf den Umfang der Handlung. W?¤hrend n?¤mlich die _Trag??die sich besonders bem??ht innerhalb eines
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