Shakespeare und die Bacon-Mythen | Page 9

Kuno Fischer
haben, denen die gr??te aller Liebestrag?dien entstr?mt ist!
Erst mu? im Promus "guten Morgen" und ?_bon jour_? gestanden haben, bevor Mercutio sagen konnte: ?_Signor Romeo, bon jour!_? (II. 4). Erst wurde im Promus notirt: "Gute Nacht!", um den Mercutio sagen zu lassen: "Gute Nacht, Freund Romeo!" Nun erst konnte Julia sagen: "Und tausendmal gute Nacht!" (II. 2). Im Promus steht "Amen", um den Romeo auszurüsten und den Segenswunsch des Bruders Lorenzo bekr?ftigen zu lassen: "Amen! So sei's!" (II. 6).
Im Promus lesen wir nichts als das Wort "Lerche". Das soll der Keim sein, woraus das wundervollste aller Liebesgespr?che hervorging: die Worte Julias: "Es war die Nachtigall und nicht die Lerche!" die Worte Romeos: "Die Lerche war's, die Tagverkünderin!"
Im Promus lesen wir den lateinischen Vers, welcher den Schlaf ein falsches Bild des eisigen Todes nennt. Dieser Vers sei der Text zu der Rede Lorenzos, worin er Julien die erstarrenden Wirkungen seines Schlaftrunkes schildert (IV. 1), der Text zu den Worten des alten Capulet, als er die Tochter in der Erstarrung vor sich sieht: "Der Tod liegt auf ihr, wie ein Maienfrost auf des Gefildes sch?nster Blume liegt!"
Nichts w?re erwünschter gewesen, als wenn auf diesen so ergiebigen Bl?ttern einmal der Name "Romeo" gestanden h?tte. Wirklich hat Mrs. Henry Pott ihn zu finden geglaubt: sie las ?_rome_? und hielt es für die Abkürzung von Romeo. In Wahrheit aber stand nicht ?_rome_? da, sondern ?_vane_?, wie von sachkundiger Seite nachgewiesen worden. [Fu?note: Eduard Engel, in Nr. 480 der "Nationalzeitung" vom 25. August 1894.--Ueber den Promus s. Bormann, S. 271-76.]
Wenn die Erinnerung der Amme an das Erdbeben vor elf Jahren auf die Entstehung der Dichtung zu beziehen ist, wie Delius gemeint hat, so würde die letztere in das Jahr 1592 fallen und also einige Jahre früher entstanden sein als der Promus, der am 5. December 1594 beginnt.
3. Die Vergleichung der Werke.
Wie dem auch sei, Mrs. Henry Pott hat eine neue Art Bacon-Mythen auf das Tapet gebracht: sie l??t Bacon Vorrathskammern anlegen und mit Worten und W?rtern füllen, um die Personen seiner Dramen damit zu speisen. In ihrer n?chsten Schrift: "Hat Francis Bacon Shakespeare geschrieben?" [Fu?note: _Did Francis Bacon write Shakespeare? The lives of Bacon and Shakespeare compared with the dates and subject matter of the plays. By the editor of Bacons promus etc. ?Look an this picture and on this.? W. H. Guest a. Co. 1885._--Ueber den Sturm und Othello vgl. S. 48, S. 61-62.] (1885) hat sie bereits angefangen, die Werke Bacons mit den Werken Shakespeares zu vergleichen, z. B. die naturgeschichtliche Abhandlung über die Winde mit dem Lustspiel "Der Sturm", um deren innere Uebereinstimmung und Einheit zu erweisen; sie hat damit den Weg betreten und angebahnt, welchen die jüngste Bacon- Theorie auszubauen sich zur Aufgabe gesetzt hat.
Im übrigen befolgt ihre Beweisart genau jenen Tact, nach welchem der Marsch der Bacon-Theorie sich richtet. Da der Promus und "Romeo und Julia" eine Anzahl gleicher Worte und W?rter enthalten, so steht Romeo und Julia im Promus.
VII. BACONS GROSSE GEHEIMSCHRIFT: MYTHUS ODER HUMBUG?
Die ganze Bacon-Theorie würde mit einem Schlage feststehen, wenn sich irgendwo eine verborgene oder versteckte Urkunde aufspüren lie?e, worin Bacon selbst berichtet hat: da? er der Dichter war, William Shakespeare aber sein Werkzeug und ein Mensch von der Art, wie unsere Baconianer ihn vorstellen. Und da Bacon, wie aus seiner Lehre ersichtlich, sich mit der Kunst des Chiffrirens und Dechiffrirens besch?ftigt hat, so wird er diese Urkunde wohl chiffrirt und der Nachwelt überlassen haben, den Schlüssel zu finden. Das gro?e Bacongeheimni? in Chiffern! Eine solche Urkunde dürfte man füglich "die gro?e Geheimschrift" nennen: great kryptogramm.
Aber wo sie finden? Am Ende hat sie Bacon in seinen eigenen Werken versteckt und zwar in denjenigen, welche den Inhalt seines gro?en Geheimnisses ausmachen, in seinen Shakespeare-Dramen, in deren erster Gesammtausgabe, haupts?chlich in den beiden Theilen Heinrichs IV. Nirgends steht hier der Name "Stratford", ?fter dagegen der Name "St. Alban", noch ?fter der Name "Francis". "Franz! Franz!" "Gleich, Herr, gleich!"--Wie Falstaff die Kaufleute plündert, schreit er: "Nieder mit euch, ihr Speckfresser (_bacon-knaves_)!"Da haben wir schon "Francis" und "Bacon", also "Francis Bacon"! Wie leicht sind die Worte schütteln (_shake_) und Speer (_speare_) anzutreffen: da haben wir Shakespeare. In einer Scene der "Lustigen Weiber" spielt der Knabe William seine Rolle. Also F r a n c i s B a c o n und W i l l i a m S h a k e s p e a r e w?ren da, die beiden Hauptagenten jener tief verborgenen Geschichte, die das Bacon-Geheimni? ausmacht!
Nun wird es nicht schwer halten, in der Folio-Ausgabe Worte und Wortkl?nge genug ausfindig zu machen, daraus die ganze Legende von Bacon als dem Verfasser "Richards II.", von "Richard II." als einem staatsgef?hrlichen Stück, von Hayward und dem Zorne der K?nigin, von Shakespeare als dem Stratforder Taugenichts und dem Londoner Schauspieler und Regisseur zu construiren und so zusammenzusetzen, wie es
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