Stufen | Page 5

Christian Morgenstern
heute st��rbe, glaube ich, alt genug geworden zu sein. Ich bin dann wenigstens alt genug geworden, um sterben zu k?nnen.
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Warum mu? ich so unaufh?rlich unter mir und anderen leiden! Meine Seele ist fortw?hrend das Spiel ��ber sie hinziehender Schatten.
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F��r mich gibt es nur ein Mittel, um die Achtung vor mir selbst nicht einzub��?en: Fortw?hrende Kritik.
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Der alte oft erprobte Fluch: Mein Typus Weib bleibt mir ewig verborgen.
Was will ich denn! Einen Kameraden, eine freie Seele, einen anmutigen K?rper.
In Ru?land f?nde ich diese Gef?hrtin, in Italien -- nein. In Deutschland, dem f��r mich doch allein zul?ssigen Lande -- wo, wo, wo?
Ihr wollt alle nur die Liebe zur M?glichkeit haben. Ich habe nur die Liebe zur Unm?glichkeit.
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Kritik, Kritik, nimmer genug Kritik, ein Spiegel sei mir noch das letzte Tor.
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Wie die Nacht ��ber einen Tod zieht, so zieht Vergessenheitsnacht alln?chtlich ��ber mein Gehirn. Ja, oft hat ein Tag so viele Tage und N?chte, wie bei andern wohl oft Wochen und Monate. Wenn mich jemand hypnotisierte, ich sei eine M��cke und h?tte nur einen Tag zu leben, so glaube ich wohl, da? dieser Tag f��r mich ein ganzes Leben werden k?nnte.
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Ich habe soeben eine lange leidenschaftliche Epistel an meinen Ofen verfa?t und sie ihm dann gegeben. Er verschlang sie gierig und w?rmte mir mit seinem Feuer zwei Minuten lang Gesicht und H?nde. Gewi?, das war alles; aber es gibt Menschen, die nicht einmal wie ein Ofen zu antworten verm?gen.
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Ich ermangele ganz des Verm?gens, mir nach einer Beschreibung -- und wenn sie noch so genau ist -- ein Zimmer oder eine Landschaft vorzustellen. B��hnenanweisungen gehen an mir meistens spurlos vor��ber und Schilderungen etwa wie des Hauses der Buddenbrooks gehen nur mit einigen groben Z��gen in mein Gehirn ein.
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Ich habe sehr sichere Instinkte, aber nicht die Gabe, eingehend zu begr��nden, zu erkl?ren. Die Mehrzahl der Heutigen hat umgekehrt die Gabe des Begr��ndens und Erkl?rens in hohem Ma?e, aber daf��r keine innere Direktion. Es ist unendlich qu?lend, die Berechtigung seines Urteils immer wieder aufs neue beweisen zu sollen.
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Ich bin wie eine Brieftaube, die man vom Urquell der Dinge in ein fernes, fremdes Land getragen und dort freigelassen hat. Sie trachtet ihr ganzes Leben nach der einstigen Heimat, ruhlos durchmi?t sie das Land nach allen Seiten. Und oft f?llt sie zu Boden in ihrer gro?en M��digkeit, und man kommt, hebt sie auf, pflegt sie und will sie ans Haus gew?hnen. Aber so bald sie die Fl��gel nur wieder f��hlt, fliegt sie von neuem fort, auf die einzige Fahrt, die ihrer Sehnsucht gen��gt, die unvermeidliche Suche nach dem Ort ihres Ursprungs.
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Wenn ich etwas an Christus verstehe, so ist es das: 'Und er entwich vor ihnen in die W��ste.'
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Wie wenig meiner sicher bin ich doch noch. Mit welcher Leichtfertigkeit habe ich heute Abend ��ber Menschen geredet: so da? ich nun nachts ��ber mich erschrecke. (Ich werde mir doch das Armband 'Denke daran' anlegen m��ssen.)
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Eines kann ich wohl als Merkwort ��ber all mein Leben und seine Erfahrungen schreiben: Fast alles, was ich geworden bin, verdanke ich mir selber, einigen Privatpersonen und dem Zufall. Von irgendeiner bewu?ten organischen Kultur um mich herum, die das Einzelindividuum zu benutzen und systematisch auszubilden vermocht h?tte, sp��rte ich nie etwas. Weder Eltern noch Lehrer noch irgendwer hat mich je kraftvoll in die Hand genommen und in gro?em Sinne erzogen. Und wenn ich, ein Mensch von urspr��nglich gl?nzender Begabung, alles in allem ein Dilettant geblieben bin, so hat die H?lfte der Schuld daran gewi? die Unsumme von Dilettantismus, von Halbheit und Kulturlosigkeit, die ich ��berall gefunden habe, wohin mich meine bewegte Jugend gef��hrt hat. (Gelegentlich der herrlichen Schilderung der Krapotkinschen Jugend.)
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Es ist bitter, sich sagen zu m��ssen, da? man zwischen 35 und 45 zu erledigen hat, was man zwischen 45 und 60 h?tte sollen erledigen k?nnen.
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Ihr macht mir aus meiner gleichm??igen H?flichkeit gegen alle einen Vorwurf. Aber, was wollt ihr! Es gibt gewi? nicht gar so viele, denen es leicht f?llt, die Menschen zu lieben. Nun, mir f?llt es zuweilen leicht: warum sollte ich da gewaltsam unfreundlich zu ihnen sein? Ich finde an jedem etwas, was mir Sympathie oder doch Interesse abn?tigt; und w��rde nicht mein Gef��hl vom Einssein mit allem eine L��ge sein, wenn ich irgendeinem Mitmenschen gegen��ber v?llig kalt bleiben k?nnte?
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Ich bin der leichterregbarste und unbeeinflu?barste Mensch, den ich kenne.
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Ist es ein Wunder, wenn dann und wann eine Nuance von Hochmut in einem auftaucht. Wenn man der offenbaren Niedertracht gegen��ber zuweilen eisig wird -- das Einzige, das ihr nicht zu Gebote steht.
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