Strix

Svend Fleuron
Strix, by Svend Fleuron

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Title: Strix Die Geschichte eines Uhus
Author: Svend Fleuron
Translator: Mathilde Mann
Release Date: October 13, 2006 [EBook #19530]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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Svend Fleuron
S t r i x

Die Geschichte eines Uhus

[Illustration: Verlagssigel]

Fünftes bis neuntes Tausend Verlegt bei Eugen Diederichs Jena / 1921

Berechtigte Übersetzung aus dem Dänischen von Mathilde Mann
Alle Rechte insbesondere das Recht der Übersetzung in fremde
Sprachen vorbehalten. Copyright 1921 by Eugen Diederichs Verlag in
Jena
* * * * *
1. Das Ohr des Waldes
In der fernen Tiefe der großen Föhrdenwälder, wo sich Licht- und
Schattenbäume wirr ineinander verzweigen, ragt ein hoher Hügelzug
steil empor.
Er zieht sich rund um ein kleines Waldmoor herum, so daß die
Morgensonne seine Westseite und die Abendsonne die Ostseite
bescheint, während die Strahlen der Mittagssonne nur seinen Gipfel
streifen.
An der Nordseite des Hügels, ganz hart an der Wand, steht zwischen
Dornen und Gestrüpp eine alte, abgestorbene Eiche.
Sie war einstmals eine Rieseneiche, ein Koloß von Baum; jetzt ist sie
hohl -- der Kern ist vermodert und ganz zusammengesunken, so daß
gleichsam ein Haus in dem zunderigen Stamme entstanden ist.
Es riecht säuerlich da drinnen und seifig wie nach Zecken.

... Die Zeit wohnt hier und zeugt jede Sekunde, wetzt ihren Zahn und
frißt, was die Zeit vor ihr übriggelassen hat.
Ungefähr in halber Höhe des Stammes, an der Seite der alten Eiche
nach dem Moore zu, gähnt ein großes Loch aus dem Bauch des Baumes
hervor.
Eine Daune flattert in einem Spinngewebe an dem oberen Rande der
Öffnung.
Tief unten in dem Loch, das in bezug auf das Sonnenlicht so gestellt ist,
wie der Hügel selbst --: die westliche Wand bekommt Morgensonne,
die östliche Abendsonne, während die hintere Wand nie den Schimmer
eines Strahles erhascht -- sitzt ein riesengroßer Vogel, und je nachdem
die Sonne ihren Weg über den Himmel geht, rückt er aus dem einen
Schatten in den andern.
Es ist ein Nachtraubvogel --: ein großer, braungefiederter Uhu!
Diese alte Eiche hier im Revier hat er mit gutem Bedacht erwählt: hier
sitzt er gleichsam im Ohr des Waldes; jeder Laut, der von draußen her
über den See hereindringt, fährt zwischen den Hügelwänden hin und
her und bis zu ihm in das Loch hinein.
Es ist ein dickes, kräftiges Uhuweibchen ...
Sein Kopf ist so groß wie der der größten Wildkatze, nach vorn zu
flach abgeschnitten, so daß er das schönste Gesicht bildet.
Der Schnabel ist stark und gekrümmt, und die Schneiden sind so scharf
wie eine Rosenschere. Sie behandeln einen Braten kunstgerecht,
zerlegen ein Stück Wild im Handumdrehen. Ritsch, Ratsch -- und sie
haben selbst die Schenkelknochen eines zähen, alten Hasen
durchgeschnitten.
Er fängt kein Tier, dieser große Uhu -- er schlachtet es!
Von den gelben Schnabelrändern steht ein Kranz von Federn wie ein

brausender Schnurrbart ab. Er trägt sein Teil dazu bei, auf humane und
rücksichtsvolle Weise das arme Opfer irre zu führen, wenn es im
Kampf um sein Leben versucht, sich ein Urteil über den großen
Schlund seines Gegners zu bilden.
Der Schlund ist enorm -- aber erst wenn der Uhu ihn öffnet, kann man
es sehen.
Die Mundwinkel gehen ganz bis hinter die Augen und enden fast bei
den Ohren; sie erschließen einen feuerroten, dampfenden Schlund, der
den verhältnismäßig engen Trichter zu einem ungeheuren Sack bildet,
in dem eine ganze Stallratte verschwinden kann.
Oben auf dem Kopf, rings um die Ohrlöcher, die ungeheuer sind im
Verhältnis zu ihrer Größe bei andern Vögeln, sind die Federn sinnreich
geordnet, so daß sie gleichsam einen Schirm bilden, gegen den die
Schallwellen anschlagen können.
Das Gehör der großen Eule ist denn auch so fein, daß sie hören kann,
wie die Maus kaut und das Gras trinkt, ja selbst jede Bewegung, jeden
Flügelschlag des Nachtfalters hört sie!
Oben von den Schirmen ragen wild und drohend, wie die
Lauscherpinsel eines Luchses, zwei wehende Federbüsche in die Höhe.
Aber die Augen sind doch das Furchteinflößendste in diesem Gesicht!
Sie sind prachtvoll gelb mit rötlichem Außenrand; die Eule kann
gleichsam Feuer und Blut dahineinlegen, sie glühen und Funken
sprühen lassen, so daß das Opfer gelähmt wird, wenn es seinen Blick
plötzlich fängt.
Sie ist so groß, daß sie im Morgen- und Abendlicht, wenn sie über die
Waldeswipfel hingleitet,
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