Uber die Dichtkunst | Page 8

Aristotle
seiner nachahmenden Darstellung
allerlei Versmaße verwendet, wie dies Chairemon in seinem
Epyllion "Der Kentaur", in dem die verschiedenartigsten Versmaße
vorkommen getan hat. So mag also das Urteil über diese Dinge
lauten.
[Sidenote: c. 2, 3. Arten und Unterschiede der Dichtung.]
6. Nun gibt es _einige Künste, die sich aller genannten
Darstellungsmittel bedienen_, (S. 3) ich meine nämlich des
Rhythmus, der gesungenen Rede und des Metrums, wie z.B. die

_Dithyramben_-und Nomendichtung, die _Tragödie_ sowohl wie die
_Komödie_. Sie unterscheiden sich aber wiederum darin, daß die
beiden ersteren diese Mittel durchgängig diese aber nur an
bestimmten Teilen anwenden. Dies sind also die Unterschiede der
Künste nach ihren Darstellungsmitteln.
* * * * *
KAPITEL II
1. Da nun die Nachahmenden Handelnde nachahmen (1448a) so folgt
daraus mit Notwendigkeit, daß diese entweder tugend- oder lasterhaft
sind, denn allein auf diese Gegensätze laufen doch wohl stets unsere
sittlichen Eigenschaften hinaus, indem sich alle in bezug auf ihren
Charakter durch Laster und Tugend unterscheiden
2. Dementsprechend ahmen die Dichter Handelnde nach, die entweder
besser als wir Durchschnittsmenschen sind oder schlechter oder auch
diesen ähnlich Dasselbe finden wir bei den Malern, denn Polygnot
pflegte bessere, Pauson schlechtere und Dionysios der Wirklichkeit
entsprechende Menschen nachzubilden.
[Sidenote: c. 2, 3. Arten und Unterschiede der Dichtung.]
3. Fernerhin ist es klar, daß auch eine jede der erwähnten
nachahmenden Darstellungen eben diese Unterschiede aufweisen wird,
insofern aber eine verschiedene sein wird, als sie verschiedene Objekte
nachahmt. Denn auch beim Tanze, dem Spiel der Flöte und Guitarre
können diese Unähnlichkeiten auftreten und nicht minder in der
prosaischen und rein metrischen Darstellung So hat z.B. Homer bessere
Charaktere, _Klēophon_ uns ähnliche, _Hegēmon_ der Thasier
aber, (S. 4) der erste Parodiendichter und Nikochares, der Verfasser der
"Deliade", schlechtere nachgeahmt. In ähnlicher Weise können bei
den Dithyramben und Nomen diese Verschiedenheiten eintreten. Man
könnte nämlich nachahmend darstellen, wie Argas ... oder wie
Timotheos und Philoxenos den Kyklopen dargestellt haben. Und eben
darin besteht auch ein Unterschied zwischen der Tragödie und
Komödie, denn diese will schlechtere Charaktere nachahmend

darstellen, jene dagegen bessere als sie heutzutage sind.
* * * * *
KAPITEL III
1. Zu den (im obigen behandelten) Darstellungsunterschieden gesellt
sich nun als dritter, die Art und Weise, in der man die einzelnen
Gegenstände nachahmen könnte. Man kann nämlich mit
denselben Darstellungsmitteln dieselben Gegenstände darstellen,
dabei aber einerseits _erzählen_--und zwar entweder, wie Homer dies
tut, in der Person eines anderen oder aber in eigner Person ohne sich zu
ändern--andrerseits so, daß man alle nachahmend dargestellten
Personen als handelnd und in Tätigkeit vorführt. Diese drei also
sind die Unterschiede, in denen sich die nachahmende Darstellung, wie
wir zu Anfang bemerkt haben, vollzieht, nämlich in den Mitteln, den
Gegenständen und der Art und Weise.
2. Darnach wäre also nach der einen Seite Sophokles derselbe
nachahmende Darsteller wie Homer, denn beide ahmen edle Personen
nach, in anderer Hinsicht aber stünde er auf derselben Stufe wie
Aristophanes da beide handelnde und dramatisch tätige Personen
nachahmen.
[Sidenote: c. 4, 1. Ursprung der Dichtung.]
3. Daher behaupten auch einige, daß diese Werke (S. 5) "Dramen"
genannt werden, weil sie handelnde Personen (_drÅntas_) nachahmen.
4. Deshalb machen auch die Dorier Anspruch auf die Tragödie und
Komödie. Die Komödie wollen die Megarer erfunden haben,
sowohl die hier im Mutterlande und zwar zur Zeit als bei ihnen die
Demokratie aufkam, als auch die von Sizilien, denn von dort stamme
Epicharmos, der bei weitem älter gewesen sei als Chionides und
Magnes. Auch führen sie die Namen als Beweis ins Feld. Bei ihnen
nämlich, sagen sie, würden umherliegende Ortschaften "_kÅmai_"
(Dörfer), bei den Athenern aber "_dēmoi_" genannt und sie fügen
hinzu, daß "Komödiant" nicht etwa von "_kÅmázein_"

(umherschwärmen) abgeleitet sei, sondern von deren Wanderung
durch die _kÅmai_, weil sie in der Stadt in (1448b) keiner Achtung
standen. [Ferner behaupten sie, daß sie selbst für "handeln"
"_drÄn_" gebrauchen, die Athener aber "_práttein_"]. Auf die
Erfindung der Tragödie erheben einige im Peloponnes Anspruch
<....> Ãœber die Unterschiede einer nachahmenden Darstellung, deren
Zahl und Art, möge also dies gesagt sein.
* * * * *
KAPITEL IV
[Sidenote: c. 4, 1. Ursprung der Dichtung.]
1. Im allgemeinen scheinen es etwa _zwei und zwar in der
menschlichen Natur begründete Ursachen gewesen zu sein, die die
Dichtkunst hervorgebracht haben_. Denn das Nachahmen ist dem
Menschen von Kindheit an eingepflanzt, unterscheidet er sich doch
dadurch von allen anderen lebenden Wesen, daß er das am eifrigsten
der Nachahmung beflissene Wesen ist, und daß er seine ersten
Kenntnisse vermittelst der Nachahmung sich erwirbt. Auch (S. 6) die
Freude aller an nachahmenden Darstellungen ist für ihn
charakteristisch. Ein Beweis dafür ist, was uns bei Kunstwerken
tatsächlich begegnet. Denn von denselben Gegenständen, die wir
mit Unlust betrachten, sehen. wir besonders sorgfältig angefertigte
Abbildungen mit "Wohlgefallen an, wie z.B. die Formen von ganz
widerwärtigen Tieren und selbst von Leichnamen Der Grund dafür
ist, daß das Lernen nicht nur für
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