Torquato Tasso | Page 9

Johann Wolfgang von Goethe
mich; auch hat Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.
Tasso. Und ich, der ich, bet?ubt von dem Gewimmel Des dr?ngenden Gewühls, von so viel Glanz Geblendet, und von mancher Leidenschaft Bewegt, durch stille G?nge des Palasts An deiner Schwester Seite schweigend ging, Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald, Auf deine Fraun gelehnt erschienest--mir Welch ein Moment war dieser! O vergib! Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn Der Gottheit N?he leicht und willig heilt, So war auch ich von aller Phantasie, Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe Mit einem Blick in deinen Blick geheilt. Wenn unerfahren die Begierde sich Nach tausend Gegenst?nden sonst verlor, Trat ich besch?mt zuerst in mich zurück Und lernte nun das Wünschenswerte kennen. So sucht man in dem weiten Sand des Meers Vergebens eine Perle, die verborgen In stillen Schalen eingeschlossen ruht.
Prinzessin. Es fingen sch?ne Zeiten damals an, Und h?tt' uns nicht der Herzog von Urbino Die Schwester weggeführt, uns w?ren Jahre Im sch?nen, ungetrübten Glück verschwunden. Doch leider jetzt vermissen wir zu sehr Den frohen Geist, die Brust voll Mut und Leben, Den reichen Witz der liebenswürd'gen Frau.
Tasso. Ich wei? es nur zu wohl, seit jenem Tage, Da sie von hinnen schied, vermochte dir Die reine Freude niemand zu ersetzen. Wie oft zerriss es meine Brust! Wie oft Klagt' ich dem stillen Hain mein Leid um dich! Ach! Rief ich aus, hat denn die Schwester nur Das Glück, das Recht, der Teuern viel zu sein? Ist denn kein Herz mehr wert, dass sie sich ihm Vertrauen dürfte, kein Gemüt dem ihren Mehr gleich gestimmt? Ist Geist und Witz verloschen? Und war die eine Frau, so trefflich sie Auch war, denn alles? Fürstin! O verzeih! Da dacht' ich manchmal an mich selbst und wünschte, Dir etwas sein zu k?nnen. Wenig nur, Doch etwas, nicht mit Worten, mit der Tat Wünscht' ich's zu sein, im Leben dir zu zeigen, Wie sich mein Herz im Stillen dir geweiht. Doch es gelang mir nicht, und nur zu oft Tat ich im Irrtum was dich schmerzen musste, Beleidigte den Mann, den du beschütztest, Verwirrte unklug was du l?sen wolltest, Und fühlte so mich stets im Augenblick, Wenn ich mich nahen wollte, fern und ferner.
Prinzessin. Ich habe, Tasso, deinen Willen nie Verkannt und wei?, wie du, dir selbst zu schaden, Gesch?ftig bist. Anstatt dass meine Schwester Mit jedem, wie er sei, zu leben wei?, So kannst du selbst nach vielen Jahren kaum In einen Freund dich finden.
Tasso. Tadle mich! Doch sage mir hernach: Wo ist der Mann, Die Frau, mit der ich wie mit dir Aus freiem Busen wagen darf zu reden?
Prinzessin. Du solltest meinem Bruder dich vertraun.
Tasso. Er ist mein Fürst!--Doch glaube nicht, dass mir Der Freiheit wilder Trieb den Busen bl?he. Der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein, Und für den Edeln ist kein sch?ner Glück, Als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen. Und so ist er mein Herr, und ich empfinde Den ganzen Umfang dieses gro?en Worts. Nun muss ich schweigen lernen, wenn er spricht, Und tun, wenn er gebietet, m?gen auch Verstand und Herz ihm lebhaft widersprechen.
Prinzessin. Das ist der Fall bei meinem Bruder nie, Und nun, da wir Antonio wieder haben, Ist dir ein neuer kluger Freund gewiss.
Tasso. Ich hofft' es ehmals, jetzt verzweifl' ich fast. Wie lehrreich w?re mir sein Umgang, nützlich Sein Rat in tausend F?llen! Er besitzt, Ich mag wohl sagen, alles, was mir fehlt. Doch--haben alle G?tter sich versammelt, Geschenke seiner Wiege darzubringen-- Die Grazien sind leider ausgeblieben, Und wem die Gaben dieser Holden fehlen, Der kann zwar viel besitzen, vieles geben, Doch l?sst sich nie an seinem Busen ruhn.
Prinzessin. Doch l?sst sich ihm vertraun, und das ist viel. Du musst von einem Mann nicht alles fordern, Und dieser leistet, was er dir verspricht. Hat er sich erst für deinen Freund erkl?rt, So sorgt er selbst für dich, wo du dir fehlst. Ihr müsst verbunden sein! Ich schmeichle mir, Dies sch?ne Werk in kurzem zu vollbringen. Nur widerstehe nicht, wie du es pflegst! So haben wir Lenore lang besessen, Die fein und zierlich ist, mit der es leicht Sich leben l?sst; auch dieser hast du nie, Wie sie es wünschte, n?her treten wollen.
Tasso. Ich habe dir gehorcht, sonst h?tt' ich mich Von ihr entfernt, anstatt mich ihr zu nahen. So liebenswürdig sie erscheinen kann, Ich wei? nicht, wie es ist, konnt' ich nur selten Mit ihr ganz offen sein, und wenn sie auch Die Absicht hat, den Freunden wohl zu tun, So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt.
Prinzessin. Auf diesem Wege werden wir wohl nie Gesellschaft finden, Tasso! Dieser Pfad Verleitet uns, durch einsames Gebüsch, Durch stille T?ler fortzuwandern; mehr Und mehr verw?hnt sich das Gemüt, und strebt, Die goldne Zeit, die ihm von au?en mangelt, In seinem Innern wieder herzustellen, So wenig der Versuch
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