Torquato Tasso | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
Qual. Du warst allein, der aus dem engen Leben Zu einer sch?nen Freiheit mich erhob; Der jede Sorge mir vom Haupte nahm, Mir Freiheit gab, dass meine Seele sich Zu mutigem Gesang entfalten konnte; Und welchen Preis nun auch mein Werk erh?lt, Euch dank' ich ihn; denn euch geh?rt es zu.
Alphons. Zum zweiten Mal verdienst du jedes Lob, Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich.
Tasso. O k?nnt' ich sagen wie ich lebhaft fühle, Dass ich von Euch nur habe, was ich bringe! Der tatenlose Jüngling--nahm er wohl Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung Des raschen Krieges--hat er die ersonnen? Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held An dem beschiednen Tage kr?ftig zeigt, Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Mut, Und wie sich List und Wachsamkeit bek?mpft, Hast du mir nicht, o kluger, tapfrer Fürst, Das alles eingefl??t als w?rest du Mein Genius, der eine Freude f?nde, Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen Durch einen Sterblichen zu offenbaren?
Prinzessin. Genie?e nun des Werks, das uns erfreut!
Alphons. Erfreue dich des Beifalls jedes Guten!
Leonore. Des allgemeinen Ruhms erfreue dich!
Tasso. Mir ist an diesem Augenblick genug. An euch nur dacht' ich wenn ich sann und schrieb; Euch zu gefallen, war mein h?chster Wunsch, Euch zu erg?tzen, war mein letzter Zweck. Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht, Verdient nicht, dass die Welt von ihm erfahre. Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis, In dem sich meine Seele gern verweilt. Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink, Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack; Ja, Welt und Nachwelt seh' ich vor mir stehn. Die Menge macht den Künstler irr' und scheu: Nur wer Euch ?hnlich ist, versteht und fühlt, Nur der allein soll richten und belohnen!
Alphons. Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor, So ziemt es nicht nur mü?ig zu empfangen. Das sch?ne Zeichen, das den Dichter ehrt, Das selbst der Held, der seiner stets bedarf, Ihm ohne Neid ums Haupt gewunden sieht, Erblick' ich hier auf deines Anherrn Stirne.
(Auf die Herme Virgils deutend.)
Hat es der Zufall, hat's ein Genius Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier Uns nicht umsonst. Virgil h?r' ich sagen: Was ehret ihr die Toten? Hatten die Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten; Und wenn ihr uns bewundert und verehrt, So gebt auch den Lebendigen ihr Teil. Mein Marmorbild ist schon bekr?nzt genug-- Der grüne Zweig geh?rt dem Leben an.
(Alphons winkt seiner Schwester; sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und n?hert sich Tasso. Er tritt zurück.)
Leonore. Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz, Den sch?nen unverwelklichen, dir bietet!
Tasso. O lasst mich z?gern! Seh' ich doch nicht ein, Wie ich nach dieser Stunde leben soll.
Alphons. In dem Genuss des herrlichen Besitzes, Der dich im ersten Augenblick erschreckt.
Prinzessin (indem sie den Kranz in die H?he h?lt). Du g?nnest mir die seltne Freude, Tasso, Dir ohne Wort zu sagen, wie ich denke.
Tasso. Die sch?ne Last aus deinen teuren H?nden Empfang' ich kniend auf mein schwaches Haupt.
(Er kniet nieder, die Prinzessin setzt ihm den Kranz auf.)
Leonore (applaudierend). Es lebe der zum ersten Mal bekr?nzte! Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!
(Tasso steht auf.)
Alphons. Es ist ein Vorbild nur von jener Krone, Die auf dem Kapitol dich zieren soll.
Prinzessin. Dort werden lautere Stimmen dich begrü?en; Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.
Tasso. O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder, Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken, Und wie ein Strahl der Sonne, der zu hei? Das Haupt mir tr?fe, brennt er mir die Kraft Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!
Leonore. Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt Des Manns, der in den hei?en Regionen Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
Tasso. Ich bin nicht wert, die Kühlung zu empfinden, Die nur um Heldenstirnen wehen soll. O hebt ihn auf, ihr G?tter, und verkl?rt Ihn zwischen Wolken, dass er hoch und h?her Und unerreichbar schwebe! Dass mein Leben Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sei!
Alphons. Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Wert Der holden Güter dieses Lebens sch?tzen; Wer früh genie?t, entbehrt in seinem Leben Mit Willen nicht, was er einmal besa?; Und wer besitzt, der, muss gerüstet sein.
Tasso. Und wer sich rüsten will, muss eine Kraft Im Busen fühlen, die ihm nie versagt. Ach! Sie versagt mir eben jetzt! Im Glück Verl?sst sie mich, die angeborne Kraft, Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht Begegnen lehrte. Hat die Freude mir, Hat das Entzücken dieses Augenblicks Das Mark in meinen Gliedern aufgel?st? Es sinken meine Knie! Noch einmal Siehst du, o Fürstin, mich gebeugt vor dir! Erh?re meine Bitte: Nimm ihn weg! Dass, wie aus einem sch?nen Traum erwacht, Ich ein erquicktes neues Leben fühle.
Prinzessin. Wenn du bescheiden ruhig das Talent, Das dir die G?tter gaben, tragen kannst, So lern' auch diese Zweige tragen,
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