ich
Gesellschaft?" Er willigte ein, und nicht lange dauerte es, so saßen wir
uns auf meinem Zimmer mit gefüllten Gläsern gegenüber. Es gibt
untrügliche Kennzeichen, wodurch sich der geübte Trinker von dem
angehenden unterscheidet; wenn dieser, während er das süße, flüssige
Feuer hinuntergießt, die Augen wollüstig zukneift, und in innigem
Behagen noch mit dem letzten Tropfen die Zunge erquickt, so spritzt
jener bloß ein wenig den Mund, trinkt mit offnen Augen und ignoriert
den Tropfen, da er die Erfahrung gemacht hat, daß dieser Nachzügler
den Durst, statt ihn zu löschen, nur aufs neue weckt. Schnock, das sah
ich gleich, war kein angehender Trinker; er trank das erste Glas nur, um
recht bald zum zweiten zu kommen, und an eine Entsiegelung seines
inneren Menschen, auf die ich mich freute und derentwegen ich ihn
eingeladen hatte, war von Entsiegelung der dritten Flasche nicht zu
denken. Ich gab mich gegen ihn für einen geschiedenen Ehemann aus
und sagte, ich hätte bloß darum mein Vaterland verlassen, weil mein
rachsüchtiges Weib mir ihre sämtlichen Liebhaber, einen nach dem
andern, mit Herausforderungen auf den Hals schicke, was mir über
kurz oder lang das Leben kosten könne. Diese Eröffnung machte ihn
treuherzig, aber eine Unvorsichtigkeit, die ich gleich hernach beging,
hätte das günstige Vorurteil, das er für mich zu fassen begann, fast im
Keim wieder zerstört. Ich zog nämlich, weil sie mir unbequem waren,
meine Taschenpistolen hervor und legte sie neben mich auf den Tisch.
Plötzlich--er war schon in recht lebhaften Mitteilungen über sein
Märtyrertum begriffen gewesen--stockte der Fluß seiner Rede, er
entfärbte sich und sah mich an. Ich bemerkte die Veränderung, die mit
ihm vorgegangen war, früher, als ich sie begriff, und bemühte mich,
ihrer Ursache auf die Spur zu kommen, aber schneller als all mein
Nachsinnen verhalf mir eine zufällige Bewegung meiner Hand zur
Aufklärung über den zweifelhaften Punkt. In der Zerstreuung ergriff
ich eine der Pistolen, die ungeladen waren, und spannte spielend den
Hahn; da sprang Schnock von seinem Stuhle auf und versicherte mir
mit einem Gesicht, welches gegen den Mund die bündigste Protestation
einlegte, er halte sich in meiner Gesellschaft für sicher. "Ihr seid's
vollkommen, lieber Meister," versetzte ich; "die Dinger da drückten
mich, ich führe sie zu meiner Verteidigung auf Reisen bei mir, aber um
mich nicht selbst zu schädigen, lade ich sie nicht, außer wenn ich bei
Nebel und Nacht durch dicke Waldungen komme." Zum Zeugnis der
Wahrheit meiner Relation drückte ich die Pistole, welche ich eben in
der Hand hielt, ab. "Ich", entgegnete Schnock, indem er sich wieder mit
alter Behaglichkeit niederließ, "würde doch Pistolen und dergleichen
niemals mit mir führen; denn davon bin ich überzeugt, wenn die Gefahr
wirklich an den Mann herantritt, so vergißt man's entweder, daß man
sie hat, oder man schießt beim Abfeuern fehl und reizt so den
Menschen, der es vielleicht nur auf einfache Räuberei abgesehen hatte,
zu Mord und Blutvergießen."--"Ihr habt nicht unrecht," erwiderte ich,
mein Lachen verbeißend, was mir, wenn's mir nur einmal gelingt,
immer gelingt, "und da wär's gar möglich, daß man, nachdem man
durch die erste Pistole den Mordgedanken erweckte, durch die zweite
niedergestreckt würde; ich setze den Fall, daß der Räuber keine Waffe
bei sich führt und sich ihrer bemächtigt."--"Freilich, freilich!" versetzte
Schnock und trank, sichtlich erfreut, zwei Gläser hintereinander. Die
dritte Flasche war halb geleert, da stand er plötzlich auf, trat mit
pfiffigwichtiger Miene vor mich hin und fragte mich: "Sagt mir doch,
bin ich eigentlich feig?"--"Es scheint wohl nur so!" antwortete ich,
einigermaßen verdutzt. "Gewiß!" versetzte er und nahm wieder Platz,
"daß ich's nicht bin, davon, glaub' ich, hab' ich Euch heute den Beweis
gegeben. Ich traue Euch nichts Böses zu, bei Gott nicht! sonst wär' ich
keine fünf Minuten geblieben; aber, dies könnt' Ihr nicht leugnen, Ihr
seid mir wildfremd. Ihr ladet mich ein, Euch auf Euer Zimmer zu
begleiten und Wein mit Euch zu trinken, jeder andere hätte, und mit
Recht, aus Eurer Splendidität Argwohn geschöpft und die sonderbare
Einladung mit Abscheu abgelehnt; ich unterdrücke meinen Verdacht
und gehe mit Euch. Ich denke, ich bin nicht feig!"--"Ei, Meister
Schnock," erwiderte ich, "wie kommt Euch denn der Einfall, daß Ihr
feig wäret?"--"Weil," versetzte er hastig und schenkte sich ein, "weil
sie mich alle für feig halten, ja, weil ich, Stunden, wie diese,
ausgenommen, selbst das ganze Jahr hindurch, Gott weiß, woran es
liegt! glaube, daß ich's bin." Jetzt verschwand bei ihm die letzte Spur
von Zurückhaltung, um so mehr, als er erfuhr, daß ich nicht im Orte
bleibe, sondern gleich den nächsten Tag wieder abreise, er machte mich
zum vollständigsten Vertrauten seiner Lebens-, das heißt
Märtyrergeschichte, und ich erhielt Gelegenheit, in die Mikrologien
seines Daseins hineinzuschauen, das mir so putzig vorkam, als ob es
gar nicht seiner selbst wegen, sondern zur Belustigung eines größeren
geführt würde. Ich darf nun freilich nicht vergessen, daß meine Leser
nicht, wie ich, gezwungen
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