Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erster Band. | Page 4

Emil Holub
von Minute zu Minute immer h?her aus den Tiefen des Oceans aufsteigt. Es ist die Krone einer imposanten Felsenburg, jener steinerne Herold Afrika's der in der Entdeckungsgeschichte unseres Erdballs einen ewig denkwürdigen Wendepunkt bildet--der Tafelberg.
1: Die Ueberfahrtsdauer von Southampton über Madeira nach der Capstadt mit den Dampfern der beiden Concurrenz-Gesellschaften ?Union Steam Ship Company? und ?Donald Currie & Cie.? ist in den letzten Jahren bis auf 20 und 18 Tage abgekürzt worden.
Dieses Gefühl der Sehnsucht nach festem Boden, es steigert sich aber bis zur peinlichsten Ungeduld, wenn das Schiff auf seiner langen Fahrt mit all' den Launen und Tücken des Ocean's zu k?mpfen hat; wenn der Neuling zur See, anstatt alle jene originellen, wunderbaren Ph?nomene des Meeres, die pr?chtige unvergleichliche Erscheinung des Sonnen-Auf- und Untergangs, das Spiel in der F?rbung des Himmels und Wassers, das possirliche Treiben der Delphine und fliegenden Fische zu bewundern, einem Gefangenen gleich in der engen Cajüte Schutz vor Sturm und Wetter suchen mu?; wenn an Stelle der scheidenden Sonne, welche den weiten Plan mit leuchtenden B?ndern flüssigen Feuers durchsetzt--ein Bild, das sich dem für Natur-Erscheinungen empfindlichen Gemüthe mit unausl?schlichen Zügen einpr?gt--die Windsbraut, dunkle regengeschw?ngerte Wolkenmassen in rasender Eile dahinjagt, wenn das Meer, anstatt in leicht gekr?uselten, kosenden Wellen am Bug des Schiffes sich brechend, sich in seinem ganzen majest?tischen Zorne zeigt, im Kampfe mit dem Erbfeinde die Wogen aufthürmt zu m?chtiger H?he und diese donnernd zusammenbrechen, da? fast dem Sturme davor bangt, wenn das m?chtige Fahrzeug in allen Spanten und Fugen ?chzt und st?hnt.
So aber zeigte sich mir der Ocean: Von sechsunddrei?ig an Bord des ?Briton? auf der Fahrt von Southampton über Madeira nach der Capstadt verlebten Tagen--26. Mai bis 1. Juli 1872--hatten wir mehr denn drei?ig Tage stürmisches Wetter, volle vier Wochen litt ich an einer heftigen Dysenterie, welche meine Kr?fte derart herabgebracht hatte, da? ich kaum mehr zu hoffen wagte, das Gestade Süd-Afrika's lebend zu erreichen. Bei einem solchen K?rper- und dem damit verbundenen Seelenzustande werden es die geehrten Leser wohl leicht begreiflich finden, da? ich vor Begierde brannte, festen Boden unter mir zu fühlen, war doch dieser Boden mein hei? ersehntes Ziel, die St?tte, an der ich in jahrelanger Th?tigkeit der Wissenschaft meine Kr?fte zu widmen gedachte. Obwohl todtmüde, fühlte ich neue Kraft in meine Glieder dringen, als der Ruf ?Land? in der zweiten Cajüte bekannt wurde, unverwandt prüfte ich den Horizont und wich nicht früher vom Platze, bis nicht der Tafelberg und seine beiden Genossen, der L?wenkopf zur Rechten und der Teufelsberg zur Linken, sowie die sich nach Süden dieser Gruppe anschlie?enden zw?lf Apostel in ihrer ganzen Massenhaftigkeit mir vor Augen lagen.
[Illustration: Ansicht von Funchal.]
Bevor wir das Deck des ?Briton? verlassen und den Fu? auf afrikanische Erde setzen, sei es mir gestattet, mit einigen Worten eines Erlebnisses an Bord desselben zu gedenken, das mir einen Vorgeschmack all' der Gefahren und Mühsale bot, die meiner auf meinen Reisen in Süd-Afrika harrten. Wir befanden uns am 20. Juni 1872 auf der H?he von St. Helena, schon mehr als drei Wochen hindurch verfolgte uns ein so schlechtes Wetter, da? es schwer hielt, sich auf Verdeck zu erhalten. Durch die erw?hnte Krankheit war ich sehr herabgekommen und je schw?cher ich wurde, um so gedrückter schien mir die Atmosph?re in dem beengten Raum der zweiten Cajüte zu sein (meine Mittel erlaubten es mir nicht, einen Platz in der ersten Cajüte zu miethen). Als sich nun am genannten Morgen auffallende Athembeschwerden einstellten, nahm ich mir vor, mich mit Anwendung aller Kr?fte (der Schiffsarzt lag am Delirium tremens darnieder und war mir somit ohne Nutzen) auf Verdeck zu schleppen, um die frische Luft einzuathmen. Mit uns?glicher Mühe erreichte ich das Vorderdeck (Vordercastell), mehrmals von dem Gischt der hoch aufsch?umenden an den Bug des Schiffes unter Donnerget?se sich brechenden Wogen durchn??t; die Erleichterung, welche die Luft der frischen Brise meiner Brust bot, war aber so verlockend, da? ich es nicht scheute, mich weiteren solchen Sturzb?dern auszusetzen.
Nach wenigen Minuten sah ich jedoch ein, da? hier nicht meines Bleibens war; von einer überschlagenden Sturzwelle auf's Neue überrascht und ganz durchn??t erhob ich mich und über den Bug in die aufgeregte See blickend, überlegte ich eben, ob es wohl nicht gerathener schien, in die Cajüte zurückzukehren; in diesem Momente begegnete mein Auge aber schon einer Riesenwoge, die sich mauerartig vor dem Schiffe aufthürmte. Bevor ich mich noch bergen h?tte k?nnen, hatte sich das Schiff in die Woge gebohrt, und w?hrend der Schiffsrumpf bei dieser Sturzwelle bis in's Innerste erbebte, begruben die überstürzenden Wassermassen für einen Augenblick das ganze Vorderdeck; in diesem kritischen Momente griffen meine Finger instinctiv in den gitterartig durchbrochenen Boden des Vordercastells und suchten dort Halt zu gewinnen, allein wie ein Span von der Kraft des niederstürzenden Wassers gehoben, wurde ich über Bord geschleudert. Da ich jedoch im Falle an die untere Querstange anschlug, wurde die Wucht desselben geschw?cht, und
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