Tristan | Page 5

Thomas Mann
Gemeinschaft gehalten) von Anbeginn eine au?erordentliche Ergebenheit und Dienstfertigkeit entgegenbrachte, und mit dem sie in den Freistunden, die eine strenge Tagesordnung ihr lie?, nicht ungern plauderte.
Er n?herte sich ihr mit einer ungeheuren Behutsamkeit und Ehrerbietung und sprach zu ihr nicht anders als mit sorgf?ltig ged?mpfter Stimme, so da? die R?tin Spatz, die an den Ohren krankte, meistens ��berhaupt nichts von dem verstand, was er sagte. Er trat auf den Spitzen seiner gro?en F��?e zu dem Sessel, in dem Herrn Kl?terjahns Gattin zart und l?chelnd lehnte, blieb in einer Entfernung von zwei Schritten stehen, hielt das eine Bein zur��ckgestellt und den Oberk?rper vorgebeugt und sprach in seiner etwas behinderten und schl��rfenden Art leise, eindringlich und jeden Augenblick bereit, eilends zur��ckzutreten und zu verschwinden, sobald ein Zeichen von Erm��dung und ��berdru? sich auf ihrem Gesicht bemerkbar machen w��rde. Aber er verdro? sie nicht; sie forderte ihn auf, sich zu ihr und der R?tin zu setzen, richtete irgendeine Frage an ihn und h?rte ihm dann l?chelnd und neugierig zu, denn manchmal lie? er sich so am��sant und seltsam vernehmen, wie es ihr noch niemals begegnet war.
?Warum sind Sie eigentlich in >Einfried ?Kur? ... Ich werde ein bi?chen elektrisiert. Nein, das ist nicht der Rede wert. Ich werde Ihnen sagen, gn?dige Frau, warum ich hier bin. -- Des Stiles wegen.?
?Ah!? sagte Herrn Kl?terjahns Gattin, st��tzte das Kinn in die Hand und wandte sich ihm mit einem ��bertriebenen Eifer zu, wie man ihn Kindern vorspielt, wenn sie etwas erz?hlen wollen.
?Ja, gn?dige Frau. >Einfried< ist ganz empire, es ist ehedem ein Schlo?, eine Sommer-Residenz gewesen, wie man mir sagt. Dieser Seitenfl��gel ist ja ein Anbau aus sp?terer Zeit, aber das Hauptgeb?ude ist alt und echt. Es gibt Zeiten, in denen ich das empire einfach nicht entbehren kann, in denen es mir, um einen bescheidenen Grad des Wohlbefindens zu erreichen, unbedingt n?tig ist. Es ist klar, da? man sich anders befindet zwischen M?beln weich und bequem bis zur Laszivit?t, und anders zwischen diesen gereadlinigen Tischen, Sesseln und Draperieen ... Diese Helligkeit und H?rte, diese kalte, herbe Einfachheit und reservierte Strenge verleiht mir Haltung und W��rde, gn?dige Frau, sie hat auf die Dauer eine innere Reinigung und Restaurierung zur Folge, sie hebt mich sittlich, ohne Frage....?
?Ja, das ist merkw��rdig?, sagte sie. ?��brigens verstehe ich es, wenn ich mir M��he gebe.?
Hierauf erwiderte er, da? es irgendwelcher M��he nicht lohne, und dann lachten sie miteinander. Auch die R?tin Spatz lachte und fand es merkw��rdig; aber sie sagte nicht, da? sie es verst��nde.
Das Konversationszimmer war ger?umig und sch?n. Die hohe, wei?e Fl��gelt��r zu dem ansto?enden Billard-Raume stand weit ge?ffnet, wo die Herren mit den unbeherrschten Beinen und andere sich vergn��gten. Andererseits gew?hrte eine Glast��r den Ausblick auf die breite Terrasse und den Garten. Seitw?rts davon stand ein Piano. Ein gr��nausgeschlagener Spieltisch war vorhanden, an dem der diabetische General mit ein paar anderen Herren Whist spielte. Damen lasen und waren mit Handarbeiten besch?ftigt. Ein eiserner Ofen besorgte die Heizung, aber vor dem stilvollen Kamin, in dem nachgeahmte, mit gl��hroten Papierstreifen beklebte Kohlen lagen, waren behagliche Plauderpl?tze.
?Sie sind ein Fr��haufsteher, Herr Spinell?, sagte Herrn Kl?terjahns Gattin. ?Zuf?llig habe ich Sie nun schon zwei- oder dreimal um halb acht Uhr am Morgen das Haus verlassen sehen.?
?Ein Fr��haufsteher? Ach, sehr mit Unterschied, gn?dige Frau. Die Sache ist die, da? ich fr��h aufstehe, weil ich eigentlich ein Langschl?fer bin.?
?Das m��ssen Sie nun erkl?ren, Herr Spinell!? -- Auch die R?tin Spatz wollte es erkl?rt haben.
?Nun ... ist man ein Fr��haufsteher, so hat man es, d��nkt mich, nicht n?tig, gar so fr��h aufzustehen. Das Gewissen, gn?dige Frau ... es ist eine schlimme Sache mit dem Gewissen! Ich und meinesgleichen, wir schlagen uns zeit unseres Lebens damit herum und haben alle H?nde voll zu tun, es hier und da zu betr��gen und ihm kleine, schlaue Genugtuungen zuteil werden zu lassen. Wir sind unn��tze Gesch?pfe, ich und meinesgleichen, und abgesehen von wenigen guten Stunden schleppen wir uns an dem Bewu?tsein unserer Unn��tzlichkeit wund und krank. Wir hassen das N��tzliche, wir wissen, da? es gemein und unsch?n ist, und wir verteidigen diese Wahrheit, wie man nur Wahrheiten verteidigt, die man unbedingt n?tig hat. Und dennoch sind wir so ganz vom b?sen Gewissen zernagt, da? kein heiler Fleck mehr an uns ist. Hinzu kommt, da? die ganze Art unserer inneren Existenz, unsere Weltanschauung, unsere Arbeitsweise ... von schrecklich ungesunder, unterminierender, aufreibender Wirkung ist, und auch dies verschlimmert die Sache. Da gibt es nun kleine Linderungsmittel, ohne die man es einfach nicht aushielte. Eine gewisse Artigkeit und hygienische Strenge der Lebensf��hrung zum Beispiel ist manchen von uns Bed��rfnis. Fr��h aufstehen, grausam fr��h, ein kaltes Bad und ein Spaziergang hinaus in den Schnee ... Das macht, da? wir vielleicht eine Stunde lang ein wenig zufrieden mit uns sind. G?be ich mich, wie ich bin, so w��rde ich
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