Tahiti. Erster Band. | Page 7

Friedrich Gerstäcker
da krachten wahrhaftig wieder die Büsche. Nichtsdestoweniger
trank er erst in aller Ruhe, denn er wußte recht gut daß er hier oben in
seiner festen Stellung nicht so plötzlich überrascht werden konnte,
stellte dann die Nuß vorsichtig und ein paar Steine darum legend, bei
Seite, daß sie nicht umfiel und seinen Wasservorrath gleich um die
Hälfte verringerte, griff seine beiden Terzerole auf, und schaute dann,
hinter irgend einen der größten Steine gedrückt, aufmerksam nach
dorthin von woher sich jetzt vorsichtig irgend Jemand zu nähern schien.
Es dauerte auch nicht lange, so konnte er schon die bunten
Kattunüberwürfe mehrerer Eingeborener erkennen, die langsam und
aufmerksam den Boden betrachtend, seinen hinterlassenen Spuren
folgten.
Wie viele es waren ließ sich noch nicht erkennen, das blieb sich aber
auch gleich; war er erst einmal aufgefunden, so konnten sie, so sie
überhaupt feindliche Absichten hatten, leicht Verstärkung holen, und er
mußte vor allen Dingen sehen sich auf eine friedliche Art mit ihnen zu
verständigen. Die Terzerole konnten ihm aber dabei nur mehr Schaden
als Nutzen bringen, und er steckte sie deshalb vorläufig wieder in die
Tasche, die Ankunft der Indianer jetzt auf das ruhigste und kaltblütigste
erwartend.
Diese ließen ihn auch nicht lange mehr über ihre Absicht im Zweifel.
Der Erste der voranging mochte eine gewisse Obergewalt über die
Andern haben, denn dicht unter den Steinen, auf denen sie den
Flüchtling gar nicht zu vermuthen schienen, sandte er zwei rechts und
zwei links ab, zu sehen wohin sich die Spuren etwa den Berg wieder
hinunter zögen, während er selber gerade auf den Felsen zukam. René
wußte recht gut daß er von diesen fünf Leuten noch weiter keine
Gefahr zu fürchten hatte, und doch jedenfalls aufgefunden werden
mußte, sich also deshalb aufrichtend, und mit beiden Ellbogen auf
einem der vor ihm liegenden Blöcke stützend, sah er erst eine kurze
Weile den Mann unten, der auf dem hier steinigen Boden nicht recht

mit der Spur einig zu sein schien, lächelnd zu, und sagte dann plötzlich
mit lauter Stimme den schon mehrfach gehörten und behaltenen Gruß:
»~Joranna-boy~!«
Wäre dem Eingebornen, der gebückt und die Augen fest auf den Boden
geheftet, fast gerade unter ihm stand, ein grimmer Tausendfuß über den
Nacken gelaufen, er hätte nicht rascher und mehr erschreckt in die
Höhe und zur Seite springen können, und erst das laute Lachen René's,
der auf ihn herunterschaute, als ob Jemand aus dem Fenster einer
höheren Etage sieht, brachte ihn wieder ein wenig zu sich. Der erste
Schrei, den er aber in voller Ueberraschung ausgestoßen war
hinreichend gewesen, seine Gefährten um ihn zu sammeln, und die fünf
rothen Burschen, die hier mit so feindseligen Absichten
heraufgekommen waren, wußten eigentlich nicht recht wie ihnen
geschah, als sie den gerade, von dem sie die grimmigste Gegenwehr
erwartet, in der größten Gemütlichkeit vor sich und so friedlich gesinnt
fanden, wie sie es nimmer hätten erwarten dürfen.
Erst sahen sie eine ganze Zeitlang schweigend zu ihm empor -- es war
augenscheinlich, sie mißtrauten noch dem äußeren Ansehn der Dinge --
diese Freundlichkeit konnte Maske sein sie plötzlich zu überrumpeln,
und obgleich sie bewaffnet waren, d. h. zwei führten Tapa-Hölzer und
die andern drei Einer ein Beil und Zweie Messer -- und der Weiße
unten ihnen die Versicherung gegeben hatte daß der Flüchtling nichts
derartiges mitgenommen habe, wußten sie doch nicht welche
außerordentlichen Mittel ihm sonst vielleicht zu Gebote stehen
möchten ihnen zu schaden. Sie waren allerdings willens die ausgesetzte
Belohnung zu verdienen, dachten aber dabei gar nicht daran ihren Leib
oder gar ihr Leben irgend einer unnöthigen und zu vermeidenden
Gefahr auszusetzen.
René blieb übrigens in seiner nichts weniger als feindlichen Stellung,
wobei er sich jedoch wohl gehütet hatte seine Gestalt den Fernröhren
des Schiffes preis zu geben, und da die so erstaunten und verdutzten
Gestalten der Indianer allerdings komisch genug aussehen mußten, und
er sich gar keine Mühe gab sein Lachen zu verbergen, so verlor sich
diese Furcht denn auch endlich.

Der Führer sah seine Begleiter erst ganz ernsthaft an, und dann verzog
ein breites Grinsen oder Feixen seine sonst gutmüthigen Züge, während
sich diese noch eine kleine Weile zu geniren schienen, -- endlich
mochte ihnen das Komische ihrer Lage aber auch wohl einleuchtend
werden. Der Eine schnitt auf einmal ein ganz freundliches Gesicht, und
war dann urplötzlich wieder so ernst und finster als vorher, als er aber
den Häuptling ansah und dessen ausbrechende Fröhlichkeit bemerkte,
glaubte er auch wahrscheinlich dem Anstand volle Genüge geleistet zu
haben, und platzte nun auf einmal so rasch und laut heraus, daß sich die
Andern ordentlich erschreckt nach ihm umsahen.
»~Joranna, Joranna~!« rief jetzt der Erste hinauf, dem augenscheinlich
ein Stein vom Herzen gefallen schien, da er die Sache sich so friedlich
lösen sah -- und es zeigte sich jetzt daß er auch etwas gebrochen
englisch sprach, wie man fast auf allen diesen Inseln Einzelne findet,
die Worte
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