Timon von Athen | Page 9

William Shakespeare
Schelme und
Wucherers Sclaven! Kuppler zwischen Geld und Mangel!

Alle. Was sind wir, Apemanthus?
Apemanthus. Esel.
Alle. Was?
Apemanthus. Wenn ihr euch selbst kenntet, so brauchtet ihr mich nicht
zu fragen. Rede du mit ihnen, Narr.
Harlequin. Was lebt ihr gutes, meine Herren?
Alle. Grossen Dank, Narr; was macht eure Frau?
Narr. Sie sezt eben Wasser über, um solche Hühnchen abzubrühen, wie
ihr seyd. Ich wünschte wir könnten das Vergnügen haben, euch zu
Corinth* zu sehen.
{ed.-* Ein unter gewissen Leuten übliches Wort anstatt Bordell,
vermuthlich von der Ausgelassenheit dieser alten Griechischen Stadt
hergenommen; wovon (Alexander ab Alexandro) sagt:(Corinthi super
mille Prostitutae in templo Veneris assiduae degere & inflammata
libidine quaestui meretricio operam dare & velut Sacrorum
ministrae Deae famulari solebant.) Warbürton.}
Apemanthus. Grossen Dank für den guten Wunsch! (Ein Page zu den
Vorigen.)
Narr. Seht, hier kommt meiner Frauen Page.
Page. Wie geht's, Capitain, Was macht ihr in dieser weisen Gesellschaft?
Wie befindst du dich, Apemanthus?
Apemanthus. Ich wollt', ich hätte eine Ruthe in meinem Maul, um dir
eine heilsame Antwort geben zu können.
Page. Ich bitte dich Apemanthus, lies mir die Aufschrift auf diesen
Briefen; ich weiß nicht, wem jeder gehört.
Apemanthus. Kanst du nicht lesen?

Page. Nein.
Apemanthus. Es wird also an dem Tag, da du gehängt werden wirst,
nicht viel Gelehrtheit sterben--Dieser ist an Lord Timon, dieser an
Alcibiades. Geh, du wardst ein Huren-Sohn gebohren, und wirst als ein
Huren- Wirth sterben.
Page. Und du wardst als ein Hund geworffen, und wirst verhungern,
wie ein Hund. Antworte mir nicht, ich gehe.
(Er geht ab.)
Apemanthus. Narr, ich will mit euch zum Lord Timon gehn.
Harlequin. Wollt ihr mich dort verlassen?
Apemanthus. Wenn Timon bey Hause ist--Ihr drey dient bey drey
Wucherern?
Alle. Ich wollte, sie dienten uns.
Apemanthus. Das wollt' ich auch--Ein so feiner Streich, als jemals ein
Henker einem Dieb gespielt hat!
Harlequin. Seyd ihr Drey Wucherers-Leute?
Alle. Ja, Narr.
Harlequin. Ich glaub', es giebt in der ganzen Welt keinen Wucherer, der
nicht einen Narren zum Diener hat. Meine Frau gehört auch in diese
Zunft, und ich bin ihr Narr; wenn die Leute zu euern Herren gehn um
Geld zu borgen, so kommen sie traurig, und gehn lustig fort; aber in
meiner Frauen Haus gehn sie lustig hinein, und traurig wieder fort.
Wißt ihr die Ursach?
Varro. Ich könnte wol eine sagen.
Harlequin. So thue es dann, damit wir sehen, daß du ein Hurenjäger
und ein Lumpenhund bist; wofür du aber, auch ohne das, nichts desto

minder gehalten werden sollst.
Varro. Was ist ein Hurenjäger, Narr?
Harlequin. Ein Narr in hübschen Kleidern, und dir in etwas ähnlich. Es
ist ein Geist; zuweilen läßt er sich in Gestalt eines Edelmanns sehen,
zuweilen in Gestalt eines Advocaten, zuweilen in Gestalt eines
Philosophen, mit zwey Steinen, ohne den Stein der Weisen zu rechnen.
Sehr oft nimmt er die Gestalt eines Soldaten an, und überhaupt ist keine
Gestalt, worinn der Mensch von achtzig Jahren bis zu dreyzehn, nur
immer gesehen werden mag, in welcher dieser Geist nicht spüke.
Varro. Du bist nicht ganz ein Narr.
Harlequin. Und du nicht ganz gescheidt; ich habe gerade so viel
Narrheit, als dir an Gescheidtheit mangelt.
Apemanthus. Das ist eine Antwort, deren Apemanthus sich nicht zu
schämen hätte.
Alle. Auf die Seite, auf die Seite, der Lord Timon kommt. (Timon und
Flavius treten auf.)
Apemanthus. Komm mit mir, Narr, komm mit.
Harlequin. Einem Liebhaber, einem ältern Bruder, und einem
Weibsbild folg' ich nicht allemal; izt will ich einmal einem Philosophen
folgen.
Flavius
(zu den Vorigen.)
Seyd so gut, und spaziert ein wenig dort, ich will gleich mit euch reden.
(Die Gläubiger, Apemanthus und Harlequin, treten ab.)

Vierte Scene. (Timon. Flavius.)
Timon. Ihr sezt mich in Erstaunen: Warum habt ihr mir denn meine
Umstände nicht eher vollständig vorgelegt, damit ich meine Ausgaben
nach dem Ertrag meiner Mittel hätte einrichten können?
Flavius. Ich hab euch in manchen müßigen Stunden daran erinnert, aber
ihr wolltet mich nicht anhören.
Timon. Ausflüchte! Ihr habt vielleicht gerade die Augenblike
ausgesucht, da ich nicht bey guter Laune war; und izt bedient ihr euch
dessen, euch selbst auf meine Unkosten zu entschuldigen.
Flavius. O! mein gnädiger Herr, ich brachte meine Rechnungen
manchmal, und legte sie euch vor; ihr warfet sie weg, und sagtet, ihr
verlasset euch auf meine Ehrlichkeit. Wenn ihr, für irgend ein
nichtswürdiges Geschenk von euern Freunden, mir so oder so viel
dagegen zu geben befahlet, schüttelt' ich den Kopf und weinte; ja, ich
übertrat oft die Geseze des Wohlstands und bat euch, ein wenig
sparsamer im Austheilen zu seyn: Ich bekam nicht selten und nicht
kleine Verweise, wenn ich Euch die Ebbe euers Vermögens, und die
grosse Fluth eurer Schulden vorstellte. Mein allerliebstes Herr, ob ihr
gleich izt zu spät höret, so ist doch noch izt eine Zeit; die Summe alles
dessen, was ihr habt, mangelt nur eine Helfte, um alle eure
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