Timon von Athen | Page 9

William Shakespeare
fort. Wi?t ihr die Ursach?
Varro. Ich k?nnte wol eine sagen.
Harlequin. So thue es dann, damit wir sehen, da? du ein Hurenj?ger und ein Lumpenhund bist; wofür du aber, auch ohne das, nichts desto minder gehalten werden sollst.
Varro. Was ist ein Hurenj?ger, Narr?
Harlequin. Ein Narr in hübschen Kleidern, und dir in etwas ?hnlich. Es ist ein Geist; zuweilen l??t er sich in Gestalt eines Edelmanns sehen, zuweilen in Gestalt eines Advocaten, zuweilen in Gestalt eines Philosophen, mit zwey Steinen, ohne den Stein der Weisen zu rechnen. Sehr oft nimmt er die Gestalt eines Soldaten an, und überhaupt ist keine Gestalt, worinn der Mensch von achtzig Jahren bis zu dreyzehn, nur immer gesehen werden mag, in welcher dieser Geist nicht spüke.
Varro. Du bist nicht ganz ein Narr.
Harlequin. Und du nicht ganz gescheidt; ich habe gerade so viel Narrheit, als dir an Gescheidtheit mangelt.
Apemanthus. Das ist eine Antwort, deren Apemanthus sich nicht zu sch?men h?tte.
Alle. Auf die Seite, auf die Seite, der Lord Timon kommt. (Timon und Flavius treten auf.)
Apemanthus. Komm mit mir, Narr, komm mit.
Harlequin. Einem Liebhaber, einem ?ltern Bruder, und einem Weibsbild folg' ich nicht allemal; izt will ich einmal einem Philosophen folgen.
Flavius
(zu den Vorigen.)
Seyd so gut, und spaziert ein wenig dort, ich will gleich mit euch reden.
(Die Gl?ubiger, Apemanthus und Harlequin, treten ab.)

Vierte Scene. (Timon. Flavius.)
Timon. Ihr sezt mich in Erstaunen: Warum habt ihr mir denn meine Umst?nde nicht eher vollst?ndig vorgelegt, damit ich meine Ausgaben nach dem Ertrag meiner Mittel h?tte einrichten k?nnen?
Flavius. Ich hab euch in manchen mü?igen Stunden daran erinnert, aber ihr wolltet mich nicht anh?ren.
Timon. Ausflüchte! Ihr habt vielleicht gerade die Augenblike ausgesucht, da ich nicht bey guter Laune war; und izt bedient ihr euch dessen, euch selbst auf meine Unkosten zu entschuldigen.
Flavius. O! mein gn?diger Herr, ich brachte meine Rechnungen manchmal, und legte sie euch vor; ihr warfet sie weg, und sagtet, ihr verlasset euch auf meine Ehrlichkeit. Wenn ihr, für irgend ein nichtswürdiges Geschenk von euern Freunden, mir so oder so viel dagegen zu geben befahlet, schüttelt' ich den Kopf und weinte; ja, ich übertrat oft die Geseze des Wohlstands und bat euch, ein wenig sparsamer im Austheilen zu seyn: Ich bekam nicht selten und nicht kleine Verweise, wenn ich Euch die Ebbe euers Verm?gens, und die grosse Fluth eurer Schulden vorstellte. Mein allerliebstes Herr, ob ihr gleich izt zu sp?t h?ret, so ist doch noch izt eine Zeit; die Summe alles dessen, was ihr habt, mangelt nur eine Helfte, um alle eure Schulden zu bezahlen.
Timon. La?t alle meine ligende Güter verkauft werden.
Flavius. Sie sind meistens versezt, einige gar schon verfallen, oder sonst ver?ussert; und der Rest wird kümmerlich zureichen, die dringendsten Schulden zu verstopfen; die künftige Zeit rükt heran; wovon sollen wir unterdessen leben, und wie werden wir zulezt mit unsrer Rechnung bestehen k?nnen?
Timon. Meine L?ndereyen erstrekten sich bis nach Laced?mon.
Flavius. Ach, mein Gn?diger Herr, die Welt ist nur ein Wort; w?re sie ganz euer, so da? ihr sie in einem Athemzug weggeben k?nntet, wie schnell würde sie weg seyn!
Timon. Ihr habt recht.
Flavius. Wofern ihr einigen Verdacht in meine Wirthschaft oder Treue sezet, so fordert mich vor die sch?rfesten Richter, und stellt mich auf die Probe. Die G?tter seyen mir gn?dig, so wie ich die Wahrheit sage! Wenn alle eure Vorraths-Kammern von schwelgerischen Prassern ersch?pft wurden; wenn die Gew?lbe und Deken in euern S?len von Wein tr?uffelten, der in trunknem Muthwillen versprizt wurde; wenn jedes Zimmer von Lichtern funkelte, und von Spielleuten zertrappt wurde; zog ich mich oft in einen dunkeln Winkel unter dem Dach zurük, um meinen Thr?nen freyen Lauf zu lassen.
Timon. Ich bitte dich, nichts mehr,
Flavius. Himmel! rief ich aus! wie gütig dieser Herr ist! Wie manche verschwenderische Bissen haben in dieser Nacht Sclaven und Bauren verschlukt! Wer ist izt nicht Timons? Welches Herz, welcher Kopf, welches Schwerdt, welches Verm?gen und Ansehen steht nicht zu Timons Diensten? des grossen, des edeln, würdigen, k?niglichen Timons? Aber wenn die Mittel hin sind, die diese Lobsprüche erkauften, so ist auch der Athem hin, woraus diese Lobsprüche gemacht waren--La?t nur eine einzige Winterwolke schaudern, so ligen alle diese Fliegen.
Timon. Komm, es ist genug geprediget! Mein Herz kan mir doch wegen meiner Gütigkeit keinen Vorwurf machen. Unweislich, nicht unedel hab' ich weggegeben; warum weinst du? Kanst du f?hig seyn, dir einzubilden, es werde mir jemals an Freunden fehlen? Beruhige dich! Wenn ich die Gef?sse meiner Liebe anzapfen, und den Inhalt ihrer Herzen durch Borgen auf die Probe sezen wollte, ich k?nnte mich ihrer Personen und ihres Verm?gens so frey bedienen, als ich dir befehlen kan zu reden.
Flavius. Die G?tter geben da? die Erfahrung eure Hoffnung erfülle!
Timon. Und gewisser Maassen leisten mir diese Bedürfnisse einen Dienst, der sie in meinen Augen zu grossen Vortheilen macht; denn durch sie werd' ich Freunde bew?hren. Ihr werdet sehen, wie sehr ihr euch über meine Glüks-Umst?nde betrügt; ich bin an Freunden
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