Stufen
The Project Gutenberg EBook of Stufen, by Christian Morgenstern
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Title: Stufen Eine Entwickelung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen
Author: Christian Morgenstern
Release Date: May 25, 2005 [EBook #15898]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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CHRISTIAN MORGENSTERN
STUFEN EINE ENTWICKELUNG IN APHORISMEN UND
TAGEBUCH-NOTIZEN
[Illustration]
R PIPER & CO VERLAG MÜNCHEN
1922
Zeichnung von Hans Wildermann frei nach einem Entwurf Christian
Morgensterns zu Seite 42: Bild meines Lebens.
Stil: Weltliche Periode (Nietzsche) beendet durch innere Krankheit.
Schale: Öffnung durch Johanneisches.
Blut: Erfüllung.
_'Nur wer sich wandelt, bleibt mit mir verwandt.'_
AUTOBIOGRAPHISCHE NOTIZ
1913
Ich wurde am 6. Mai 1871 als einziges Kind des Landschaftsmalers
Carl Ernst Morgenstern (Sohnes des Landschaftsmalers Christian
Morgenstern) und seiner Ehefrau Charlotte Schertel (Tochter des
Landschaftsmalers Josef Schertel) in München geboren und erlebte in
unserm gegen Nymphenburg zu gelegenen -- aller Kunst und heiteren
Geselligkeit geöffneten -- Hause mit parkartigem Garten glückliche,
eindrucksreiche Kindheitsjahre. Meine Eltern reisten viel, zuerst aus
Lebenslust, dann aus Rücksicht auf ein beginnendes Lungenleiden
meiner Mutter, und nahmen mich schon von meinem dritten oder
vierten Jahre an überallhin mit. Besonders ist mir eine lange Reise
durch Tirol, die Schweiz und das Elsaß in Erinnerung, die im
wesentlichen in einer von zwei unermüdlichen Juckern gezogenen
Kutsche zurückgelegt wurde. Dazwischen und später waren es dann die
(damals noch ländlichen) bayerischen Seedörfer Kochel, Murnau,
Seefeld, Herrsching, Weßling und noch später schlesische Dörfer am
Zobten und im Vorland des Riesengebirges, die dem sehr viel einsamen
und stillfrohen Knaben unvergeltbar Liebes erwiesen. Solch
freundliches Los ward ihm zumal durch die Lebensführung des Vaters,
der als freier Landschafter sowohl, wie dann, als er an die Breslauer
Kunstschule berufen worden war, Sommer um Sommer ins Land
hinauszog; wozu noch kam, daß er ihn, als eifriger Jäger, bisweilen in
seinen Jagdgebieten und Jagdquartieren mit sich hatte.
Diese Jahre waren grundlegend für ein Verhältnis zur Natur, das ihm
später die Möglichkeit gab, zeitweise völlig in ihr aufzugehen.
Sie waren aber auch nötig, denn bald nach seinem zehnten Jahre, in
dem er die Mutter verlor, begann der Ansturm feindlicher Gewalten
von außen wie von innen. Was sich bisher, gehegt und verwöhnt,
daheim und im Freien so durchgespielt hatte -- mein Spielen bildet für
mich ein eigenes sonniges Kapitel -- zeigte sich dem äußeren Leben,
wie es vor allem in der Schule herantrat, weniger gewachsen. Es war,
als wäre das Leidenserbe der Mutter, das doch erst zwölf Jahre darauf
zu wirklichem Kranksein führte, schon damals übernommen worden;
denn wenn auch mancher frische Aufschwung immer wieder weiter
trieb, so setzten doch mehr und mehr jene dumpfen Hemmungen ein,
die ihn wohl nicht hätten so zu Jahren kommen lassen, wenn nicht
irgend etwas in ihm ebenso zähe für ihn gestritten und ihn über das
Schlimmste immer wieder von neuem hinweggebracht hätte. Vielleicht
war es dieselbe Kraft, die, nachdem sie ihn auf dem physischen Plan
verlassen hatte, geistig fortan sein Leben begleitete und, was sie ihm
leiblich gleichsam nicht hatte geben können, ihm nun aus geistigen
Welten heraus mit einer Treue schenkte, die nicht ruhte, bis sie ihn
nicht nur hoch ins Leben hinein, sondern zugleich auf Höhen des
Lebens hinauf den Weg hatte finden sehen, auf denen der Tod seinen
Stachel verloren und die Welt ihren göttlichen Sinn wiedergewonnen
hat.
Sie mag ihm auch den Jugend- und Lebensfreund zugeführt haben,
_Friedrich Kayßler_, dem die Sammlung 'Auf vielen Wegen' (und
wieviel anderes!) mit dem Danke gehört: 'Wär der Begriff des Echten
verloren / In Dir wär er wiedergeboren'.
In meinem 16. Jahre etwa wurde mir das erste Glück philosophischer
Gespräche. Schopenhauer, vor allem, auch schon die Lehre von der
Wiederverkörperung traten in mein Leben ein. Es folgte, Anfang der
Zwanziger, Nietzsche, dessen suchende Seele mein eigentlicher Bildner
und die leidenschaftliche Liebe langer Jahre wurde. Die Aufgabe,
Ibsens Verswerke zu übertragen, führte mich 1898 nach Norwegen. Ich
lernte Henrik Ibsens teure Person kennen und durfte in den
Übersetzungen von 'Brand' und 'Peer Gynt' mich innerlichst mit ihm
verbinden.
Das Jahr 1901 sah mich über den 'Deutschen Schriften' Paul de
Lagardes. Er erschien mir -- Wagner war mir damals durch Nietzsche
entfremdet -- als der zweite maßgebende Deutsche der letzten
Jahrzehnte, wozu denn auch stimmen mochte, daß sein gesamtes Volk
seinen Weg ohne ihn gegangen war.
Noch sechs Jahre darauf schrieb ich in mein Taschenbuch:
Zu Niblum will ich begraben sein, am Saum zwischen Marsch und
Geest ...
Zu Niblum will ich mich rasten aus von aller Gegenwart. Und
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